Düsseldorf – Der CDU-Politiker Herbert Reul ist seit 2017 Innenminister von NRW.
Herr Reul, nach der Sommerpause nimmt Schwarz-Grün Fahrt auf. Wird es weiterhin in der Innenpolitik den harten Reul-Kurs geben, oder läuft die Null-Toleranz-Strategie jetzt durch den Grünen-Weichspüler?Herbert Reul: Wir werden die Kriminalität weiter konsequent bekämpfen, das Recht durchsetzen und uns an den Grundrechten orientieren – das ist die gemeinsame Linie mit den Grünen in der Innenpolitik. In den Koalitionsverhandlungen wurden kontroverse Debatten immer sehr fair miteinander ausgetragen. Mit der FDP war es auch nicht immer einfach, zum Beispiel beim Versammlungsgesetz. Aber wir haben immer kluge Lösungen hinbekommen.
Die Flut hat viele Mängel im Katastrophenschutz aufgedeckt. Künftig sollen die Bürger – wie früher – wieder landesweit mit Sirenen gewarnt werden. Wann ist das Netz einsatzbereit?Es gibt ja bereits rund 5600 Sirenen im Land und einen Sirenenwarntag, den wir übrigens als erstes Bundesland 2018 wieder eingeführt haben. Das reicht aber nicht. Deshalb erwarte ich, dass der Bund sein Sirenen-Förderprogramm verlängert. Sollte der Bund hier nicht handeln, werden wir als Land darüber nachdenken müssen, wie wir das sicherstellen können. Digitale Lösungen wie Cell Broadcast sind ein echter Fortschritt, aber nicht jeder besitzt ein Handy.
Deutschland bereitet sich auf einen Gasmangel in Herbst und Winter vor. Wie ist die Polizei auf Energie-Engpässe eingestellt?Wir haben uns schon früh mit der Frage beschäftigt, wie wir hier den Betrieb der kritischen Infrastruktur sicherstellen können. Das Problem fängt bei der Betankung unserer Polizeifahrzeuge an. Wir haben bei der Polizei noch neun eigene Tankstellen, die werden jetzt technisch so erweitert, dass sie auch mit Notstrom funktionieren. Die Behörden wurden angewiesen, diese vollständig zu befüllen und nach einem Verbrauch von maximal 10.000 Litern nachzufüllen. Außerdem haben wir beispielsweise 40 mobile Tanks mit einem Volumen von bis zu 400.000 Litern bestellt, die im Herbst über das Land verteilt in den Polizeiliegenschaften aufgestellt werden.
Was passiert, wenn die Telefonnetze durch einen Hacker-Angriff ausfallen würden?Dann können die Bürger die Polizei nur noch persönlich kontaktieren. Wir haben ein Konzept erarbeitet, damit die Erreichbarkeit weiter gegeben ist. So würden beispielweise mobile Wachen eingesetzt und die Zahl der Streifen massiv erhöht. Die Bürger würden dann durch Lautsprecherdurchsagen auf die Kontaktmöglichkeit hingewiesen werden.
Wie soll die Polizei in einer solchen Notlage selbst kommunizieren?Die NRW-Polizei kommuniziert vor allem über den besonders stabilen Digitalfunk – und nicht über öffentliche Telefonnetze. Außerdem schaffen wir 123 neue Satellitentelefone an, um die Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden in einer besonderen Notlage zu gewährleisten. Auch im Innenministerium müssen wir in der Lage sein, zu arbeiten. Dafür sind 14 Satellitentelefone vorgesehen. Wenn es zu einem Stromausfall kommt, sollen Notstromaggregate die Versorgung für mindestens 72 Stunden gewährleisten. Darüber hinaus sind Übungen des „großen Krisenstabs“, dem die Staatssekretäre der Ministerien angehören, geplant. Ich denke, dass wir mit unserem Gesamtkonzept, das aktuell unter Federführung unserer Staatssekretärin erarbeitet wird, in NRW gut für den Krisenfall gerüstet sind.
Wie wollen Sie Feuerwehr und Katastrophenschutz technisch besser für den Kampf gegen künftige Fluten aufstellen?Die vorhandene Ausrüstung bei den Feuerwehren und den Hilfsorganisationen ist schon sehr gut, aber natürlich gibt es auch noch Schwachpunkte. So kamen einige Fahrzeuge im Fluteinsatz nicht weiter, weil sie nicht hochwassertauglich waren. Die Feuerwehren, die Hilfsorganisationen und das Land sind jetzt gefragt, dieses Problem zu lösen. Eine Hilfsorganisation zum Beispiel hat ihr Fahrzeug umgerüstet, so dass es gelände- und hochwassertauglich ist. Bei den Löschfahrzeugen, die das Land neu beschafft, wird die Frage der gelände- und hochwassertauglich natürlich beachtet. Und auch in den Kommunen spielt dieser Aspekt bei künftigen Beschaffungen sicher eine Rolle.
Die Grünen haben das Justiz-Ressort übernommen - angeblich, um Sie engmaschiger kontrollieren zu können. Was sagen Sie dazu?Der neue Justizminister ist ein sehr qualifizierter Mann, vor dem ich Hochachtung habe. Ich glaube, dass wir gut zusammenarbeiten werden. Unser beider Interesse ist ja, dass wir einen guten Job machen.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist einer der Hoffnungsträger der Bundes-CDU. Ist er der kommende Kanzlerkandidat?Die NRW-CDU hat für Spitzenämter auch auf Bundesebene immer kluge Personalvorschläge gemacht. Die Frage der Kanzlerkandidatur steht allerdings jetzt nicht zur Entscheidung an.