- Vor der Weltklimakonferenz in New York machte Bundesumweltministerin Schulze Station beim SPD-Landesparteitag in Bochum.
- Das gerade vorgestellte Paket der Bundesregierung zum Klimaschutz wird von vielen Seiten kritisiert, sie verteidigt es im Interview.
- Sie sei „erst zufrieden, wenn der CO2-Ausstoß deutlich zurückgeht und Deutschland ganz klar auf dem Pfad ist, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten“, so Schulze.
Die Strapazen der langen Verhandlungen im Klimakabinett lächelt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) beim SPD-Landesparteitag in Bochum einfach weg. Hier macht sie kurz Station auf dem Weg zur Weltklimakonferenz in New York – und verteidigt im Gespräch das heftig umstrittene Klimaschutzpaket.
Frau Schulze, was macht Ihr Schlafhaushalt?
Schulze: Es könnte besser werden. Aber der Klimaschutz ist alle Anstrengung wert.
Kaum dass das Klimakabinett nach der Nachtsitzung der Koalitionsspitzen die Ergebnisse bekannt gegeben hat, hagelte es schon mächtig Kritik. Was macht die Beschlüsse zum großen Wurf?
Wenn Sie mit großer Wurf meinen, dass man einmal große Entscheidungen trifft und sich danach zehn Jahre zurücklehnen kann, muss ich Sie enttäuschen. So etwas gibt es in der Klimapolitik nicht. Aber wir haben wichtige Grundlagen gelegt, die unter anderem die Art, wie Regierungen in Zukunft Klimaschutzpolitik machen werden, grundlegend verändern. Nach dem Klimaschutzgesetz wird nun jedes Jahr überprüft, ob wir auf dem richtigen Pfad sind. Fachminister, in deren Zuständigkeitsbereich die Ziele verfehlt werden, sind nun gesetzlich verpflichtet nachzusteuern und Sofortprogramme vorzulegen. Früher war es doch so: Die Umweltministerin musste allen auf den Zehen stehen, damit sie etwas tun. Jetzt ist für alle Ressorts klar, welches Ziel sie haben und wie viel CO2 im jeweiligen Bereich eingespart werden muss. Sie sind verantwortlich.
Verändert sich damit Ihre Rolle von der Dränglerin zur Klimaschutz-Kontrolleurin?
Nein, für die Kontrolle gibt in Zukunft ein gesetzliches Regelwerk, das für alle gilt.
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Gibt es Sanktionen, wenn ein Ressorts die Ziele reißt?
Die gesetzliche Verbindlichkeit im Klimaschutzgesetz mit der klaren Ressortverantwortung für die Sektorziele des Klimaschutzes ist ein Riesenfortschritt. Und alle wissen, dass es künftig Geld kosten wird, wenn Deutschland seine Klimaziele verfehlt.
Konkret müssen die Bürger alles umsetzen. Der Druck, Heizungen zu erneuern oder Häuser energetisch zu sanieren, wird steigen. Wie wollen sie erreichen, dass Hausbesitzer sich nicht überfordert fühlen, sondern mitziehen?
Das erreichen wir damit, dass die Maßnahmen in einem vernünftigen Tempo umgesetzt werden. Es geht um die nächste Heizung, die man anschafft, die soll möglichst gar kein CO2 mehr ausstoßen. Damit das schneller gelingt, fördern wir den Wechsel – etwa mit 40 Prozent, wenn die alte Ölheizung ausgetauscht wird.
Im Verkehr wollen sie die E-Mobilität massiv anschieben, Was ist mit Übergangstechnologien wie Diesel?
Das Kernproblem ist, dass immer größere Spritfresser gefahren werden. Davon müssen wir weg, Autos müssen künftig weniger Sprit verbrauchen. Und Elektroautos werden mit den neuen Beschlüssen schon bald deutlich attraktiver und alltagstauglicher werden.
Dezidierte Vorgaben für erneuerbare und alternative Energieträger wie beispielsweise synthetische Kraftstoffe muss man im Klimapaket suchen. Warum wird die Groko da nicht mit klaren Vorgaben konkret?
Keine Sorge, das werden wir. Die Bundesregierung hat das Ziel, bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien am Strommix zu erreichen. Dafür schaffen wir neue Anreize. Die Kommunen haben die Möglichkeit, eine eigene Grundsteuer auf Windkraftanlagen zu erheben. Das heißt, sie haben erstmals etwas davon, wenn in ihrem Bereich Windräder stehen. Es gibt auch klare Regeln, wo Anlagen errichtet werden können. Das gibt Investoren Sicherheit. Wir wollen den Ausbau unterstützen, der stockt im Moment. Synthetische Kraftstoffe werden wir vor allem in der Industrie und im Flugverkehr benötigen.
In Deutschland haben am Freitag Hunderttausende auf den Straßen für engagierteren Klimaschutz demonstriert. Das Echo von Fridays for Future auf Ihre Beschlüsse fiel aber vernichtend aus. Wie gehen sie damit um?
Erstmal finde ich es gut, dass so viele junge Leute – mit ihnen hat die Bewegung angefangen – sehr klar sagen, was sie wollen. Dass sie politisch sind und fordern, man soll sich um die Zukunft kümmern. Mit dem Klimaschutzgesetz tun wir das. Das wird gewährleisten, dass die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele für 2030 erreicht.
Es war vielleicht zu erwarten, dass die Fridays for Future-Bewegung ihre Beschlüsse so zerreißen würde. War es ein Fehler, sich so deutlich auf deren Druck zu beziehen?
Druck gibt es von allen Seiten. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich mich letztes Jahr als erste und einzige in der Regierung für einen CO2-Preis ausgesprochen habe. Damals gab es einen ziemlichen Aufschrei, nun hat die Bundesregierung sich auf ein Modell verständigt, dass einen stetigen - wenn auch sehr moderaten Preispfad festlegt. Bis letzte Woche gab es noch laute Stimmen innerhalb der Koalition, die jede Art von CO2-Bepreisung abgelehnt haben. Es hat sich im Laufe dieses Jahres enorm viel verändert. Fridays for Future hat sicher dazu beigetragen, sie waren es aber nicht alleine. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Bewegung geworden.
Aus Sicht von Wissenschaftlern reichen die Beschlüsse, reicht insbesondere der CO2-Preis nicht, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. Werden sie nochmal nachbessern?
Wenn man nur auf ein Instrument gesetzt hat, wie so mancher Ökonom, dann mag man enttäuscht sein. Ich hatte diese Verliebtheit in ein einziges Instrument nie. Aber wichtig war mir die gesetzliche Pflicht zur Nachsteuerung. Erreichen wir die Ziele im Verkehr, bei Gebäuden, in der Landwirtschaft, in der Industrie? Wenn das nicht der Fall ist, wird nachgesteuert. Das ist enorm wichtig. Und ich rate sehr davon ab, dann wieder nur auf ein einziges Instrument zu schauen: Wir brauchen die beständige Fortschreibung eines Mixes aus Ordnungsrecht, Preis und Förderung.
In den letzten Monaten wirkte ihre Position zumindest schwierig. Sie hatten viel Gegenwind und noch nicht den Rückenwind der Kanzlerin. Wie viele von ihren Zielen haben sie durchsetzen können – und was heißt das für ihre künftige Arbeit im Kabinett?
Eine Umweltministerin muss immer drängeln, muss immer mehr wollen. Ich bin erst zufrieden, wenn der CO2-Ausstoß deutlich zurückgeht und Deutschland ganz klar auf dem Pfad ist, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Das ist mein Anspruch. Diese Treiberinnen-Rolle ist nicht immer einfach. Aber es gehört zum Job der Umweltministerin.
Sie haben immer gefordert, wir müssen...
...und jetzt sage ich in vielen Punkten: Wir werden. Das ist schon ein wichtiger Fortschritt, wenn man das sagen kann.
Der Stellenwert für das Thema am Kabinettstisch ist jetzt ein anderer – oder?
Das Thema hat jetzt eine andere Wahrnehmung als vor eineinhalb Jahren. Das ist auch notwendig. Es geht darum, ob alle gemeinsam diesen Planeten lebenswert halten. Ob ein Industrieland wie Deutschland die technischen Innovationen voranbringt und wirklich umsteuert. Wir haben das Know-how dafür.
Wir sind hier beim Landesparteitag der NRW-SPD, die sich hier inhaltlich neu verortet. Was aber fehlt, ist eine klima- und umweltpolitische Erzählung. Warum kommt die nicht vor?
In der gesamten SPD gibt es eine sehr engagierte klimapolitische Debatte. Das muss auch so sein, die SPD arbeitet insgesamt an ihrem Profil und den inhaltlichen Positionen.
Wo macht die SPD denn in der Klimapolitik den Unterschied?
Für uns ist das zentrale Anliegen, dass wir alles zusammenbringen wollen. Wir wollen die Klimaziele erreichen, wir verbinden das mit Arbeitsplätzen und Wirtschaftspolitik. Und wir machen das mit einem sozialen Blick. Unter dem Klimawandel und Umweltverschmutzung leiden gerade diejenigen, die am wenigsten Geld haben. Auch aus Gründen sozialer Gerechtigkeit ist Klimaschutz zentral.
Dafür braucht es ja technologische Innovation. Ist das ein SPD-Thema?
Unser Motto in der NRW-SPD war immer, dass Klimaschutz ein Fortschrittsmotor ist. Wir sind überzeugt, dass das ein Treiber sein kann, der Industrie verändert, der neue zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft. Es gehört zur DNA der SPD, dass sie sich auch um Industriepolitik kümmert. Wir wollen auch in Zukunft Industrie haben, aber eine klimafreundliche.