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Unklarheit über Kreml-Strategie„Wir oder sie“ – Medwedew gibt Auslöschung der Ukraine als Kriegsziel aus

Lesezeit 3 Minuten
Dmitri Medwedew bei einer Militärparade in Moskau. Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats rechnet mit schwindender westlicher Unterstützung für die Ukraine. (Archivbild)

Dmitri Medwedew bei einer Militärparade in Moskau. Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats rechnet mit schwindender westlicher Unterstützung für die Ukraine. (Archivbild)

„Wenn es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauert, dann sei es so“, fügte der enge Vertraute von Wladimir Putin an.

Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats und ehemalige Kremlchef Dmitri Medwedew hat sich mal wieder mit markigen Worten zum Ukraine-Krieg geäußert – und damit Zweifel an den bisher von Moskau offiziell genannten Kriegszielen Russlands geweckt.

Die „Niederlage des Westens“ sei unvermeidlich, erklärte Medwedew, der als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, bei Telegram am Samstag. „Das ist ein existenzieller Konflikt“, schrieb Medwedew zudem. Es sei ein „Krieg zur Selbsterhaltung“ und es gelte die Devise: „Entweder sie oder wir“.

Dmitri Medwedew und die russischen Kriegsziele: „Wir dürfen nicht aufhören“

„Wir dürfen nicht aufhören, bis der gegenwärtige, von Natur aus terroristische, ukrainische Staat vollständig zerschlagen ist“, führte der russische Politiker aus. „Er muss bis auf die Grundmauern zerstört werden, damit nicht einmal Asche davon zurückbleibt“, hieß es weiter. „Damit dieser Dreck unter keinen Umständen wiedergeboren werden kann.“

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Damit äußerte Medwedew in faschistischer Ausdrucksweise andere Kriegsziele als jene, die Moskau noch Anfang August öffentlich erklärt hatte. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow hatte damals gesagt, Russland wolle die „in der Verfassung“ festgeschriebenen Gebiete vollständig erobern. Dazu gehören die Krim sowie die Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson im Osten der Ukraine.

Putin-Vertrauter über Ukraine-Krieg: „Wenn es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauert, dann sei es so“

Medwedew zeigte sich zudem zuversichtlich, dass die Unterstützung für die Ukraine mit der Zeit zurückgehen werde. „Es wird einige Zeit vergehen. Die westlichen Behörden werden sich ändern, ihre Eliten werden müde und fordern Verhandlungen und ein Einfrieren des Konflikts“, erklärte Medwedew seine Zukunftsvision.

Russland habe keine andere Wahl, behauptete der ehemalige Kremlchef zudem. „Wenn es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauert, dann sei es so“, fügte er an. „Entweder wir werden ihr feindseliges politisches Regime zerstören, oder der kollektive Westen wird Russland irgendwann in Stücke reißen. Und in diesem Fall wird er mit uns sterben“, hieß es weiter. Damit dürfte Medwedew indirekt erneut mit Atomschlägen im Falle einer Niederlage Russlands gedroht haben.

„Propaganda-Bluthund“ von Wladimir Putin: Immer wieder schrille Drohungen von Dmitri Medwedew

Seit Kriegsbeginn tritt der Vizechef des russischen Sicherheitsrates immer wieder mit schrillen Worten und Drohungen an die Öffentlichkeit – meist geht es dabei um Angriffe mit Nuklearwaffen oder um einen möglichen Ausbruch eines Dritten Weltkrieges.

Experten wie der Politikwissenschaftler Thomas Jäger von der Universität Köln sehen in Medwedew Putins „Propaganda-Bluthund“. Ernst zu nehmen seien derartige Drohungen nicht. „Aus meiner Sicht besteht da überhaupt keine Furcht. Jedenfalls nicht mehr als an jedem anderen Tag der letzten 70 Jahre“, erklärte Jäger im Gespräch mit dieser Zeitung.

Medwedew will die „komplette Auslöschung“ des ukrainischen Staats

Russland verfolge mit derartigen Drohungen jedoch auch eine Strategie, erklärte Jäger. Mit der jüngsten Wortmeldung gibt Medwedew nun einen ungewohnt offenen Einblick in die Ziele, die man im Kreml offenbar verfolgt.

Mit Drohungen und der jetzigen Formulierung der kompletten Zerstörung der Ukraine als Kriegsziel soll der Westen offenbar mürbe gemacht werden. „Der Krieg eines anderen wird früher oder später langweilig, kostspielig und irrelevant“, beschrieb Medwedew ganz offen die Entwicklung, die man sich in Moskau offenbar erhofft. Verhandlungsbereitschaft scheint in Russland weiterhin nicht zu bestehen – zumindest deutet in Medwedews Worten nichts daraufhin.