AboAbonnieren

Bedrohliche Botschaften„Nicht nur die Psychopathen im TV“ – Moskau will Vernichtung statt Verhandlungen

Lesezeit 6 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin will eine „neue Weltordnung“ erschaffen. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin will eine „neue Weltordnung“ erschaffen. (Archivbild)

Ob Propaganda-TV oder Kreml-Politiker: Die Signale sind „klar und unmissverständlich“, sagt Russland-Experte Matthäus Wehowski. In Moskau spricht man von einem „irreversiblen“ Prozess.

Verhandlungen hier, Diplomatie dort: Während in Deutschland weiterhin leidenschaftlich über Gespräche mit Moskau, Waffenstillstände und das Einfrieren des Krieges debattiert wird, zeigen die Wortmeldungen aus Russland erneut, dass die deutsche Debatte – kräftig befeuert von BSW, AfD und der sogenannten „Friedensbewegung“ – abseits der Moskauer Realität stattfindet. Ob Dmitri Medwedew, Sergej Lawrow oder die prominentesten TV-Propagandisten – alle senden in diesen Tagen die klare Botschaft: Es geht nicht um einen Kompromiss, nicht um Frieden. Es geht um die Vernichtung der Ukraine – und die Unterwerfung des Nachbarlandes, das in Moskauer Augen eigentlich gar nicht existiert.

Klare Botschaft aus Moskau: „Es gibt keine Ukraine“

„Sie können diesen Krieg überhaupt nicht gewinnen, denn es gibt keine Ukraine“, erklärte der frühere russische Präsident Medwedew jüngst wahrheitswidrig in seinem Telegram-Kanal. „Euer Land ist ein Phantom!“ Daran werde auch ein Wahlsieg von Donald Trump in den USA nichts ändern, bekräftigte Medwedew, der auf eine Aussage von US-Politiker Mike Johnson reagierte, der zuvor angedeutet hatte, Trump würde Russlands Krieg bei einem Wahlsieg in kürzester Zeit beenden. „Was, wenn Putin sagt: ‚Nicht jetzt. Die Ukraine muss kapitulieren und darf nicht der Nato beitreten‘“, lautete Medwedews lakonische Antwort.

Dmitri Medwedew zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Der frühere russische Präsident gehört zu den schrillsten Lautsprechern seit Kriegsbeginn. (Archivbild)

Dmitri Medwedew zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Der frühere russische Präsident gehört zu den schrillsten Lautsprechern seit Kriegsbeginn. (Archivbild)

Gesprächsbereitschaft herrscht in Moskau derzeit bei keinem Thema: „Biden sagt, er wolle mit Russland über die Reduzierung der Nuklearwaffen verhandeln. Die USA führen jedoch einen fast umfassenden (keinen hybriden) Krieg gegen uns und wollen Moskau strategisch besiegen“, erklärte Medwedew am Montag. „Verhandlungen über eine Reduzierung der Atomwaffen mit den USA sind so sinnvoll wie die Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Hitler im Jahr 1945.“

„Verhandlungen über Atomwaffen so sinnvoll wie mit Hitler 1945“

Ähnlich hatte sich zuvor auch Außenminister Lawrow geäußert. „Wir werden den Job erledigen“, zitierte die russische Zeitung „Komsomolskaya Prawda“ den Minister am Freitag. Die russische Botschaft in Deutschland verbreitete ebenfalls Aussagen Lawrows in den sozialen Netzwerken. „Unsere Ansicht zur ukrainischen Konfliktlösung ist gut bekannt und hat sich nicht verändert“, zitierte die Botschaft den Chefdiplomaten des Kremls. Auch Kremlchef Wladimir Putin bekräftigte zuletzt: Eine „neue Weltordnung“ soll geschaffen werden – dieser Prozess sei „irreversibel“.

Die russischen Propagandamedien stehen diesen Statements in nichts nach: So bezeichnete ein Kolumnist der „Moskowski Komsomolez“ zuletzt die Idee, dass Trump den Krieg beenden könnte, als „Märchen“. Bereits im Sommer habe der Kremlchef schließlich klar die russischen Bedingungen formuliert. Diese würden nach wie vor gelten – und wenn sie nicht am Verhandlungstisch erfüllt werden, werde Russland eben weiter Krieg führen, erklärte der Kolumnist.

Moskauer Zeitung: „Ukraine ist in den Mühlstein des Herrn geraten“

Auch bei der „MK“ träumt man von Putins „neuer Weltordnung“ – der Krieg sei nur ein Teil davon, heißt es dort. Die Ukraine sei in den „Mühlstein des Herrn geraten“, daher sei es „sinnlos“, Putin jetzt einen Waffenstillstand vorzuschlagen, lautete schlussendlich das Fazit.

Werbegeschenk einer ukrainischen Getränkefirma: Putin mit Medwedew auf dem Schoß – die Atombombe stets griffbereit. (Archivbild)

Werbegeschenk einer ukrainischen Getränkefirma: Putin mit Medwedew auf dem Schoß – die Atombombe stets griffbereit. (Archivbild)

Im staatlichen Propaganda-TV klingt das derweil ganz ähnlich. Wie die Übersetzung der amerikanischen Journalistin Julia Davis zeigt, fanden mit Wladimir Solowjow und Margarita Simonjan zwei der prominentesten Moskauer Putin-Getreuen nun erneut deutliche Worte.

Putins Propaganda-TV sieht Russland „im Krieg mit der Nato“

„Wir sind im Krieg mit der Nato“, erklärte Solowjow in seiner Sendung beim Staatssender Rossiya-1. „All die Gespräche und Reisen, die Selenskyj unternimmt, lenken uns nicht vom Wichtigen ab: Die Nato ist unser Feind“, führte der Moderator aus. Damit meint Solowjow allerdings vor allem die USA, denn es sei völlig egal, was „die europäischen Köter“ wollten. Nur wenn Washington sie „von der Leine lasse“, würden die Europäer plötzlich „bellen“, erklärte Solowjow und fügte an: „Sie haben nicht einmal eigene Waffen.“

„Ich würde gerne nach Odessa fahren, weil Odessa unsere Stadt ist“, erklärte derweil Simonjan, Chefin des Propagandasenders RT, in der Sendung. Es gehe dabei nicht um „Gier“ oder „Stolz“, führte sie aus. Mehr als 30 Jahre lang hätten die Russen vergessen, dass „alles“ eigentlich ihnen gehöre, erklärte Simonjan. Still und leise hätte man sich am Küchentisch gefragt: „Wie konnten wir das alles nur weggeben?“

„So haben es die Sowjets auch gemacht“

Bei Russlands Krieg gegen die Ukraine gehe es aber nicht um „früher war alles besser“, führte die RT-Chefin aus. Es gehe vielmehr um die Geschichte „des glorreichsten russischen Reichs und seines ruhmreichsten Nachfolgers“, erklärte Simonjan.

Dass das Russische Reich und die Sowjetunion nicht mehr existierten, sei bedauernswert. Moskaus Kurs sei richtig, schließlich habe Putin bereits vor mehr als 20 Jahren erklärt: „Wenn der Kampf unausweichlich ist, sollte man als erster angreifen.“ Das habe Russland nun getan – und damit eine weltweite „Neustrukturierung“ in die Wege geleitet.

„Wir müssen zu Stalins und den imperialen Methoden zurückkehren“

Simonjans Empfehlung: „Wir müssen zu Stalins und den imperialen Methoden zurückkehren.“ Daher sollten die russischen Soldaten auch mehr Gehalt bekommen als Moskauer Taxifahrer, forderte die RT-Chefin: „Das sind die Helden Russlands.“ Außerdem würden so noch mehr Russen für den Kriegsdienst motiviert werden können. „So haben es die Sowjets auch gemacht“, so das Moskauer Propaganda-Schwergewicht.

„Russlands Botschaft ist klar und unmissverständlich: Eine unabhängige und souveräne Ukraine darf es nicht geben“, kommentierte der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski die Worte aus der russischen Propagandamaschinerie gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Russland will die Ukraine vernichten: „Von den Schulen bis zur Duma“

Das Ziel der „Vernichtung“ der Ukraine gelte „nicht nur für die Psychopathen im Staatsfernsehen“, sondern werde in allen Bereichen der russischen Gesellschaft „nonstop“ wiederholt – „von den Schulen bis zur Duma“, fügte Wehowski an. Wer vor diesem Hintergrund Diplomatie oder Verhandlungen mit Moskau fordere und dabei die russische Position ignoriere, „belügt im besten Fall sich selbst“, so das Fazit des Historikers.

Es sind aber nicht nur Worte aus Moskau, sondern auch Taten, die darauf hindeuten, dass es im Kreml keinerlei ernsthaftes Interesse an einer diplomatischen Lösung gibt – außer restlos alle russischen Forderungen würden am Verhandlungstisch erfüllt.

Putin nimmt viele Tote in Kauf: Russland erlebt tödlichsten Monat

So war der September laut jüngsten amerikanischen Analysen der „tödlichste Monat“ des gesamten Krieges für die russischen Streitkräfte, berichtete am Montag das „Wall Street Journal“. Rund 1.200 Tote und Verwundete habe es auf russischer Seite gegeben – jeden Tag.

„Die Ukraine fügt Russland weiterhin Verluste zu, die in keinem Land akzeptabel wären, das keine absolute Autokratie ist“, zitierte die US-Zeitung mit John Nagle einen Professor einer Bildungseinrichtung der US-Armee. Putin hoffe darauf, dass Trump ihm einen „relativ leichten Sieg“ verschaffe, indem er die Unterstützung der Ukraine beende, führte der ehemalige Oberstleutnant aus. Bis dahin sei Russland bereit, enorme Verluste zu erleiden.

Personelle Unterstützung aus Nordkorea für Putins Armee?

Gleichzeitig rüstet man sich in Moskau offenbar auch dafür, mögliche Personalengpässe in den eigenen Reihen auszugleichen. So berichteten ukrainische Partisanen am Wochenende bei Telegram, dass in den besetzten Gebieten in der Ostukraine mehrere Trainingszentren eingerichtet worden seien, in denen sich derzeit „nordkoreanisches Militärpersonal“ befinde, das Vorbereitungen für die Ausbildung weiterer Soldaten aus Fernost treffe.

Diese Beobachtungen decken sich mit den jüngsten Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der zuletzt erklärt hatte, dass Nordkoreas Diktator Kim Jong Un nicht nur Waffen, sondern mittlerweile auch Menschen an Russland liefere. In Moskau, so die klaren Signale, plant man weiterhin für Krieg – nicht für Verhandlungen. Die Wünsche von Sahra Wagenknecht, AfD und Co. werden das nicht ändern.