AboAbonnieren

„Kiew gehört nicht zur Ukraine“Moskau bekräftigt Putins faschistische Pläne – und begrüßt „Brodeln in Europa“

Lesezeit 4 Minuten
Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew (l.) zusammen mit Kremlchef Wladimit Putin. Medwedew hat der Ukraine das Existenzrecht abgesprochen. Der Kreml will an seinen Kriegszielen festhalten. (Archivbild)

Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew (l.) zusammen mit Kremlchef Wladimit Putin. Medwedew hat der Ukraine das Existenzrecht abgesprochen. Der Kreml will an seinen Kriegszielen festhalten. (Archivbild)

Zuvor hatte Dmitri Medwedew mit Blick auf das Baltikum bereits von „zweitklassigem Gesindel“ gesprochen. Putin will nicht verhandeln.

Der ehemalige russische Präsident und nunmehrige Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, hat sich faschistisch über die Ukraine geäußert und dem Land das Existenzrecht abgesprochen. „Selenskyj ist nicht der Präsident, sondern Usurpator“, schrieb Medwedew in seinem Telegram-Kanal. „Ukrainische ist keine Sprache“ und „die Ukraine kein Land“, fügte der russische Politiker, der als enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin gilt, an. Medwedew hatte kurz zuvor auch die Länder des Baltikums als „zweitklassiges Gesindel“ bezeichnet.

Dass es im Westen zuletzt Überlegungen gegeben habe, Krim und Donbass von einem eventuellen Schutz durch die Nato auszunehmen, sei „nicht schlecht“, erklärte Medwedew außerdem. Nun müsse der Westen aber noch erkennen, „dass Odessa, Mykolajiw, Kiew und praktisch alles andere nicht zur Ukraine gehört“, schrieb Medwedew und bestätigte somit erneut das Festhalten des Kremls an dem Kriegsziel der kompletten Unterwerfung der Ukraine.

„In Europa brodelt es“: Freude in Moskau über Demos gegen Nahost-Konflikt

Medwedew zeigte sich zudem erfreut über die Proteste in Europa gegen die Gewalteskalation im Nahen Osten. „In Europa brodelt es“, schrieb Medwedew. „Auf den Straßen protestieren Hunderttausende von Menschen gegen die zynische Unterstützung des Westens für die Gewalt in Gaza“, behauptete der russische Ex-Präsident.

Alles zum Thema Nahostkonflikt

Zielscheiben mit den Porträts von Dmitri Medwedew und Wladimir Putin hängen in der ukrainischen Stadt Odessa an einer Wand. (Archivbild)

Zielscheiben mit den Porträts von Dmitri Medwedew und Wladimir Putin hängen in der ukrainischen Stadt Odessa an einer Wand. (Archivbild)

Die Ukraine hatte bereits kurz nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel davor gewarnt, der Kreml könnte sich den Konflikt zunutze machen. In Moskau spekuliere man darauf, dass der Konflikt im Nahen Osten von den eigenen Taten in der Ukraine ablenken werde, erklärte der ukrainische Geheimdienst (HUR).

Russland weiß Nahost-Konflikt für eigene Zwecke zu nutzen

Auch über einen direkten russischen Einfluss auf die Hamas wird immer wieder spekuliert. So waren Vertreter der Terrororganisation in den letzten Monaten in Moskau zu Gast. Es sei zudem „kein Zufall“, dass der Angriff der Hamas exakt am Geburtstag von Kremlchef Wladimir Putin durchgeführt worden sei, hatte auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), kürzlich erklärt.

Anzeichen für eine Einflussnahme des Kreml hatte es zuletzt durchaus gegeben. So äußerten französische Behörden den Verdacht, die antisemitischen Markierungen mit Davidsternen, die es in Paris nach dem Angriff der Hamas gegeben hatte, könnten von Russland in Auftrag gegeben worden sein. Der Kreml weist diesen Vorwurf zurück.

Microsoft berichtet von „russischer Desinformation“ nach Hamas-Angriff auf Israel

Am Wochenende erklärte unterdessen auch der Präsident von Microsoft, dass Russland gezielt „Desinformation“ über die Lage im Nahen Osten verbreite. Der Software-Konzern sei mittlerweile „sehr gut“ darin, russische Desinformationskampagnen zu erkennen, sagte Brad Smith bei einem Friedensforum in Paris. Das sei der Fall gewesen, als Russland versucht habe, „Menschen zu sagen, sie sollten sich nicht gegen Covid impfen lassen oder heute, wenn wir die russische Desinformation im Nahen Osten sehen“, erklärte der Microsoft-Chef.

Zuletzt hatte es im Westen erneut Spekulationen um mögliche Verhandlungen mit dem Kreml gegeben. Medienberichten zufolge sollen US-Regierungsvertreter die Verhandlungsbereitschaft der ukrainischen Regierung abgeklopft haben. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte erklärt, er sei bereit, mit Putin zu reden – wenn zuvor die russischen Truppen aus der Ukraine abgezogen würden.

Wladimir Putin lässt keinen Zweifel: Verhandlungen mit Russland zwecklos

Am Montag reagierte Moskau auf die Worte des Kanzlers. Gespräche seien nicht ausgeschlossen, die Ziele der „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine blieben jedoch unverändert. Wie die aussehen, hatte Medwedew, der sich bereits am Sonntag geäußert hatte, da bereits noch einmal zusammengefasst.

Der Sicherheitsratsvize fällt seit Kriegsbeginn immer wieder mit seiner offen faschistischen Wortwahl und schrillen Drohungen mit Atomschlägen auf. Medwedew wird für seine Worte von ukrainischen Medien mittlerweile meist als „Clown“ oder „Trunkenbold“ verhöhnt.

Dmitri Medwedew: „Bereits am Hof Peters des Großen gab es den Hofnarren“

Ernst nehmen müsse man die Worte des Putin-Getreuen aber dennoch, erklärte nun der Historiker Matthäus Wehowski auf X (vormals Twitter). „Bereits am Hof Peters des Großen gab es den betrunkenen Hofnarren, der alles aussprach, was die Eliten im Imperium sonst nur hinter vorgehaltener Hand erzählten“, schrieb Wehowski. Das gelte auch, wenn Medwedew die „Existenz der ukrainischen Sprache, Kultur und Geschichte negiert“.

Auch der Politikwissenschaftler Thomas Jäger hatte Medwedews Funktion für die russische Regierung im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits beschrieben. Der ehemalige Präsident, der im Westen einst den Ruf eines Reformers hatte, sei „Putins propagandistischer Bluthund“, sagte Jäger. Insbesondere seine Drohungen mit Atomschlägen erfüllten vor allem eine innenpolitische Funktion, zielten aber auch darauf ab, die westliche Unterstützung für die Ukraine abzumindern, erklärte Jäger.

„Friedensbewegung“ in Deutschland: Kritik an Ukraine-Unterstützung, Schweigen zum Faschismus

In Deutschland treffe dieses Vorgehen auf „besonders fruchtbaren Boden“, führte Jäger mit Blick auf die „Friedensbewegung“ um die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Publizistin Alice Schwarzer aus und warnte vor einem zunehmenden Faschismus in Russland.

Zu Medwedews erneut faschistischer Wortmeldung äußerte sich Wagenknecht, die eine neue Partei gründen will, bis zum Dienstagmorgen nicht. Stattdessen kritisierten Wagenknecht und weitere Mitglieder der noch zu gründenden neuen Partei die Ankündigung der Bundesregierung, die Hilfe für die Ukraine im kommenden Jahr auf acht Milliarden Euro erhöhen zu wollen.