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Herzschlagfinale steht bevorDas sind die letzten Prognosen vor der Landtagswahl

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Thomas Kutschaty (SPD) will Ministerpräsident werden, Hendrik Wüst (CDU) Ministerpräsident bleiben.

Düsseldorf – Auf diesen Moment fiebern die Wahlkämpfer der Parteien seit Wochen hin. Am Sonntag, kurz nach 18 Uhr, kommen die ersten Prognosen zum Wahlausgang in NRW. Dann zeichnet sich ab, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern der Landtagswahl 2022 zählt. Kann NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) weiterregieren? Oder steht ein Machtwechsel an? Möglicherweise reicht für den Herausforderer Thomas Kutschaty (SPD) auch Rang zwei, um eine Mehrheit zu bilden, die ihn zum Regierungschef in Düsseldorf macht.

In den Parteizentralen von CDU und SPD ist die Nervosität groß. Naturgemäß sehen beide Parteien ihren Spitzenkandidaten als den Sieger des TV-Duells am Donnerstag. Der Ausgang des Urnengangs am Sonntag bleibt aber völlig ungewiss. Die Meinungsforschung ist eben keine exakte Wissenschaft. „Überraschungen am Wahlabend sind immer möglich“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). NRW steht vor einem Herzschlag-Finale bei der Landtagswahl.

Institute sind sich relativ einig

In den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute INSA, Forsa, Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen zeigt sich seit Wochen ein einheitliches Bild. Während Insa noch bis April die SPD vorne sah, wurde zuletzt ein Vorsprung für die CDU ermittelt. Nach einer aktuellen Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen vom Donnerstag für das ZDF würden die Christdemokraten 32 Prozent, die SPD 29 Prozent, Grüne 17 Prozent, FDP 6 Prozent und AfD 7 Prozent erhalten. Die Linke wäre nicht im Parlament vertreten.

Das Problem: Der Unsicherheitsbereich bei repräsentativen Umfragen kann zwischen 1,5 und drei Prozent liegen. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass die SPD am Ende doch die Nase vorn haben könnte. Dann hätte Kutschaty es geschafft, der CDU den Posten des Ministerpräsidenten nach nur einer Legislaturperiode wieder zu entreißen. Bis 2005 war NRW 39 Jahre lang von der SPD regiert worden. Seitdem pendelte die Regierungsverantwortung hin und her. NRW ist zu einem Swing-State geworden, in dem der Wahlerfolg davon abhängt, ob die Lager ihre Unterstützer vollständig mobilisieren können.

SPD kommt vom schlechtesten Ergebnis in der Landesgeschichte

Bei der Wahl 2017 hatte die SPD mit 31,2 Prozent (minus 7,9 Prozent) ihr schlechtestes Ergebnis in der Landesgeschichte erzielt. „Insbesondere in den im Wahlkampf zentralen Feldern Schulpolitik, Alltagskriminalität und Verkehrspolitik konnte die Landesregierung die Wähler nicht überzeugen“, heißt es in einer Wahlanalyse der Heinrich Böll Stiftung, die den Grünen nahesteht.

Die SPD verlor vor allem an das bürgerliche Lager, mehr als 300.000 Stimmen gingen von der SPD an die CDU. Überdurchschnittliche Verluste musste die Partei 2017 vor allem bei älteren Wählern und bei Beamten hinnehmen. „Die mangelnde Bereitschaft, eklatante Fehler beim Polizeieinsatz in der Kölner Silvesternacht zuzugeben und das Festhalten am Turbo-Abitur wurden zum Sargnagel für Hannelore Kraft“, sagt ein Landesvorstandsmitglied der NRW-SPD.

Kutschaty brachte SPD in ruhigeres Fahrwasser

Nach dem Fiasko bei der Landtagswahl 2017 stürzte die SPD in NRW weiter ab. Die Europawahl 2019 geriet mit einem Ergebnis von 19,2 Prozent zu einem noch schlimmeren Desaster. Die Kommunalwahl 2020 markierte zwar eine Trendwende, aber mit 24,3 Prozent der Stimmen war die SPD von der einstigen Stärke in ihrem „Stammland“ weit entfernt. Die Debatten um die Fortsetzung der Großen Koalition und die Reibereien zwischen dem früheren Parteivorsitzenden Sebastian Hartmann und Fraktionschef Kutschaty lähmten die Partei. Erst, als Kutschaty seinen Konkurrenten 2021 kaltstellte und die Ämter vereinigte, kam die NRW-SPD in ein ruhigeres Fahrwasser.

Der Erfolg von Olaf Scholz bei der Bundestagwahl im vergangenen Jahr sorgte schließlich für die entscheidende Schubumkehr. „Diese Wahl klärte nämlich zweierlei. Erstens, dass die SPD die dominierende Kraft diesseits der Union bleiben kann und zweitens, dass ihr wieder zugetraut wird, eine Regierung führen zu können“, so der SPD-Politiker und Historiker Karsten Rudolph. Sollte die SPD aber am Sonntag unter der 2017er-Marke von 31,2 bleiben, wäre dies erneut ein historisch schlechtes Wahlergebnis.

Marginale Gewinne wären für CDU Grund zur Euphorie

Auch bei der CDU ist völlig unklar, ob der schwarze Balken nach oben oder nach unten geht. Selbst marginale Gewinne würden bei den Christdemokraten wohl Euphorie auslösen. Denn dann könnte sich die CDU – neben den Grünen, die nach dem Debakel von 2017 ja nur zulegen können – zu den Wahlsiegern zählen. „Das würde den Druck auf die Grünen, dem Wählerwillen zu folgen und ein schwarz-grünes Bündnis zu bilden, erhöhen“, sagte ein Mitglied der CDU-Landtagsfraktion.

Die NRW-CDU hatte zunächst mit dem schlechten Abschneiden des früheren NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) bei der Bundestagswahl zu kämpfen. Im Oktober 2021 ermittelte Insa nur noch einen Zustimmungswert von 20 Prozent für die CDU – sie lag damit dreizehn Prozent hinter der SPD. Der Sieg der Sozialdemokraten schien ein Selbstläufer zu werden. Doch CDU-Spitzenkandidat Wüst kämpfte sich zurück ins Rennen.

CDU und SPD zogen an einem Strang

Im Gegensatz zum Wahlkampf im Jahr 2017, den der Streit um die Schulpolitik und die Innere Sicherheit prägte, war der aktuelle Wahlkampf in NRW kaum durch eine starke Polarisierung gekennzeichnet. In der Corona-Politik hatten Regierung und Opposition seit 2020 an einem Strang gezogen. Überzogene Attacken auf den politischen Gegner erschienen den Parteistrategen angesichts des Kriegs in der Ukraine unangemessen zu sein. So erlebten die Bürger eine überwiegend zurückgenommene Auseinandersetzung. Lediglich die „Mallorca-Affäre“ der Union sowie der Streit über eine besonders ausgeprägte Nähe der SPD zu Putin sorgten für erhitzte Diskussionen.

Bei der Bundestagswahl hatte die CDU in NRW vor allem ältere Stammwähler im ländlichen Raum verloren. Diese will der Münsterländer Wüst jetzt zurückholen. In seinem Imagefilm zeigt er sich als heimatverbundener Politiker, der stolz auf seine provinzielle Herkunft ist. Von seiner berüchtigten Angriffslust, die sein Image in der Zeit als CDU-Generalsekretär geprägt hatte, ist im Wahlkampf nicht viel zu spüren.

Heute wirkt der Ministerpräsident gezähmt, will vor allem keine situativen Fehler machen. Beim Thema Klimaschutz und Energie baut er Brücken zu den Grünen. Seine stärkste Lok im Wahlkampf bleibt die Innere Sicherheit. Dass er derzeit oft als Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz in den Nachrichten zu sehen ist, kommt seinem bundesweiten Renommee zugute.

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Kutschaty, der aus einer Essener Eisenbahnerfamilie stammt, will den Wahlsieg durch starke Ergebnisse in der ehemaligen „Herzschlagkammer der SPD“, dem Ruhrgebiet, erringen. Hier hatte die SPD 2017 in den von Armut geprägten Stadtteilen auch viele Wähler an die AfD verloren. Die SPD setzt auf die Themen Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und Wohnungsbau. Ein bezahlbares Zuhause zu finden, ist vielerorts in NRW so gut wie unmöglich.

Auf dem Land ist Gesundheitsversorgung in Gefahr

Auf dem Land drückt die Menschen an einer anderen Stelle der Schuh. Dort sehen viele ihre Gesundheitsversorgung wegen drohender Klinikschließungen in Gefahr. Auch bezahlbare Energie ist ein zentrales Thema von Kutschaty. Beim Kohleausstieg will er auf Nummer sicher gehen, das Ausstiegsdatum 2030 notfalls verschieben. Das könnte bei Koalitionsverhandlungen mit den Grünen zum Streit führen.

Bei CDU und SPD geht man davon aus, dass erste Telefonate über die Terminierung von Sondierungsgesprächen noch am Sonntag stattfinden. Erste Zusammentreffen der Delegationen könne es schon in der nächsten Woche geben, hieß es. Sollte die Regierungsbildung im üblichen Zeitrahmen verlaufen, dürfte der künftige Ministerpräsident noch vor den Sommerferien gewählt werden.