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Streitfragen bei SondierungenCDU und Grüne suchen die gemeinsame Basis

Lesezeit 4 Minuten
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Hendrik Wüst (CDU) und Mona Neubaur (Die Grünen) beim Treffen am Dienstag, es gab auch Proteste.

Düsseldorf – Nach den Sondierungsgesprächen wollen die NRW-Grünen auf einem kleinen Parteitag am Sonntag in der Essener Philharmonie über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Die grüne Basis gilt als eher kritisch. Bei der CDU wird der erweiterte Landesvorstand über ein Ja zu schwarz-grünen Verhandlungen befinden. Das gilt als sicher, weil für die CDU sonst nur die Alternative einer großen Koalition mit der SPD bliebe – und das will keiner. Doch was sind mögliche kritische Punkte bei Verhandlungen zwischen CDU und Grünen? Eine Übersicht.

Energiewende und Klimaschutz

Die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise und das pragmatische Handeln des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck ermöglichen einen gemeinsamen Kurs von CDU und Grünen in NRW. Vom Grundsatz her sind sich beide einig, am vorgezogenen Ausstiegsdatum aus der Kohleverstromung 2030 festzuhalten, Unterschiede gibt es nur in Details.

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Mona Neubaur (Grüne) und Hendrik Wüst (CDU) sprechen vor Journalistinnen und Journalisten.

Zum Beispiel bei der Windenergie. Dort ist die 1000 Meter-Abstandsregelung, die von der CDU befürwortet und von den Grünen abgelehnt wird, zum Zankapfel mit Symbolcharakter geworden. Letztlich wird man sich auf das gemeinsame Ziel der Bundesregierung verständigen, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen zu nutzen. Das können auch Kalamitätsflächen auf den von Windbruch und Borkenkäfern zerstörten Waldflächen sein. Der enorme Druck, sich möglichst schnell von russischem Gas und Öl unabhängig zu machen, wird zu einer Einigung beitragen.

Kritische Themen sind der Flächenverbrauch, auf den die alte Landesregierung weniger Wert gelegt hat und die grüne Forderung, den Anteil des Öko-Landbaus bis 2030 von derzeit sieben auf 30 Prozent zu erhöhen.

Verkehrspolitik

Auf den ersten Blick scheinen die Positionen unvereinbar, auch wenn Ministerpräsident Hendrik Wüst bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, dass Deutschland wieder „Bahnland“ werden müsse. Die CDU will keine radikale Abkehr vom Auto, vor allem auf dem Land sollen Gemeinden, deren Ortskerne unter dem Durchgangsverkehr leiden, weiter durch Umgehungsstraßen entlastet werden. Die Wunschliste ist lang, bisher hat NRW immer auf Vorrat geplant.

Die Grünen hingegen wollen auf den Neubau von Straßen ganz verzichten, nur noch in deren Sanierung und Erhaltung investieren. Dafür haben sie ihren Wählern auch auf dem Land eine Mobilitätsgarantie versprochen. Zwischen 5.30 und 22.30 Uhr soll mindestens einmal pro Stunde ein Bus oder eine Bahn fahren. Dafür sollen die Pro-Kopf-Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr verdoppelt werden.

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Es knirscht, aber ein Kompromiss ist möglich. Der Verkehrshaushalt 2022 umfasst knapp 3,4 Milliarden Euro. Da gibt es durch Umschichtungen zum Beispiel zugunsten des stockenden Ausbaus der Radschnellwege viel Kompromisspotenzial.

Innere Sicherheit

Manchmal hängt es auch an Personen. Mit einem Innenminister Herbert Reul und dessen kompromissloser Law-and-Order-Strategie tun sich die Grünen schwer, wissen aber auch, dass der CDU-Politiker bei den Bürgern sehr beliebt und der Posten nicht verhandelbar ist. Sein angeordneter Großeinsatz der Polizei zur Räumung des Hambacher Forsts im Herbst 2018 kommt für die Grünen einer „Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung“ gleich.

Doch das ist jetzt vier Jahre her, der Hambacher Forst gerettet, ein weiterer Großeinsatz zum Beispiel im Braunkohledorf Lützerath nicht zu befürchten, weil der letzte Landwirt dort nach einer Niederlage im Rechtsstreit mit RWE im September seinen Hof räumen wird. Einen zweiten Hambacher Forst wird es also schon aus diesem Grund nicht geben.

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Erstes offizielles Treffen nach der Wahl: Hendrik Wüst und Mona Neubaur am 18. Mai in Düsseldorf

Andere strittige Themen wie die geplante Ausrüstung der Polizei mit Elektroschockern oder Korrekturen am Polizeigesetz aus dem Jahr 2018 lassen sich lösen. Da stören die Grünen vor allem, dass Polizeikontrollen auch ohne jeden Anlass möglich sind.

Schule und Bildung

Wohl nirgends sind die Differenzen größer, nimmt man die Wahlprogramme als Maßstab. Die Grünen können sich sogar eine Schule ohne Noten vorstellen, für die CDU käme die Abkehr vom klassischen Schulsystem einem politischen Erdbeben gleich.

In der Praxis ist beiden möglichen Koalitionspartnern klar, dass das Schulsystem nach der Corona-Pandemie, von der keiner weiß, ob sie im Herbst noch einmal aufflammt, vor großen Herausforderungen steht. Der eklatante Lehrermangel wird sich in den kommenden fünf Jahren nur mit viel Geschick und Fantasie abmildern lassen, die Digitalisierung steckt noch in den Kinderschuhen und vor allem wird das Land sich deutlich mehr einmischen müssen, um dem Mangel an Schulplätzen vor allem an Gymnasien und Gesamtschulen in den Ballungsgebieten zu begegnen, auch wenn das eigentliche Aufgabe der Städte und Kreise ist.

Aber allein die Tatsache, dass CDU wie Grüne den von der FDP eingeführten Begriff der „Talentschule“ übernehmen, die Kinder in sozial benachteiligten Stadtvierteln zu besserer Bildung verhelfen sollen, zeigt: Wenn es Schwarz-Grün gelingt, das Thema Schule zu entideologisieren, wird es keinen Streit geben. Zumal der Bildungsetat mit knapp 21 Milliarden Euro der höchste ist und knapp 24 Prozent aller Ausgaben ausmacht.

Und sonst?

Ein Altschuldenfonds für die Kommunen in NRW, die Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten, weniger verkaufsoffene Sonntage und die Abschaffung des Ladenschlussgesetzes, alles Forderungen aus dem grünen Parteiprogramm, ließen sich problemlos in einer Ampelkoalition durchsetzen. Die hat aus grüner Sicht nur einen Schönheitsfehler. Die Partei müsste mit den beiden klaren Wahlverlierern ein Bündnis eingehen.