Die CDU verteidigt Platz eins in NRW, die Grünen fahren das beste Kommunalwahl-Ergebnis ihrer Geschichte ein, klarer Verlierer ist die SPD.
In vielen Stadt- und Gemeinderäten führt jetzt kein Weg mehr an den Grünen vorbei.
Was bedeutet das Ergebnis der Kommunalwahl für die Parteien? Eine Analyse.
Düsseldorf – Die NRW-Grünen strotzen nicht nur vor Kraft, weil sie das beste Kommunalwahlergebnis in der Geschichte eingefahren haben. Im strahlenden Sonnenschein am Düsseldorfer Rheinufer geben die Landesvorsitzenden Mona Neubaur und Felix Banaszak am Montag wissen sie ganz genau, dass in vielen Stadt-und Gemeinderäten kein Weg mehr an ihnen vorbeiführt.
„Die Grünen sind nicht festgelegt auf eine Konstellation, sondern auf die Inhalte, für die sie hier gewählt wurden“, sagt Mona Neubaur mit Blick auf Düsseldorf, wo sie zuhause ist und die Grünen zweitstärkste Kraft wurden. In Düsseldorf gehe es um die Verkehrswende, um bezahlbaren Wohnraum, um eine gute Ausstattung von Schulen. „Die Unkenrufe, die Zeit der Grünen ist vorbei, weil Fridays for Future nicht mehr auf die Straße geht, sind widerlegt“, sagt Neubaur. „Wir stehen mit 20 Prozent in NRW mit einem geraden Rücken und dem Selbstbewusstsein, dass das Vertrauen, dass wir auch in Führung gehen können, angenommen wird.“
Es sei in unsicheren Zeiten, die von der Corona-Pandemie beherrscht wurde, gelungen, die Themen wie Klimawandel und Verkehrswende dennoch zu platzieren. In elf Städten und Gemeinden sei man in Stichwahlen gekommen und habe dabei sechs Frauen im Rennen.
1,4 Millionen Stimmen für die Grünen in NRW und die 20 vor dem Komma. War das gute Abschneiden bei der Europawahl vor einem Jahr von vielen noch „als einmaliges Ereignis“ gewertet worden, müssten jetzt alle anerkennen, dass die Menschen „sich nicht verwählt haben“, sagt Felix Banaszak. Vor allem das Abschneiden bei den Jung- und Erstwählern erfülle die Grünen mit großer Freude. „Da sind wir die stärkste Kraft geworden.“
Die beiden Kandidatinnen im Rheinland mit den aussichtsreichsten Chancen, in der Stichwahl die OB-Sessel in Aachen und Bonn zu erobern, Sibylle Keupen und Katja Dörner, wissen genau, wie entscheidend es für die Durchsetzung kommunalpolitischer Ziele ist, wenn die stärkste Fraktion den Oberbürgermeister stellt. „Wir haben leider in den vergangenen Jahren häufig in Bonn erlebt, dass der Stadtrat zwar durchaus gute Beschlüsse gefasst hat, die von der Spitze der Stadtverwaltung dann aber nicht umgesetzt worden sind“, sagt Katja Dörner, OB-Kandidatin in Bonn. „Beim Radverkehr zum Beispiel.“
Auf die Frage, ob es kein Fehler war, dass die Grünen in Köln, der größten Stadt in NRW, keinen eigenen OB-Kandidaten aufgestellt haben, antwortet die Landesvorsitzende Mona Neubaur: „Die Grünen in Köln würden Henriette Reker bei der Stichwahl mit voller Leidenschaft unterstützen.“ Reker habe zugesagt, die Themen der Grünen in der nächsten Wahlperiode noch stärker in den Fokus zu nehmen.
CDU: Schlecht abgeschnitten und dennoch Wahlgewinnner
Neben den Grünen zählt sich die Union zum Wahlsieger der Kommunalwahlen in NRW. Nach der Auszählung alle Stimmen erhielt 34,3 Prozent der Stimmen. Damit liegen die Christdemokraten um Längen vor der SPD, kassierten aber gleichzeitig ihr schlechtestes Kommunalwahlergebnis der Nachkriegszeit.
In der NRW-CDU wird das Ergebnis dennoch als großer Erfolg gedeutet. Schließlich liegt der Wert klar oberhalb der Ergebnisse, die bei der Landtagswahl 2017 und bei der Europawahl 2019 verbucht wurden.
Im ersten Wahlgang konnte die CDU 16 Oberbürgermeister- und Landratswahlen für sich entschieden. In 15 Städten und Kreisen liegen die CDU-Kandidaten vor der Stichwahl zum Teil deutlich vor den Mitbewerbern.
Essen gewonnen, gute Chancen in Düsseldorf
In Essen schaffte der Laschet-Vertraute Thomas Kufen mit 54,3 Prozent den Sieg im ersten Wahlgang. In Düsseldorf liegt der Kölner Stadtdirektor Stephan Keller mit fast acht Prozentpunkten vor Amtsinhaber Thomas Geisel von der SPD und rechnet sich gute Chancen aus, die Stichwahl zu gewinnen.
Der „Weg von Maß und Mitte“ in der Pandemie sei richtig gewesen, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bei seiner Wahlnachlese. „Wir sind und bleiben die Volkspartei im Land und die einzige Partei, die ein breites und überzeugendes Angebot an alle Teile unserer Gesellschaft macht“, bilanzierte der Politiker aus Aachen.
Bei der NRW-CDU geht man davon aus, dass der Ausgang der Kommunalwahl Rückenwind für die bundespolitischen Ambitionen von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bringt. Seine Feststellung, dass die CDU in der Lage sei, Großstädte zu gewinnen, wird als Seitenhieb auf Friedrich Merz gedeutet, der sich als Kanzlerkandidat selbst in Stellung bringen möchte. Merz hatte kritisiert, die CDU sei nicht mehr in der Lage, die Wahlen in den Metropolen für sich zu entscheiden.
SPD: Trostpflaster nur im Ruhrgebiet
Für die SPD brachte die Wahl das historisch schlechteste Ergebnis bei NRW-Kommunalwahlen. Die Sozialdemokraten blieben zwar mit 24,3 Prozent die zweitstärkste Kraft, verloren aber 7,1 Punkte. SPD-Chef Sebastian Hartmann verwies darauf, seine Partei habe besser abgeschnitten als in vielen Umfragen vorhergesagt. Er rief dazu auf, sich auf die Stichwahlen zu konzentrieren.
Trostpflaster für das desaströse Ergebnis waren für die SPD einzelne Ergebnisse im Ruhrgebiet. In Bottrop konnte OB Bernd Tischler sein Amt mit 73,1 Prozent verteidigen. In Bochum wurde OB Thomas Eiskirch mit Unterstützung der Grünen mit 61,8 Prozent wiedergewählt. In Hamm liegt der Landtagsabgeordnete Marc Herter im ersten Wahlgang vor Thomas Hunsteger-Petermann, einem Urgestein der NRW-CDU.
Der Bonner Politik-Professor Volker Kronenberg hält es „mindestens für arg beschönigend, von einer Trendwende für die SPD zu sprechen“. Zwar sei NRW schon lange keine „Herzkammer „der Sozialdemokratie mehr.
„Dass nun auch auf kommunaler Ebene anerkannte Verantwortungsträger der SPD in den Abwärtsstrudel der Partei in Bund und Land geraten, muss den Genossen in Düsseldorf und Berlin zu denken geben. Durchhalteparolen à la Trendwende richten da mehr Schaden an, als sie Motivation stiften könnten“, kritisiert der Hochschullehrer.
Konsequenzen für die Landtagswahl offen
Unklar ist, welche Schlussfolgerungen die Partei aus dem Wahlergebnis für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2022 zieht. Bislang hatten sowohl Landeschef Hartmann als auch der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Thomas Kutschaty, Interesse signalisiert.
In Berlin wird nun ein dritter Name ins Spiel gebracht. Danach könnte die Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar aus Bielefeld ein Signal für den Neustart sein. Die 36-Jährige sitzt im Parteivorstand der SPD und leitet das Wissenschaftsforums der Partei.
FDP: Von Regierungsbonus keine Spur
Für die FDP stimmten landesweit 5,6 Prozent der Wähler. Das ist ein kleines Plus von 0,8 Punkten. FDP-Landeschef und Familienminister Joachim Stamp sagte, die Wahl sei „auch durch die Debatte um die Kanzlerkandidatur von Armin Laschet überlagert“ gewesen.
In der Landeshauptstadt schaffte die FDP-Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit 12,5 Prozent nur einen enttäuschenden Platz vier. Die Liberalen hatten sich erhofft, in Düsseldorf in die Stichwahl einzuziehen.
Während die CDU von einem guten Bundestrend profitierte, schlug die Politik der Landesregierung auf die FDP nicht positiv durch. Die Liberalen besetzen mit dem Wirtschafts-, Familien- und dem Schulressort gleich drei Schlüsselministerien im Kampf gegen die Corona-Krise. Besonders Schulministerin Yvonne Gebauer wird von der Opposition immer wieder scharf für ihr angeblich unzulängliches Krisenmanagement kritisiert.
AfD: Rechtspopulisten schneiden sehr schwach ab
Bemerkenswert ist auch das magere Abschneiden der AfD mit nur fünf Prozent. Ist damit der Höhenflug der Populisten gestoppt? „Das kann man so sicherlich nicht sagen“, erklärt der Bonner Politik-Professor Kronenberg.
Auf Bundesebene liegt die AfD in Umfragen zwischen neun und elf Prozent. Dies sei zwar etwas unterhalb ihres Ergebnisses bei der letzten Bundestagswahl, scheint aber ein relativ stabiler Wert zu sein, der inzwischen auch eine Art „Stammwählerschaft“ der Rechtspopulisten im gesamten Bundesgebiet widerspiegelt.
„In NRW ist die AfD im Vergleich zu anderen Ländern jedoch eher schwach“, sagt Kronenberg. Ministerpräsident Laschet sein zwar gesellschaftspolitisch liberal, fahre aber gemeinsam mit Innenminister Herbert Reul einen „glaubwürdigen Kurs in der Sicherheitspolitik“, der der AfD kaum Raum lasse, „dieses potenzielle Reizthema“ zu besetzen.