Dahlem-Schmidtheim – Dieter und Franziska Althausen aus Schmidtheim wollten nicht länger wegsehen. Seit dem Corona-Lockdown im Dezember versorgen sie einmal wöchentlich Wohnungslose in Köln mit warmer Kleidung oder mit heißen Getränken.
„Uns geht es doch gut!“ Franziska Althausen gießt im Wohnzimmer den Kaffee in die Tassen. Es ist gut geheizt. Sie und Ehemann Dieter sind Rentner und eigentlich könnten sie in und um ihr Eigenheim in Schmidtheim herum unbeschwert den Ruhestand genießen. Uneigentlich meint Dieter Althausen nur: „Kommen Sie mal mit!“ Und dann führt er auf die Terrasse an der Rückseite des Häuschens zu seiner „Futter-Station“.
Leckerlis für die Vierbeiner
Gelbe Säcke stehen auf dem Tisch, darin Leckerlis für Vierbeiner. Althausen füllt den Inhalt in kleine Kunststoffbeutel um. Dabei haben Althausens gar keine Hunde. Seine Erklärung: „Das Pfandgeld aus dem Flaschenrückgabeautomaten könnte ich auch in die Spendenbox werfen. Da kaufe ich lieber Hundefutter dafür, da freuen die sich drüber. Die Tiere sind oft das Einzige, was sie noch haben.“
Dieter Althausen meint die Hunde von Obdachlosen, von Menschen, die oft nicht nur ihre Wohnung verloren haben, sondern auch eine Lebensperspektive. Althausen – 45 Jahre war er bis zur Pensionierung erst bei der Post, dann bei der Telekom beschäftigt – kam jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit an ihnen vorbei: „Ich habe sie vor den Hauseingängen liegen sehen.“ Unübersehbar.
Begonnen hat alles mit einem Gruß
Auch er habe lange Zeit weggesehen. Niemand kann jedes Elend der Welt heilen. Irgendwann habe er damit begonnen, die Menschen auf dem Weg zur Arbeit einfach zu grüßen. „Und dann habe ich einen Obdachlosen mal angesprochen: Was fehlt Ihnen gerade? Ein heißer Kaffee?“
Dieter Althausen besorgte das Heißgetränk in der Cafeteria seines Arbeitgebers. Bald kochten Althausens morgens eine Thermoskanne Kaffee mehr und schmierten ein paar Stullen extra. Das alles verteilte Dieter Althausen an die, die Hunger hatten. Die beiden Schmidtheimer begannen Anteil zu nehmen. Ja, es habe auch Enttäuschungen gegeben, erinnert sich Dieter Althausen. Als er einem der Wohnungslosen anbot, sich für ihn beim Vellerhof für einen Dauerwohnplatz einzusetzen, „war der am nächsten Morgen weg“.
Bedürftigen fällt es schwer Hilfe anzunehmen
Dann änderte sich der Arbeitsplatz in Köln. Nun führte Althausens morgendlicher Weg durch die Hohe Straße. Dort ist die Zahl der Wohnungslosen noch höher. Als die Geschäfte im Lockdown-Winter 2020/21 geschlossen waren, ließ auch die Kölner Polizei die Obdachlosen da, wo sie sie vorfand. Sie wurden nicht mehr von ihrem Übernachtungsplatz in Hauseingängen oder vor den Einkaufsläden des Platzes verwiesen. „Die Polizei hat es geduldet“, meint Dieter Althausen.
Dieter und Franziska Althausen wurde immer klarer: Es ging nicht mehr nur um eine Tasse Kaffee oder eine Stulle. „Es war wirklich schlimm“, so Franziska Althausen. Sie weiß, wie schwer es manchen Bedürftigen fällt, die kleinste Hilfe anzunehmen. Sie hat 35 Jahre in Pflegeeinrichtungen gearbeitet. Die Eheleute aus Schmidtheim trafen eine Entscheidung: Sie fragten bei den beiden Kindern, der Clique der Motorradfreunde Schmidtheim und in der Nachbarschaft nach alter, noch intakter, vor allem wärmender Kleidung für die, die schutzlos durch den Winter kommen mussten.
Kritische Töne
Bei der Stadt Köln ruft das Engagement der beiden Kleiderspendensammler aus der Eifel ein eher gemischtes Echo hervor. „Erfahren insbesondere obdachlose Menschen eine starke Zuwendung von anderen Bürgern in der Stadt, verhindert es zumindest bei Teilen von ihnen die Annahme der bestehenden Hilfsangebote, die auf eine perspektivische Beendigung der Notsituation ausgerichtet sind.
Die Folge ist, dass keine Anbindung an die Regelsysteme mit nachhaltiger Existenzsicherung erfolgt“, heißt es von der Leiterin der ResoDienste der Stadt Köln in einer E-Mail an das Schmidtheimer Helfer-Ehepaar. Detailliert wollte sich die Stadt Köln auf Anfrage nicht dazu äußern. (sli)
Die Resonanz? Einmal in der Woche packen Althausens seit einigen Monaten den Kofferraum ihres Pkw mit gespendeten Textilien so voll wie möglich und machen sich auf die Fahrt nach Köln. Mal ist die Zoobrücke, mal der Kölner Hauptbahnhof, mal der Breslauer Platz das Ziel. Viele Obdachlose in Köln kennen die beiden aus der Eifel mittlerweile. Man nennt sich bei den Vornamen, wahrt aber Distanz.
Auch am 14. Februar, dem Valentinstag, waren sie so in der Kölner Innenstadt unterwegs. Mit Einkaufstüten voller Altkleidern in der Hand wurden sie von einem Kamerateam von RTL angesprochen. „Die suchten Paare zum Tag der Verliebten“, lacht Franziska Althausen. Am Abend konnten sich die beiden live auf RTL sehen. Wenn es doch der guten Sache nutzt.
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Althausens nehmen Kritik der Stadt Köln an ihrem wöchentlichen Hilfseinsatz mit einem Achselzucken zur Kenntnis (siehe „Kritische Töne“). Ja, sie hätten auch so ihre Bedenken, wenn sie den Eindruck bekämen, „dass da jemand stark alkoholisiert oder sichtbar auf Drogen ist“. Da seien sie eher zögerlich, meint Franziska Althausen.
Wenn es wärmer wird, werden die beiden nur noch alle 14 Tage statt wöchentlich nach Köln fahren, mutmaßt Dieter Althausen. Genug Altkleider für einen wöchentlichen Spendendienst hätten sie aber nach wie vor, auch wenn sie bisher schon an die 1000 Bekleidungsstücke verteilt haben.