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Wechsel zum FC BayernTransfer von Jonas Urbig beschäftigt Fußballfans im Kreis Euskirchen

Lesezeit 9 Minuten
Jonas Urbig im Trikot des 1. FC Köln.

Im Sommer beim Testspiel in Euskirchen trug Jonas Urbig noch das Trikot des 1. FC Köln.

Euskirchen will die „Stadt der Torhüter“ sein. Und auch ein Ex-Torwart, der fast bei Bayern München gelandet wäre, äußert sich zum Transfer.

Ein Kleinbüllesheimer als Spieler beim FC Bayern München – zum ersten Mal überhaupt ist ein Fußballer aus dem Kreis Euskirchen beim deutschen Rekordmeister, einem der weltweit prestigeträchtigsten Klubs. Der Transfer von Jonas Urbig zum aktuellen Bundesliga-Spitzenreiter beschäftigt auch die Sportfans im Kreisgebiet. Die Lokalsportredaktion hat Stimmen gesammelt.

Martina Urbig (Mutter von Jonas Urbig): „Die vergangenen Tage waren aufregend. Wir haben uns gefreut, Jonas als Familie auch auf diesem Weg begleiten zu können, weil wir das auch die vergangenen 21 Jahre schon so gemacht haben. Das bedeutet uns als Familie viel. Wir wünschen ihm, dass er gut ankommt, einen guten Start hat, gesund bleibt und weiter seinen Weg gehen wird.“

Martina Urbig stellt sich den Fragen von Ramona Hammes, die ein Mikrofon in der Hand hält.

Bei der Sportlerwahl 2023 dieser Redaktion nahm Martina Urbig die Bronzemedaille für ihren Sohn in Empfang und sprach mit der stellvertretenden Redaktionsleiterin Ramona Hammes.

David Sasse (Trainer TuS Zülpich, in der Jugend Spieler des 1. FC Köln): „Mein erster Gedanke war: Wie doof ist der FC? Wie schon bei Lukas Podolski, Lukas Sinkiewicz und zuletzt Florian Wirtz verlässt ein Supertalent den Verein, wobei man sich natürlich fragen muss, ob Wirtz die Entwicklung in Köln auch gemacht hätte. Aus Jonas' Sicht ist das ein total logischer Schritt, sportlich und finanziell. Er hat keine Zeit, hinter Marvin Schwäbe festzuhängen, den ich für einen der besten Torhüter der 2. Liga halte. Von Manuel Neuer kann er sich einiges abgucken. Und dann erlebt er noch das Mindset in der Kabine der besten deutschen Mannschaft. Hätte man mir mit 21 Jahren das Angebot gemacht, ich hätte sofort unterschrieben. Wenn Bayern anruft, gibt es nicht viele Spieler, die nein sagen. Allerdings muss er sich als junger Torwart zunächst hinten anstellen. Allerdings hat Manuel Neuer mittlerweile viele Verletzungen.“

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Mein erster Gedanke war: Wie doof ist der FC?
David Sasse, Trainer TuS Zülpich

Doris Mager (Vorsitzende Fußballkreis Euskirchen und FC-Fan): „Ich verfolge die Entwicklung von Jonas Urbig natürlich seit Langem, sein Bruder war ja Schiedsrichter. Ich habe auch die Eltern kennengelernt. Das ist eine tolle Familie, die für den Fußball lebt. Und dass er jetzt zum FC Bayern geht, macht einen stolz. Er war seit frühester Kindheit beim FC, hat eine tolle Entwicklung gezeigt. Die Ausleihen nach Regensburg und Greuther Fürth waren genau richtig, denn da konnte er zeigen, was er draufhatte. Es ist natürlich für die Entwicklung ein guter Schritt, wenn die Option besteht, Manuel Neuer abzulösen. Er braucht allerdings jetzt einen langen Atem, bis es dann hoffentlich heißt: Jonas Urbig hat sich durchgesetzt. Ich wünsche ihm nicht, dass er auf absehbare Zeit nur auf der Bank sitzt. Aber das haben er und seine Familie bestimmt ausgelotet. Als Vorsitzende des Fußballkreises ist es immer toll, wenn es, genau wie bei Handball-Nationaltorhüter Andreas Wolff, heißt ‚der Euskirchener‘.“

Doris Mager trägt eine Jacke des mit Emblem des Fußballverbandes Mittelrhein.

Die Vorsitzende des Fußballkreises Euskirchen, Doris Mager.

Uwe Metternich (Sportlicher Leiter SV Sötenich und FC-Fan): (lachend) „Jonas hat sich ja leider gegen uns entschieden, aber ich kann es ja verstehen, auch wenn er bei uns gespielt hätte. Aus Sicht des FC-Fans ist das eine Win-win-Situation. Ich habe mich für den Jungen gefreut, aber Marvin Schwäbe bietet deutlich mehr Stabilität. Deshalb war das sportlich zu vertreten. Wirtschaftlich auch, wenn du ein Zehn-Millionen-Paket hast. Und du weißt nicht, was in einem oder zwei Jahren ist. Dann steigst du auf und spielst wieder gegen den Abstieg. Dann will er auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Sollte die sportliche Leistung nicht passen, hast du ein finanzielles Problem. Ich wünsche Jonas Urbig in München alles Gute.“

Wir können bald unters Ortsschild von Euskirchen den Zusatz ‚Stadt der Torhüter‘ schreiben.
Sacha Reichelt, Bürgermeister von Euskirchen

Sacha Reichelt (Bürgermeister von Euskirchen): „Wir können bald unters Ortsschild von Euskirchen den Zusatz ‚Stadt der Torhüter‘ schreiben. Im Handball haben wir mit Andreas Wolff einen Nationaltorhüter und mit Jonas vielleicht bald im Fußball. Aber man soll nicht zu viel Druck aufbauen. Jonas ist ein junger Mann. Für den 1. FC Köln ist es schade, für Jonas aber eine gute Gelegenheit, ganz groß rauszukommen. Seine Heimat wird ihn – auch wenn er jetzt ein bisschen weiter weg wohnt – sicherlich nicht vergessen und ihn im Auge behalten. Und die Daumen drücken wir so oder so.“

Fabian Giefer (Ex-Profi-Torwart aus Freilingen, hat Bayern 2012 abgesagt): „Bei mir kamen natürlich Erinnerungen hoch, als Jupp Heynckes mich haben wollte. Wenn Bayern dich will, ist das schon eine besondere Anfrage. Ich freue mich für Jonas, auch wenn ich lieber gesehen hätte, dass er sich beim FC entwickelt. Ob der Schritt richtig oder falsch ist, kann man erst im Nachhinein beurteilen. Ich habe mich damals bewusst dagegen entschieden. Damals war es aber auch eine andere Situation mit einem jüngeren Manuel Neuer. Ich wollte mit 21 unbedingt spielen. Aber Bayern hat ja auch noch Alexander Nübel, das wird interessant. Ich kann aber nachvollziehen, dass man Bayern nur schwer absagen kann. Und beim FC war Jonas sicherlich nicht zufrieden.

Fabien Giefer trägt eine graue Trainingshose zum gelben Trikot und gelben Stutzen. Neben ihm Trainer Marcel Timm.

Stand im Sommer für eine Partie bei der SG Dahlem-Schmidtheim im Tor: Ex-Profi Fabian Giefer.

Die Ablösesumme ist ein Statement. Jonas ist ein Hoffnungsträger, es gibt nicht mehr so viele gute deutsche Torhüter wie in meiner Generation, und Bayern hat den Anspruch, den deutschen Nationaltorhüter zu stellen. Was ich aber sehr kritisch sehe, ist die Aussage, dass Jonas von Manuel etwas lernen kann. Mit 38 hat er ein ganz anderes Spiel als noch vor zehn Jahren, muss mehr auf seinen Körper achten. Ich denke, Bayern wird einen optimalen Plan mit Jonas haben, und ich hoffe, dass Jonas ihn erfüllen kann. Es wäre richtig toll, wenn er nach Markus Pröll und mir als dritter Torwart aus dem Kreis Nummer eins in der Bundesliga würde. Mit seiner Qualität wird Jonas das schaffen.“

Julian Riße (ehemaliger Klassenkamerad): „Ich freue mich mega für Jonas. Als ich ihn damals das erste Mal auf dem Feld habe spielen sehen und nicht im Tor, habe ich mich gefragt, ob er nun Torwart oder Spieler ist. Das war schon beeindruckend. Deswegen haben wir in der Schulklasse damals schon gesagt, dass er der neue Manuel Neuer wird. Weil er eben mit dem Ball am Fuß genauso gut ist wie auf der Linie.“

Ich hoffe, dass Jonas Urbig zukünftig in der Bundesliga gegen Köln dann doch mal den ein oder anderen durchlässt…
Markus Ramers, Landrat des Kreises Euskirchen und FC-Fan

Markus Ramers (Landrat und Fan des 1. FC Köln): „Ich wünsche Jonas Urbig viel Erfolg in München. Wir verfolgen seine Entwicklung natürlich weiter – vielleicht führt sein Weg aus Euskirchen über den FC und Bayern ja irgendwann mal in die Nationalmannschaft. Als FC-Fan muss ich zugeben: Es ist immer schade, wenn ein so großes Talent geht, aber es spricht auch für die tolle Jugendarbeit beim FC. Ich hoffe, dass Jonas Urbig zukünftig in der Bundesliga gegen Köln dann doch mal den ein oder anderen durchlässt…“

Jörg Falkenstein (Torwarttrainer bei der JSG Erft Euskirchen): „Ich kann den 1. FC Köln nicht verstehen, weil Marvin Schwäbe nicht der bessere Torwart ist. Der FC Bayern hat schon öfter Toptalente verpflichtet, aber jetzt ist die Ausgangssituation eine andere, weil das Karriereende von Manuel Neuer absehbar ist. Jonas wird täglich auf Champions-League-Niveau trainieren. Das wird ihn hundertprozentig weiterbringen. Ich hätte ihn als Bremer aber natürlich lieber bei Werder gesehen.“


Das sagt die Lokalsportredaktion

Thomas Schmitz: „Zum einen als Bayern-Fan seit fast 40 Jahren und zum anderen als Euskirchener ist der Wechsel von Jonas Urbig nach München eine Win-win-Situation. Und natürlich wünsche ich mir, dass der 21-Jährige zeigen darf, dass er das Zeug zum Neuer-Nachfolger hat. Aber das ist auch eine Mentalitätsfrage. Ich erinnere mich besonders an Michael Rensing, der jahrelang als Kahn-Nachfolger aufgebaut und auch – wie zuletzt Jonas Urbig – als künftiger Nationaltorwart gesehen wurde, dann aber an den Ansprüchen und dem Druck bei Bayern scheiterte. Es ist insgesamt schon nicht einfach als Torhüter beim Rekordmeister, weil man selbst als Stammspieler zwischen den Pfosten nur selten die Chance hat, sich auszuzeichnen. Etwas, das auch Manuel Neuer zuletzt selten gelang. Wenn man dann als Nummer zwei plötzlich zwischen den Pfosten steht, muss man diese Chance nutzen und darf keine Fehler zeigen. Für Jonas Urbig kommt erschwerend hinzu, dass er ja noch nicht mal automatisch die Nummer zwei ist, denn Sven Ulreich und Daniel Peretz sind keine Fliegenfänger.“

Tom Steinicke: „Der Wechsel von Jonas Urbig ist zu 100 Prozent nachvollziehbar. Unter normalen Umständen hätte er beim 1. FC Köln in dieser Saison kaum mehr Spielzeit erhalten. Dafür läuft es mit Marvin Schwäbe und seit der Systemumstellung einfach zu gut. In einer solchen Situation das Angebot des FC Bayern München zu erhalten, kann wohl als Glücksfall bezeichnet werden. Die Sitzschalen im Rhein-Energie-Stadion in Köln und der Allianz-Arena in München sind im Winter wohl gleich kalt. Aber sich jeden Tag im Training mit den besten Kickern in Europa messen und auch von ihnen lernen zu können – das ist ein Privileg, das nur ganz wenigen Fußballern zuteilwird. Und Jonas wird in München Spielzeit erhalten, davon bin ich überzeugt. Deshalb war der Schritt logisch und richtig, auch wenn ich mir als FC-Fan gewünscht hätte, dass er der nächste Toni Schumacher oder Bodo Illgner wird.“


Das ist Torwarttalent Jonas Urbig

Das Torwart-Talent liegt bei Jonas Urbig offenkundig in den Genen. Vater Kurt stand unter FC-Legende Heinz Flohe im Tor des Euskirchener TSC. Auch seine Brüder Henri (JSG Erft Euskirchen) und Luis (Torwarttrainer bei den Frauen des FC Carl Zeiss Jena) stehen leidenschaftlich gerne zwischen den Pfosten.

„Deutscher Meister“, so schwärmte Jonas Urbig vor sechs Jahren im Gespräch mit dieser Zeitung, „wird man nicht alle Tage. Das war ein unglaubliches Erlebnis.“ Überraschend hatten die B-Junioren des 1. FC Köln Borussia Dortmund mit 3:2 besiegt.

Baumhaus musste weichen

Die Hecke im Garten der Familie zeigt immer noch Spuren, die Jonas und Luis Urbig hinterließen. Zwar waren die Brüder schon in jungen Jahren richtig gute Torhüter, doch wer hält schon jeden Ball? So ging es schon mal ab ins Unterholz. Nicht allzu oft, die meisten Bälle haben sie schlichtweg pariert. Aber es scheint sich gelohnt zu haben, das Baumhaus auf dem Grundstück ihrer Eltern Martina und Kurt in Kleinbüllesheim geopfert zu haben.

Begonnen hat seine Laufbahn bei den Sportfreunden Wüschheim-Büllesheim. Dann ging es zum SSV Lommersum, von dort aus für ein halbes Jahr zur 1. Jugendfußballschule Köln. Auch im Schatten des Rhein-Energie-Stadions machte Jonas Urbig mit seinen Leistungen auf sich aufmerksam – so sehr, dass der 1. FC Köln ihn zum Training einlud.

Zum ersten Training beim 1. FC Köln kam Urbig im Hans-Jörg-Butt-Trikot

Doch was zieht man zum ersten Training beim 1. FC Köln an? Jonas Urbig entschied sich für ein lilafarbenes Trikot von Torwart Hans-Jörg Butt, der, wohlgemerkt, damals bei Bayern München spielte. Jonas wurde trotzdem verpflichtet. Mit dem Spitznamen Hans-Jörg musste er allerdings noch eine Zeit lang leben. Mittlerweile ist der Name Geschichte und seit wenigen Tagen hat der 21-Jährige sein eigenes Bayern-Trikot – auf dem steht aber nicht mehr Butt, sondern eben Urbig.

Im Sommer stand Urbig, nachdem er auch die A-Junioren bei den Geißböcken durchlaufen hatte und Spielpraxis im Profibereich bei Jahn Regensburg und Greuther Fürth gesammelt hatte, als neue Nummer eins des 1. FC Köln im Heinz-Flohe-Stadion in Euskirchen im Tor.

Während der Hinserie setzte FC-Coach Gerhard Struber Urbig auf die Bank. Die Nummer eins der Vorsaison, Marvin Schwäbe, rückte ins Tor. Der Personalwechsel ging mit einer taktischen Umstellung einher, die der Defensive mehr Stabilität verlieh. Es ist müßig zu spekulieren, aber wahrscheinlich hätte auch U21-Nationaltorhüter Urbig mit einer Dreier-Kette vor sich, einer Abkehr vom Hurra-Fußball, weniger Tore kassiert als zu Saisonbeginn.