Karneval im Keis EuskirchenViele Gesellschaften spielen auf Zeit
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Wie wird die kommende Karnevalsssession ablaufen? Vor dieser Frage stehen gerade viele Gesellschaften in den Karnevalsregionen des Landes.
Auch im Keis Euskirchen kann noch niemand Antworten geben. Viele Gesellschaften spielen auf Zeit.
Wir haben uns mal im ganzen Kreis umgehört.
Kreis Euskirchen – Der Festausschuss Euskirchener Karneval (Feuka) hat in der vergangenen Woche den Vorstoß gewagt und den traditionellen Karneval für die Session 20/21 infrage gestellt. „Wir werden definitiv keine Tollitäten haben“, ließ Stefan Guhlke, zweiter Vize-Präsident des Feuka, verlauten. In Euskirchen war das zuletzt 1953 der Fall. Doch nicht nur der Feuka, auch andere Karnevalsvereine im Kreis machen sich über die kommende Session Gedanken.
Geisterzug
„Wir halten bis Ende Juli die Füße still“, sagt Mike Bruins, Präsident des KV Blankenheim. Es sei längst nicht mehr auszuschließen, dass der Blankenheimer Geisterzug am Karnevalssamstag ausfallen könnte. Doch wenn es bei den aktuellen Hygiene- und Abstandsregeln zur Unterbindung der Ausbreitung des Covid-19-Virus bleibt – wie sollen dann die weiß gewandeten „Geister“, untergehakt und in eng aufeinanderfolgenden Reihen, die nächtliche Ahrstraße von Blankenheim stürmen können?
Mechernich
Auch in Mechernich sind die Karnevalisten unentschlossen. Eine Abstimmung zwischen Festausschuss Mechernicher Karneval (FMK), Prinzengarde und KC Bleifööss, wie man es denn nun halten solle, gebe es noch nicht, berichtet Albert Meyer, Vorsitzender des FMK: „Wenn ich an den ganzen Aufwand denke, würde ich eher keine Sitzung machen, es wird doch nicht so sein, wie es immer war.“ Jedenfalls schließt er für den FMK jetzt schon aus, „dass es etwa eine Videoübertragung statt einer Sitzung geben könnte“.
Ähnlich wie in Mechernich sieht es bei den jecken Planungen in Kall aus, wo Dirk Metz, Präsident der Löstig Bröder ist. „Ob unser Zoch stattfindet, entscheiden wir ganz zum Schluss.“ Man habe schon in diesem Jahr mit dieser Strategie Erfolg gehabt, als wegen einer Sturmwarnung etwa alle Mechernicher Züge abgesagt wurden. In Kall sei der Zoch durch den Ort gezogen – das habe man wenige Stunden vor dem Start entschieden.
Euskirchen
Das Sommerfest der KG Gemütlichkeit Dom-Esch fällt in diesem Jahr aus. „Bei der Veranstaltung finden wir nicht selten unsere Tollitäten für die kommende Session. Das wird in diesem Jahr schwierig“, sagt Jupp Arenz. Die KG ist seit Jahrzehnten ein Garant für Tollitäten im Euskirchener Stadtgebiet, die große Karnevalssitzung mit vielen eigenen Kräften gilt seit Jahren als eine der besten rund um Euskirchen. „Wir werden erst nach Vorgaben der Politik entscheiden. Alle unsere Vereinbarungen sowie Verträge wurden und werden mit dem Vorbehalt der Stornierung abgeschlossen“, so Arenz.
„Keine Generalklausel“
Die vonseiten einiger der 155 im Regionalverband Düren (RVD) des Bund Deutscher Karneval angeschlossenen Vereine geforderte Rechtssicherheit kann RVD-Präsident Heribert Kaptain nicht geben: „Es gibt keine Generalklausel, die auf Seiten der Vereine die Risiken, die damit verbunden sind, zukünftig abdecken kann.“ Er empfiehlt, „dass zumindest eine besondere Rücktrittsklausel in Verträge mit Künstlern eingebaut werden sollte, die die Vereine ermächtigt, bei unvorhergesehenen und unvorhersehbaren Ereignissen gefahrlos vom Vertrag zurücktreten zu können.“ Bei bereits abgeschlossenen Verträgen trete diese Regelung in Kraft, wenn „aus behördlichen Auflagen und Verboten der Verein den Auftrittsvertrag nicht erfüllen kann“. (sli)
Für die Absage des Südstadtzugs sei es noch zu früh, heißt es aus Kreisen der IG Südstadt. „Wir werden über all unsere Veranstaltungen abschließend erst nach den Sommerferien entscheiden“, sagt Zugleiterin Colette Leber.
Bad Münstereifel
Auch die KG Rot-Weiß Iversheim spielt auf Zeit. „Alles andere macht doch keinen Sinn. Vor sechs Monaten hätten wir nicht an Corona gedacht. Entsprechend können wir jetzt nicht wissen, was in sechs Monaten sein wird“, sagt Peter Kolvenbach, Vorsitzender der rührigen KG.
Natürlich stehe beispielsweise die Damensitzung im Dorfsaal auf dem Prüfstand – genau wie die Herrensitzung in der Heinz-Gerlach-Halle in Bad Münstereifel. „Unter den jetzigen Bedingungen dürften etwa 150 Besucher zur Herrensitzung kommen“, so Kolvenbach. Ob das Sinn mache, müsse noch beraten werden.
Der KG-Vorsitzende deutet im Gespräch mit dieser Zeitung an, dass es auch in der neuen Session in Iversheim eine Tollität geben könnte. „Wenn Corona uns denn lässt“, sagt er.
Nettersheim
Apropos Tollität: Sowohl in Blankenheim, Mechernich und Kall als auch bei den Löstige Höndche in Nettersheim glaubt man, selbst in einer „Schrumpf-Session 2020/21“ eine finden zu können. „So etwas würde ich unserer Tollität aber doch nicht zumuten wollen“, sagt Miriam Krüger.
Die Vorsitzende der „Höndche“ glaubt zudem, dass sich wirkliche Karnevalisten eine Session ohne Programm auch nicht antun und lieber verzichten würden. Ob die Sitzungen im Nettersheimer Dorfsaal stattfinden werden, sei noch offen. Ebenso die Frage, ob der Gemeindezoch am Rosenmontag gehen werde.
Weilerswist
Ins gleiche Horn bläst Dieter Cremer, Vorsitzender der KG Blau-Gold Weilerswist: „Wir werden jetzt weder etwas absagen noch etwas definitiv bestätigen.“ Das Aushängeschild der KG, die Damensitzung mit 1048 jecken Wievern, die traditionell am Dienstag vor Weiberdonnerstag stattfindet, sei bereits bis ins letzte Detail geplant, das Programm stehe. Cremer: „Nach jetzigem Stand kann ich mir nicht vorstellen, dass wir Karneval in der bisherigen Form feiern werden. Schon mal gar nicht mit 1000 Jecken.“ Er werde abwarten, was die Bundesregierung und das Land anordnen werden. Dann werde die KG auch erst entscheiden, was mit dem Zug am Karnevalssamstag sein werde.
Neue Kostüme für 2021 oder 2022?
Jeden Tag, sagt Heinz Heimersheim, der Vorsitzende der Feytaler Jecken, mache er sich Gedanken, ob und wie Karneval in der nächsten Session stattfinden könne. Doch noch wisse das keiner – auch vom Verband gebe es derzeit keine klaren Aussagen. Für ihn steht und fällt alles mit einem Impfstoff: „Solange der nicht da ist, wird es sicherlich keine Großveranstaltungen geben können.“
Und zu denen zählt der Eiserfeyer Lichterzug, der sich in den vergangenen Jahren im Kreis zu einem der Höhepunkte im Karneval entwickelt hat. Die Truppe um Heimersheims Frau Beate, die die Jecken alljährlich mit aufwendig gestalteten und toll leuchtenden Kostümen begeistert, steckt weiterhin in den Vorbereitungen und Bastelarbeiten. Doch ob die Kostüme 2021 getragen werden können oder ein Jahr eingelagert werden müssen? Mit der Entscheidung könne man sich sicherlich bis in den Herbst hinein Zeit lassen, sagt Heimersheim. Unklar ist auch, ob eine Sitzung gefeiert werden kann und wann dazu eine Entscheidung getroffen werden muss. Hundertprozentig, so Heimersheim, stehe das Programm für die Feytaler Sitzung noch nicht. Doch in der aktuellen Lage schließe er sicherheitshalber keine weiteren Verträge ab. Wie eine Sitzung unter den derzeitigen Corona-Bestimmungen funktionieren könnte, ist ihm ein Rätsel – auch finanziell: 100 Prozent Kosten für 50 Prozent Leute – das könne ja keiner machen. (rha)
Ripsdorf
Die Zeit hat Martin Peetz, Vorsitzender des KV Ripsdorf, nicht. Die Verträge mit den Bands, Showtanzgarden und Rednern für die beiden parallel stattfindenden Herrensitzungen und die Damensitzung müssen „mit 18 Monaten Vorlauf“ geschlossen werden. Und bis Mitte Juni müsse man Klarheit haben, so Peetz. Lediglich mit der möglichen Absage des Veilchendienstagszuges könne man noch „bis Silvester warten“.
Jeck sin, lache, Musik mache
Dann wäre die diesjährige Ausgabe von „Jeck sin, lache, Musik mache“ in Mechernichs Dreifachturnhalle schon längst vorbei. Traditionell macht die Sause für zweimal maximal 1100 Zuschauer Ende November nach dem 11. im 11. – alle Veranstaltungen sind derzeit offen – den Karnevalsauftakt. „Und an die 800 Besucher pro Sitzung müssten es sein, damit wir wenigstens mit einer schwarzen Null rauskommen“, so Guido Meyer vom Organisationsteam des veranstaltenden Junggesellenvereins Satzvey. Höhner, Bläck Fööss, Brings, Paveier, Kasalla, Cat Ballou – die Stars der kölschen Karnevalsmusik treten im 45-Minuten-Takt in Mechernich an diesen beiden Abenden auf. Aber in diesem Jahr? „Wir haben mit drei Bands schon gesprochen, sie warten wie wir bis Mitte August ab, ob ja oder nein“, so Meyer. Er befürchtet trotz bestehender Verträge wie alle anderen Veranstalter der Region keine Regressansprüche: „Wenn eine Veranstaltung behördlicherseits abgesagt wird, haben wir kein Risiko.“ Noch sei also auch unklar, ob es vielleicht nur zu einer „Schmalspurausgabe“ von „Jeck sin,..“ kommen werde.
Bei der KG Blau-Weiss Schleiden stehen die Aktiven „in den Startlöchern“, so Präsident Norbert Niebes. Wie bei anderen Vereinen trainieren etwa die Garden bereits. Man halte sich an das Prinzip „Besser wir haben was und dürfen wegen Corona nicht, als wir dürfen, haben aber nichts“.
Hölle von Vettweiß
So würde Jürgen Roskowski, Geschäftsführer der Vettweißer KG 1938, wohl nicht denken können. „Unsere Damen- und die Herrensitzung sind schon lange dick fünfstellig überbucht“, meint der Geschäftsführer. Der KG gehe es derzeit eher um die Termine für 2022. Und wenn die Absage für kommenden Januar nun zwingend wird? „Dann haben wir schon Erfahrung aus Kyrill. Damals fiel wegen des Orkans eine Sitzung aus.“