Angeblich ist der Kreis Euskirchen mit Psychotherapeuten gut versorgt, doch der offiziellen Bedarfsanalyse glaubt kaum noch jemand.
PsychotherapeutenWartezeiten auf Therapie im Kreis Euskirchen „jenseits von Gut und Böse“
Der Kreis Euskirchen hat mit 36 besetzten Zulassungsstellen für Psychotherapeuten bei 197 000 Einwohnern einen Versorgungsgrad von knapp 110 Prozent. Ja, dann ist ja alles gut. Könnte man meinen.
Das Problem ist nur, dass der zugrundeliegenden Bedarfsanalyse des in Berlin tagenden Gemeinsamen Bundesausschusses kaum jemand Glauben schenkt – nicht mal der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister. Trotz dieser Zahlen habe man den Eindruck, „es reicht an allen Ecken und Enden nicht“, sagte Karl-Josef Laumann (CDU) laut Protokoll im September im Landtag.
Die SPD-Landtagsfraktion verweist auf Experten, die von 5000 bis 8000 Menschen im Kreis ausgehen, die im Zusammenhang mit der Flut seelisch belastet und behandlungsbedürftig seien.
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Ob es am Ende so viele sein werden, werde man sehen, sagt Andreas Pichler, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer NRW. „Auf jeden Fall gibt es zu wenig Behandlungsplätze.“ Aus Sicht der Kammer gehört der Kreis Euskirchen zu den unterversorgten Regionen. Die rechnerisch gute Versorgungslage stehe im krassen Widerspruch zu den langen Wartezeiten. „Es gibt einfach zu wenig Praxen mit Kassenzulassung oder Kassenzulassungskapazitäten“, sagt Pichler: „Die Wartezeiten sind jenseits von Gut und Böse.“
Das sieht auch die Landesregierung so. „Die Diskrepanz“, so ein Sprecher aus Laumanns Ministerium, „zwischen der rechnerischen Versorgungslage und den Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger in NRW zeigt, dass die Grundlagen der Bedarfsermittlung einer Anpassung bedürfen.“
Psychotherapeut Lutz Nelles, Mitglied im Kreisstellenvorstand Euskirchen der Kassenärztlichen Vereinigung, nimmt jedoch eine gewisse Scheu bei den Verantwortlichen wahr, eine neue Bedarfsanalyse vorzunehmen. Die Patentlösung habe auch er nicht, gesteht Nelles: „Klar, wir brauchen mehr Zulassungen. Aber wir alle wollen ja nicht nur für den Krankenkassenbeitrag arbeiten.“
NRW-Gesundheitsministerium will die Lage verbessern
Der Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums versichert, dass versucht werde, die Lage zu verbessern. Die Länder-Gesundheitsministerien und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten hätten die Bundesregierung aufgefordert, für eine schnelle gesetzliche Regelung zur kurzfristigen Verbesserung der Versorgungssituation zu sorgen. Ähnliches sieht übrigens auch der Koalitionsvertrag der Ampel vor.
„Der Bund hat angekündigt, einen entsprechenden Vorschlag für eine gesetzliche Anpassung zu unterbreiten“, so der Sprecher. Das Ministerium nutze unterdessen seine rechtlichen Möglichkeiten, für ländliche oder strukturschwache Planungsteilgebiete, die für zusätzliche Arztniederlassungen gesperrt sind, durch einen Antrag an den zuständigen Landesausschuss zusätzliche Zulassungsmöglichkeiten umzusetzen. „Die ersten Anträge befinden sich in der Vorbereitung“, verlautet aus dem Hause Laumann.
Ob das vor Ort hilft? Fraglich, denn auch hier schlägt der Fachkräftemangel zu – vor allem im ländlichen Bereich, so Nelles: „In der Eifel haben wir manchmal Schnee, schon das ist für viele ein Ausschlusskriterium.“