Wartet man hier auf den Bus, steht man mitten im Wald auf einer Wiese. Doch nur wenige Meter entfernt wartet ein sagenumwobener Ort.
Abholung nach AnrufDas ist die einsamste Bushaltestelle im Kreis Euskirchen laut RVK
Ein erster Blick auf den Fahrplan der Buslinie 828 macht optimistisch: In etwa einmal stündlich sind Anfahrtszeiten für unter der Woche eingetragen, auch am Wochenende scheint man von hier wegzukommen. Dann wandert das Auge nach weiter oben und erblickt ein Telefonhörer-Symbol. Abholung nur nach Vorbestellung.
Im Vergleich zu anderen Haltestellen im Kreis Euskirchen hat die in Bad Münstereifel gelegene Station auch nur wenige Ein- und Ausstiege zu verzeichnen, wie RVK-Sprecherin Andrea Jahn auf Anfrage mitteilte. Wir haben uns vor Ort umgeschaut.
RVK-Haltestelle in Bad Münstereifel: Busse nur nach Anruf
Die einsamste Bushaltestelle Leverkusens bietet eine Überdachung und drei Sitzplätze. Beim Bergisch Gladbacher Pendant muss man mit einem Mülleimer und einem Schild vorliebnehmen. „Decke Tönnes“, wie auf dem Schild der Haltestelle steht, bietet Ein- und Aussteigenden nichts von alledem – dafür aber eine Menge Geschichte. Zumindest, wenn man sich rund 50 Meter weiterbewegt.
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Die Haltestelle selbst steht inmitten des Münstereifeler Waldes zwischen Rodert und Scheuerheck und ähnelt sehr der einsamsten Haltestelle im Rhein-Sieg-Kreis: Direkt an einer Landstraße, der L234, wurde die Eisenstange in den Waldboden gesetzt. Um ohne Weitsichtbrille einen Blick auf den Fahrplan werfen zu können, stehen potenzielle Fahrgäste auf einer Waldwiese, direkt neben einigen Büschen.
Wie es das Haltestellenschild verspricht, verkehrt hier die RVK-Buslinie 828, allerdings nur im Rahmen des Schülerverkehrs. Ohne Schülerticket hilft hier nur noch „MiKE“ („Mobil im Kreis Euskirchen“). MiKE hieß früher „TaxiBusPlus“, ist entweder ein Taxi oder Mietwagen und muss spätestens 30 Minuten vor Abfahrt telefonisch oder online angefordert werden.
Bad Münstereifel: Eine kleine Kapelle mitten im Wald
Ist MiKE bestellt, kann man die Wartezeit auf ihn auf einer von drei Ruhebänken verbringen. Diese stehen wenige Meter von der Haltestelle entfernt und direkt vor der Waldkapelle Decke Tönnes, namensgebend für die Bushaltestelle. Drumherum nur Grün.
Oben an der kleinen Kapelle ist ein Kreuz angebracht, eine Infotafel findet sich darunter. In der Vergangenheit ist es mehrfach zu Vandalismus und Brandstiftung gekommen. An Weihnachten 2021 fing der Decke Tönnes Feuer und brannte aus. Hier ging die Polizei von einer Selbstentzündung, möglicherweise durch ungesicherte Kerzen, aus. Im Spätsommer 2022 wurde der Decke Tönnes aufgrund der hohen Waldbrandgefahr vom Ordnungsamt gesperrt und das Aufstellen von Kerzen untersagt.
Die Stadt Bad Münstereifel ist Eigentümerin des Grundstücks, die katholische Kirchengemeinde betreibt die Kapelle.
Decke Tönnes: Diese Geschichte steckt hinter der Waldkapelle
Der Decke Tönnes soll laut einer Sage ein Mönch im Kloster Steinfeld in der Gemeinde Kall gewesen. Einst soll der Erzbischof Bernhardus von Trier zu Besuch im Kloster gewesen sein – unter einem Decknamen. Er habe überprüfen wollen, ob die Mönche die klösterlichen Regeln einhalten. Dabei sei ihm der Mönch Antonius ein Dorn im Auge gewesen. Antonius, der als naturverbunden und Vogelfreund galt, habe mehr Zeit damit verbracht, den Nachtigallen beim Gesang zuzuhören, als seinen Brüdern beim Gebet beizuwohnen.
Die Namensgebung Decke Tönnes verdankte Antonius seiner kleinen und dicken Statur. Auch dies habe dem Erzbischof missfallen, weswegen er Antonius des Klosters verwiesen haben soll. Darauf soll er von Steinfeld bis nach Münstereifel gewandert sein, zahlreiche Vögel hätten ihn dabei begleitet und zu einem Wald in der Umgebung der Stadt geführt. Antonius habe sich dort mit Unterstützung der Münstereifeler ein Haus gebaut und friedlich bis an sein Lebensende mit den Tieren des Waldes gelebt.
Später verehrte man ihn als Schützer der Wälder und des Viehs, heute sehen viele Menschen Antonius als Schutzpatron der Autofahrer. An der Bushaltestelle Decke Tönnes kann man einen solchen Schutzpatron gut gebrauchen, schließlich werden Fahrgäste hier häufiger von Autos abgeholt als von Bussen.