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GewässerNatürlich oder technisch? Varianten für den Hochwasserschutz in der Eifel

Lesezeit 4 Minuten
Das Luftbild zeigt einen renaturieren Abschnitt der Berke bei Dahlem: Der Bach schlängelt sich durch die Landschaft. Darüber ist in gerader Linie der vorherige Bachlauf zu erkennen. 

Die renaturierte Berke schlängelt sich, das alte gerade Bachbett ist darüber am Waldrand zu sehen.   

Nach der Flutkatastrophe stehen im Kreis Euskirchen auch an zahlreichen Bächen und Flüssen Maßnahmen zum Hochwasserschutz an.

Gewässerrenaturierung und Hochwasserschutz standen im Mittelpunkt eines Vortrags der Geografen Katrin und Jens Gelderblom im Naturzentrum Nettersheim. Die Experten referierten zum Abschluss des LVR-Projektes „Gewässerinfonetz 2.0“, das die Biologische Station Euskirchen mit einigen Kommunen an sieben Eifelbächen umgesetzt hat.

Das Projekt koppelt an Bachrenaturierungsmaßnahmen wie der Schaffung von neuen Durchlässen für Wanderfischarten an, die die Biologische Station seit 1995 umsetzt. Auch wenn das eigentliche Projekt zwar abgeschlossen ist, so Stefan Meisberger, Geschäftsführer der Biologischen Station, sei es aber mit dem Schwerpunkt Hochwasserschutz verlängert worden. Nun sollen die in die Jahre gekommenen Hinweistafeln an den Startpunkten der Themenwanderwege entlang der Bäche erneuert und aktualisiert werden.

Nach der Flutkatastrophe drängt die Frage nach dem Hochwasserschutz

Das war der eigentliche Anlass der Veranstaltung im Naturzentrum, doch tatsächlich ging es um die nach der Flutkatastrophe drängend gewordene Fragen nach einem technischen oder natürlichen Hochwasserschutz. Und darum, wie Bachrenaturierungsmaßnahmen damit verbunden werden können.

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Zwei Drittel aller Auenflächen sind komplett verschwunden. Und nur zehn Prozent der vorhandenen Flächen in Flussnähe sind in naturnahem Zustand.
Jens Gelderblom

Für Jens und Katrin Gelderblom, die in Zemmer in der rheinland-pfälzischen Eifel ein Fachbüro für Renaturierungsprojekte betreiben, sind diese Fragen das Alltagsgeschäft. Aus ihrer Sicht besteht allerdings deutschlandweit Handlungsbedarf: „92 Prozent aller Gewässer sind derzeit nicht auf den Klimawandel vorbereitet.“

Sie entsprächen nicht den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie oder des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes. Dabei sollen sie die Kriterien bis 2027 erfüllen, so Jens Gelderblom. Seine Einschätzung mit Blick auf Retentionsflächen für Fließgewässer: „Zwei Drittel aller Auenflächen sind komplett verschwunden. Und nur zehn Prozent der vorhandenen Flächen in Flussnähe sind in naturnahem Zustand.“

Für Renaturierungen im Kreis Euskirchen sind die Chancen gering

80 Prozent aller Gewässer seien schließlich schlicht „überprägt“, ergänzt Katrin Gelderblom: Sie stehen im Spannungsfeld der Nutzungsinteressen von Angel- und Fischereivereinen, des Naturschutzes, der Wasserwirtschaft, der Flächeneigentümer, sogar gelegentlich des Denkmalschutzes und den Interessen der Bevölkerung.

In Summe bietet dies eher wenig Chancen für die Renaturierung, erst recht nicht nach den Überschwemmungen. Was einmal Jahrhundertereignisse waren, kommt in Zeiten des Klimawandels offenbar in Jahrzehnten vor – oder noch häufiger.

Zwei Männer und eine Frau stehen im Holzkompetenzzentrum in Nettersheim. Zwei halten Tonrohre fest, die als Drainagen in Weisen verwendet werden.

Renaturierung und natürlichen Hochwasserschutz erklärten Jens (l.) und Katrin Gelderblom auch mit einer Rohrdrainage, die eine natürliche Entwässerung von Wiesen verhindert.

Die Folge: „Technischer Hochwasserschutz ist politisch gewollt“, so Jens Gelderblom. Bei Finanzierungen aus dem Wiederaufbaufonds sei demgegenüber für den natürlichen Hochwasserschutz im Zuge von Bach- oder Flussrenaturierungen eher wenig Geld vorgesehen, so auch Hartwig Kaven von der Unteren Wasserbehörde des Kreises Euskirchen in der anschließenden Diskussionsrunde. Man müsse vielmehr nach dem „Grad der Betroffenheit“ der Anlieger und Örtlichkeit entscheiden.

Zum technischen Hochwasserschutz gezählt werden etwa große Rückhaltebecken, Schwemmgutrechen, Klappwehre, mobile Schutzelemente – oder gleich eine neue Talsperre, wie sie an Preth und Platiß bei Hellenthal angedacht ist und für die aktuell eine Machbarkeitsstudie erstellt wird.

Die Berke bei Dahlem wurde in ihr altes Bett zurückverlegt

Alternativen des natürlichen Hochwasserschutzes, so Jens Gelderblom, kommen direkt aus der Natur: In den USA wurden Dämme aus Baumstämmen und Flechtwerk zur Reduzierung von Fließgeschwindigkeiten entwickelt – nach dem Motto „Mach's wie die Biber“. Totholz sollte im Gewässer verbleiben. Sohlstabilisierungen, der Rückhalt von Geschiebe und Sedimenten, Laufverlagerungen oder die Schaffung von zusätzlichen Überflutungsflächen sind weitere Maßnahmen. So renaturierte kleine Gewässer fördern neben dem natürlichen Hochwasserschutz auch die Biodiversität, so die Gelderbloms.

Dies haben sie gerade an einem 240 Meter langen Teilstück der kleinen Berke oberhalb von Berk in der Gemeinde Dahlem gezeigt. Diese Maßnahme wurde im Zusammenhang mit dem auch von der EU geförderten Projekt „Life – helle Eifeltäler“ durchgeführt. Der Bach wurde auf Basis einer historischen Karte von 1840 in sein altes Bett verlegt. Drei kleine Tümpel wurden angelegt, die als Brutflächen für Insekten und Amphibien dienen.

Vor allem aber kann die Berke bei Hochwasser jetzt ihr Bett auf weit über 50 Meter verbreitern und damit das Überflutungsrisiko für die Anwohner im unterliegenden Dorf Berk verringern. „Wir würden an der Berke gerne weitermachen, Grundstückseigentümer bekommen eine Entschädigung, die Gelder stehen bereit“, so Marietta Schmitz von der Biologischen Station des Kreises Euskirchen.


Infotafeln an sieben Bächen in der Eifel

An sieben Eifelbächen wurden über das Förderprojekt des LVR „Gewässerinfonetz 2.0/ Hochwasserschutz & Co.“ neue Infotafeln an den Startpunkten von Rundwanderwegen aufgestellt. Alle Bachläufe haben den Schutz einer besonderen, vom Aussterben bedrohten Art zum Thema. Am Projekt beteiligt sind neben der Biologischen Station die Anliegerkommunen Hellenthal, Dahlem, Schleiden und Bad Münstereifel. Ein Flyer mit allen Wegen und Hinweisen zu den Standorten ist in den Rathäusern erhältlich.

Im Einzelnen wurden sie an folgenden Wegen angebracht: am Wasseramselpfad am Manscheider Bach, am Gebirgstelzen- und Schwarzstorchpfad im Wilsam- und Lewertbachtal, am Eisvogelpfad im Prether Bachtal und am Mühlkoppenpfad am Wolferter Bach und am Pützbach (alle in der Gemeinde Hellenthal), am Edelkrebspfad im Schafbachtal (Stadt Schleiden), am Bachneunaugenpfad am Liersbach (Stadt Bad Münstereifel) sowie am Feuersalamanderpfad am Simmeler Bach (Gemeinde Dahlem).