Der Markplatz Rheinland im Freilichtmuseum Kommern zeigt die Zeit ab 1945. Hier wird Gegenwart zur Geschichte.
Kiosk aus Bonn„Helgas Büdchen“ steht jetzt im Kommerner Freilichtmuseum
Im Freilichtmuseum können Besucher das ganze Jahr über deutsche Geschichte hautnah erleben. In fünf Baugruppen sind überwiegend historische Bauten, deren Ursprünge bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, aufgebaut und eingerichtet, um das Leben unserer Vorfahren zu zeigen. Ganz anders ist es in der jüngsten Baugruppe, dem Marktplatz Rheinland, der sich noch im Aufbau befindet. Er beschäftigt sich mit der jüngeren Zeitgeschichte nach 1945 – bei manch einem werden angesichts der Exponate Erinnerungen wach.
Mit der Eröffnung von „Helgas Büdchen“, dem Bonner Zeitungskiosk, wird ein fast aktueller Zeitschnitt gezeigt. Der kleine Aluminiumwagen, der bis 2021 in Bonn hinter dem Hauptbahnhof stand, stammt zwar aus dem Jahr 1979, aber die Inneneinrichtung wurde komplett von 2021 übernommen.
Kommerner Museum zeigt, wie Gegenwart Geschichte wird
Museumsleiter Dr. Carsten Vorwig sagte bei der Eröffnungsfeier, dass man Besuchern somit die Möglichkeit gebe, hautnah mitzuerleben, wie die Gegenwart langsam zur Geschichte werde.
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Vorwig referierte darüber, dass sich im Laufe der Zeit drei verschiedene Kiosktypen herauskristallisiert hätten. Der Blumenkiosk habe sein Sortiment auf Geschenkartikel aller Art ausgelegt und sei auf Laufkundschaft ausgerichtet, die in letzter Minute noch ein Mitbringsel oder eine kleine Aufmerksamkeit bräuchte.
Die Trinkhalle sei ein Kiosktyp, bei dem es vorwiegend alkoholische und nicht alkoholische Getränke, Tabakwaren und Süßigkeiten gebe. Eine solche Trinkhalle steht bereits in der Baugruppe Rheinland: die Milchbar aus Brühl. Und als dritter Typ wurde der Zeitungskiosk beschrieben, der neben Zeitschriften aller Art auch Tabakwaren, Getränke und Süßigkeiten anbiete. Ein solcher Zeitungskiosk war „Helgas Büdchen“, und Vorwig freute sich, ihn nun zum Inventar des Museums zählen zu dürfen.
„Helgas Büdchen“ war mehr als 30 Jahre eine Institution in Bonn
„Helgas Büdchen“ wurde in Bonn von 1984 bis 2021 von Helga Karsten geführt und entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer regelrechten Institution. Karin Schmidt-Promny, Fachreferentin für den Landschaftsverband Rheinland, umschrieb die Bedeutung des „Kosmos Kiosk“ als eine eigene, kleine Welt. Bedingt durch die oft räumliche Enge und das Ausnutzen jedes Zentimeters Platz für die Verkaufswaren, wirke ein Kiosk stets etwas unaufgeräumt und provisorisch.
Der Schein trüge jedoch: „Die Kioskwelt folgt ihren eigenen Regeln, der Besitzer oder die Besitzerin weiß immer, wo sich alles befindet – und auch der Kunde weiß stets, was ihn erwartet.“ Die Kundschaft erstrecke sich von Menschen, die im Vorbeigehen kaufen, bis hin zur treuen Stammkundschaft, die jeden Morgen ihr Brötchen und ihre Zeitung kaufe. Bedingt durch die Zunahme an elektronischen Zeitungsabonnements und die damit ausbleibende Kundschaft hätten in den vergangenen Jahren aber viele Zeitungskiosks schließen müssen. Auch die Corona-Pandemie habe die Betreiber vor große Herausforderungen gestellt.
Das Büdchen von Helga Karsten auf der Colmantstraße, Ecke Meckenheimer Allee, habe sich durch seine Bahnhofsnähe aber halten können.
Stammkunde verhinderte den Abriss des Zeitungskiosks
Nach dem plötzlichen Tod der Betreiberin 2021 sollte der kleine Aluminiumwagen abgerissen werden. Stammkunde Dirk Wieseler kam dann auf die Idee, im Freilichtmuseum nachzufragen, ob „Helgas Büdchen“ nicht für die Nachwelt erhalten bleiben solle. Mit Helga Karstens Neffe Herbert Konzen als Erbe sei man sich schnell einig geworden, und so sei der Kiosk im Oktober 2021 nach Kommern transportiert worden.
Welche Bedeutung er für die Nachbarschaft gehabt habe, sei am Tag der Translozierung deutlich geworden. Viele Menschen hätten sich mit Berlinern und Kaffee auf der Straße versammelt und feierlich Abschied genommen. Zeitzeugin Barbara Weidle sagte: „Der Kiosk war immer da.“ Zur Eröffnung im Freilichtmuseum waren somit auch viele Stammkunden anwesend, um zu erleben, wie „ihr Büdchen“ nun zu einem Teil deutscher Geschichte wird.
Jedes einzelne Stück des Inventars ist regensicher präpariert
Betreut wurde das Projekt von Kuratorin Hannah Drießler, die ihr Volontariat im Museum absolvierte. Sie inventarisierte und katalogisierte jedes einzelne Objekt und erforschte die Geschichte des Zeitungskiosks. Auch wenn das Gebäude vergleichsweise klein sei, heiße das nicht, dass man es mit einem kleinen Projekt zu tun gehabt hätte, so Drießler.
Der Unterbau des Wagens sei nämlich so marode gewesen, dass man ihn mit einem einfachen Kran nicht anheben konnte und erst eine individuelle Lösung finden musste. Auch das Inventar erstreckte sich über mehrere hundert Objekte, die in mühevoller Handarbeit konserviert werden mussten. Getränke, Kaugummis, Hustenbonbons, Zeitungen aus dem Jahr 2021 – all das wurde regensicher präpariert, so dass „Helgas Büdchen“ unverändert für die Nachwelt im Museum steht.
Der Kiosk wird auch im Freilichtmuseum hinter einem Bahnhof stehen. Den gibt's in Kommern aber noch nicht. Laut Vorwig soll der in „mittelferner Zukunft“ aufgebaut werden. Ziel ist, auf dem Marktplatz Rheinland ein möglichst authentisches Bild von Städten und Dörfern der Nachkriegszeit zu zeichnen.
Für die Besucher gab es am Tag der Eröffnung eine kleine Überraschung, nämlich eine Tüte Pfefferminzbonbons mit der Aufschrift „Kiosk“. Zu kaufen gibt es derartiges am Büdchen jedoch nicht: Auch wenn jeden Morgen bei Museumsöffnung das kleine Dach aufgeklappt und die Zeitungen herausgestellt werden, ist der Kiosk eben nur ein Museumsstück.