Regen und gesättigte Böden ließen die Pegel der Flüsse im Kreis Euskirchen steigen. Gravierendes Hochwasser droht nach jetzigem Stand nicht.
HochwasserWege in Schleiden gesperrt – Keine Verschärfung im Kreis Euskirchen befürchtet
Es regnet. Die Pegel steigen. Eigentlich kennen das die Menschen an den Bächen und Flüssen. Es kommt, gerade im Winter, immer wieder mal vor. Doch seit der Flutkatastrophe ist alles anders. Auch die Einsatzkräfte sind in erhöhter Alarmbereitschaft.
Die Pegel der Olef steigen am Dienstagabend sprunghaft an
Knapp über 100 Liter Regen seit Jahresbeginn registriert Meteorologe Dr. Karsten Brandt an seiner Donnerwetter-Messstation am Weißen Stein in Udenbreth – damit ist die Januar-Regenmenge binnen drei Tagen erreicht. „Das ist extrem viel. Dadurch ist der Pegel der Olef bis zur Infostufe 2 gestiegen“, sagt Brandt. Auch auf belgischer Seite an der Our verursache der Regen Probleme. Die Mittelgebirge wirken laut Brandt wie ein „Regenfänger“ für die Westwind-Strömungen vom Atlantik.
Die anschwellenden Flüsse bezeichnet er als klassisches Winterhochwasser: „Es kommt langsam und ist gut vorhersehbar.“ Am Dienstag überschreitet die Olef gegen 19.30 Uhr am Pegel Schleiden den Informationswert 2, am Mittwochmittag erreicht sie den bisherigen Höchststand von 2,30 Metern. Die Infostufe 2 charakterisiert die Gefahr einer Überflutung einzelner bebauter Grundstücke oder Keller. Von einem Hochwasser mit Überflutungen in größerem Umfang wird erst bei Stufe 3 ausgegangen.
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Als sehr vorteilhaft bezeichnet Brandt es, dass das Landesumweltamt (Lanuv) vor wenigen Wochen eine Messstation am Weißen Stein installiert hat. Dadurch werden die teils enormen Regenmengen dort registriert und in die Messungen und Warnketten eingebunden.
Erft, Urft und Veybach bleiben unter dem Informationswert 1
Auch die Pegel von Erft und Urft steigen, sie bleiben aber unter dem Informationswert 1. Eine Gefahr für Hab und Gut besteht derzeit nicht.
In Euenheim und Wißkirchen macht sich die Renaturierung des Veybachs bezahlt. Auch der führt viel Wasser. Aber etwa an der Herrenhausstraße in Euenheim, wo vor der Flut bei solchen Bedingungen wohl längst präventiv Sandsäcke gestapelt worden wären, ist noch Platz bis zur Uferkante und vor allem unter der kleinen Brücke. Gleiches gilt für Satzvey. Auch dort besteht mit Blick auf den Veybach kein Grund zur Sorge.
Für Feuerwehr und THW im Kreis Euskirchen ist die Lage eher ruhig
Ruhig ist die Lage für die Einsatzkräfte im Kreis. Nachdem der Pegel der Olef am Dienstag in den Nachmittags- und Abendstunden sprunghaft angestiegen ist, fließt das Wasser auch auf Wege. Rund 20 Feuerwehrleute sind nach Angaben von Schleidens Feuerwehr-Chef Wolfgang Fuchs ausgerückt, um den Radweg an der Olef in Oberhausen sowie den Sturmiuspark in Schleiden zu sperren. Besorgniserregend sei die Lage bei Weitem nicht. Dennoch bleibt die Feuerwehr in erhöhter Bereitschaft, auch die Koordinierungsstelle wird besetzt.
Neben den Einsätzen im Schleidener Tal sind laut Kreissprecher Sven Gnädig zehn regenbedingte Einsätze in Bad Münstereifel, Dahlem und Zülpich von der Feuerwehr abgearbeitet worden.
Das THW in Schleiden gibt die vorrätigen Sandsäcke an die Feuerwehr. Auch dort ist die Lage entspannt. „Eher fahren wir nach Niedersachsen, als dass wir hier zum Einsatzkommen“, sagt ein THWler.
Die Stadt Schleiden gibt in wenigen Stunden 700 Sandsäcke aus
Am Mittwochvormittag richtet die Stadt Schleiden Ausgabestellen ein, an denen besorgte Bürger sich Sandsäcke abholen können: am ehemaligen Bauhof-Gelände in Schleiden und am Feuerwehr-Gerätehaus in Gemünd. Schnell spricht sich die Ausgabe durch den Bauhof herum: Rund 700 Sandsäcke werden bis 14.30 Uhr nach Angaben des Beigeordneten Marcel Wolter ausgegeben. 500 haben Privatleute abgeholt, 200 hat die Feuerwehr verarbeitet.
800 weitere Sandsäcke hat die Stadt noch vorrätig. Sie will laut Wolter aber weitere beim THW ordern. Die Hotline des Ordnungsamts (02445/ 89430) sei auch die Nacht über erreichbar. Ausgegeben werden die Säcke nun bei der Feuerwehr in Gemünd, da dieser Standort im Gegensatz zur Poensgenstraße in Schleiden hochwassersicher sei.
Die Talsperren reduzieren das in die Flüsse fließende Wasser deutlich
Von einem normalen Winterhochwasser, das durch die gesättigten Böden so zu erwarten sei, spricht auch Marcus Seiler vom Wasserverband Eifel-Rur (WVER). „Die Talsperren reduzieren die Wassermenge, die in die Flüsse gelangt, auf ein Drittel.“ Der Oleftalsperre fließen am Mittwochmittag 11,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zu, abgegeben werden 3,89 Kubikmeter. Der Rurtalsperre fließen 125 Kubikmeter zu, 40 werden abgegeben. Die deutlich ansteigenden Pegel werden laut Seiler vor allem durch die Seitenbäche verursacht. Im Fall der Olef sind es etwa die, die aus dem Reifferscheider Tal kommen und in Blumenthal auf die Olef treffen.
Ein Überlaufen der Oleftalsperre ist laut Seiler nicht zu befürchten: 14,7 Millionen Kubikmeter Wasser sind aktuell in der Talsperre, die ein Fassungsvermögen von 19,3 Millionen Kubikmetern hat.
Intensiv wird beim WVER und zahlreichen anderen Stellen an den großen Hochwasserschutzmaßnahmen gearbeitet. Die Machbarkeitsstudie für eine mögliche neue Talsperre bei Hellenthal, in der mehrere Optionen aufgezeigt werden, wird laut Seiler im Laufe dieses Jahres fertig.
Die Fördermittel für ein Pilotprojekt an Inde und Vicht sind bewilligt: Dort wird auch an den Nebenflüssen ein dichtes Pegelnetz aufgebaut. Das System soll danach auch an Urft und Olef mit ihren Nebenflüssen installiert werden – ein Zeitfenster dafür steht jedoch noch nicht fest. Hochwasser verhindern, sagt Seiler, werden diese Pegel nicht. Auch werden keine langfristigen Vorhersagen wie etwa am Rhein möglich sein. Wohl sollen aber die Protagonisten im Katastrophenschutz einige Stunden Vorlaufzeit erhalten, um beispielsweise Menschen evakuieren zu können. „Einen kompletten Schutz wird es nie geben“, sagt Seiler: „Das erste Ziel ist, Menschenleben zu retten. Und nicht wie 2021 überrascht zu werden.“
Meteorologe Karsten Brandt sagt Schnee fürs Wochenende voraus
„Wir sind noch nicht ganz durch“, sagt Meteorologe Brandt. Und beruhigt: Schlimmer wird's seiner Einschätzung nach nicht. Das hohe Pegel-Niveau bleibe bis Donnerstag, es könne etwas schwanken und vielleicht wenige Zentimeter ansteigen. Die Niederschläge ließen aber nach. Er geht von 10 bis 20 Litern je Quadratmeter aus. Spätestens ab Freitag rechnet er mit deutlich fallenden Pegeln: „Ab dem Wochenende ist das Hochwasser vorbei.“
Schwer kalkulierbar sind dagegen die stürmischen Böen. Um die 70 km/h seien etwa in Sistig gemessen worden. Das sei, so Brand, wahrlich nicht sehr heftig. Jedoch bergen die aufgeweichten Böden „ein gewisses Überraschungspotenzial“, so dass umstürzende Bäume nicht auszuschließen seien.
Ein wenig Hoffnung macht Brandt den Winterfreunden: „Es wird kalt und es gibt ein bisschen Schnee.“ Zwei bis drei Zentimeter könnten es am Weißen Stein in Udenbreth sein.
Die Menschen sind in Sorge
Die Sorgen sind groß, dass es wieder so werden könne, wie vor zweieinhalb Jahren. „Ich kann nicht sagen, dass ich nicht ein bisschen nervös bin“, sagt etwa eine Roitzheimerin mit Blick auf die Erft an der Lilienstraße – jener Straße, die so schwer von der Flutkatastrophe getroffen war: „Irgendwie ist es normal, dass im Winter der Pegel steigt, aber seit der Flut geht man damit anders um.“
Ein Mann aus Nierfeld holt in Schleiden Sandsäcke ab. „Die sind für meine Tochter, die in Malsbenden wohnt und dort beim letzten Hochwasser ganz schlimm erwischt wurde.“ Auch an der Goethestraße, wo er lebe, sei das Wasser bis an den Gärten.
An der Urftseestraße wohnt Carsten Rheinländer, der den Kofferraum seines Vans mit Säcken volllädt. An der Urftbrücke sei das Wasser bereits bedenklich angestiegen. „Wenigstens ist das Grundwasser noch nicht gekommen, denn mein Keller ist noch trocken“, berichtet er von der aktuellen Lage in Malsbenden. Zum Glück sei der Keller aber noch nicht eingeräumt: „Ich habe erst vor einer Woche den Boden fertiggemacht.“
Von den Hängen des Kermeters komme das Wasser herunter und bereite am Evangelischen Altenheim in Gemünd Probleme, berichtet Winfried Joisten, der dort als Hausmeister arbeitet. Der Rest der Säcke, die er in seinen Anhänger lädt, sei für das Betreute Wohnen an der Dreiborner Straße im Ortskern bestimmt. Sorgen bereiteten auch die Häuser in Kall, die erst seit diesem Jahr wieder fertiggestellt seien.
Am alten Fachwerkhaus von Jan Warrink in Olef neben der Kirche treffen sich immer wieder Anwohner, die den Pegel kontrollieren. Warrink, Ex-Besitzer des Gemünder Katharinenhofes, ist jedoch entspannt. Mit Hochwasser kennt er sich aus, war doch sein Hotel der Treffpunkt der vielen Fluthelfer. „Ich war für die Nato in Afghanistan und auf dem Sinai, da habe ich ganz andere Sachen gesehen“, sagt er.
Dennoch behält auch er genau die weiße Markierung am gegenüberliegenden Ufer der Olef im Auge. „Solange die nicht überspült wird, mache ich mir keine Sorgen“, sagt er. Von Gemünd ist er an das Olefer Flussufer in das alte Fachwerkhaus gezogen, in dem er gerade seine erste Ferienwohnung fertiggestellt hat. Das Erdgeschoss allerdings ist noch Baustelle. Hier soll ein Bauerncafé entstehen.
Transparente und Kerzen erinnern an Flutopfer Lena Malsbenden
Die Kerzen, die an der Brücke zur Pappenfabrik in Nierfeld zum Gedenken an ihre bei der Flut ertrunkene Tochter Lena stehen, tauscht Manuela Malsbenden aus. Alle zwei Tage ist sie an den Transparenten, die an den Brückengeländern befestigt sind. „Das eine hängt an der Brücke, wo sie zum letzten Mal gesehen wurde, und das andere an der Brücke, an der ihre Leiche gefunden wurde“, sagt sie. Es hätten sich schon Menschen über die Plakate mit dem Foto des Mädchens beschwert: Es sei doch schon so lange her. „Da hat mein Mann gesagt: Ja, es ist lange her, aber Lena ist immer noch tot.“
„Ich habe mich erschreckt, weil das Wasser so hoch steht“, sagt Malsbenden. Das sei schrecklich für die Menschen, die hier wohnen, wenn das Wasser weiter so steige. „Wir selbst wohnen ja in Broich und haben auch damals von dem Hochwasser nichts mitbekommen“, erinnert sie sich. Erst am Morgen, als ihre Tochter nicht zu erreichen gewesen war, habe sie realisiert, was geschehen sei. „Es wird ja gesagt, es soll nicht so schlimm werden, aber das haben sie damals ja auch gesagt“, formuliert sie die Sorgen, die in diesen Tagen viele Menschen an Urft und Olef umtreiben.