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Interview zur Leverkusener Brücke„Staat darf nicht riskieren, dass er Müll kauft”

Lesezeit 4 Minuten

Durch den Ärger mit der Baufirma wird sich die Fertigstellung der Leverkusener Autobahnbrücke um Jahre verzögern.

  1. Straßen NRW hat wegen Mängeln an Stahlbauteilen für die Leverkusener Rheinbrücke den Vertrag mit dem Baukonzern Porr für das Großprojekt gekündigt.
  2. Die Fertigstellung der neuen Brücke wird sich deshalb um Jahre verzögern, eine Hiobsbotschaft für Autofahrer.
  3. Hätte man sich den Ärger sparen können, hätte man nicht auf billigeren Stahl aus China gesetzt?
  4. Der Jurist Ulrich Ehricke erklärt im Interview, wie eine Vergabepraxis in Fällen wie bei der Leverkusener Brücke aussieht – und warum man nicht immer den billigsten Anbieter nehmen muss.

Herr Ehricke, wenn eine Baustelle so aus den Fugen gerät wie jetzt die Leverkusener Brücke, dann stellt sich die Frage nach der zugrundeliegenden Ausschreibung – ist in solchen Fällen der Spielraum für die Bauunternehmer ausreichend klar definiert?

Es gibt klare juristische Vorgaben, wie genau solche Ausschreibungen aussehen müssen, welche Anforderungen an eine Ausschreibung gestellt werden, wie detailliert bestimmte technische Dinge vorgegeben werden. Es ist sogar geregelt, welche Möglichkeiten es gibt, etwas schwammig zu bleiben, um möglichen Entwicklungen eines Projekts gerecht werden zu können.

Sie benutzen den Begriff »schwammig« – sind das die Passagen in einer Ausschreibung, die sich hinterher als Schlupflöcher für die Bauunternehmer erweisen?

Alles zum Thema Universität zu Köln

In der Theorie ist das nicht so. Der Gesetzgeber hat viel versucht, um solche Schlupflöcher zu schließen. Es ist bei den Vergabekriterien fast alles nachprüfbar; und wenn es nachprüfbar ist, dann muss es eigentlich sicher in den Kriterien sein. Das ist die Theorie. Die Praxis sieht so aus, dass man natürlich jedem zugestehen muss, dass eine Ausschreibung zu den individuellen Bedingungen der Ausschreibung und den Bewerbern passt.

Klingt doch gut.

Das größere Problem ist das, was sich im Gesetz »vergabefremde Kriterien« nennt. Normalerweise orientieren sich die Kriterien an ökonomischen Vorgaben; nun können aber auch nicht-ökonomische Kriterien eine Rolle spielen – ökologische Aspekte, Frauenförderung, Rechte von Behinderten. So soll versucht werden, auch in diesen Bereichen Ziele zu verwirklichen, wenn der Staat viel Geld in die Hand nimmt. Diese Kriterien sind naturgemäß etwas weicher als die harten ökonomischen Kriterien.

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Ein populärer Irrglaube ist es, dass bei Ausschreibungen grundsätzlich das billigste Angebot genommen werden muss.

Ja, es richtet sich schon nach dem Preis – aber was ist preiswert? Das ist schwierig zu beurteilen. Es muss nicht das Billigste genommen werden, weil man dann davon ausgeht, dass da an einer Stelle gespart wird, die der Auftraggeber nicht sofort sieht – da besteht Anlass zur Skepsis. Aber natürlich muss alles wirtschaftlich attraktiv sein – dahinter steht die Vorstellung, dass der Staat mit seinem Geld, mit unseren Steuergeldern, mal besser vorsichtig umgeht. Vielleicht eher im Stile einer schwäbischen Hausfrau.

Die schwäbische Hausfrau würde sagen: Das Billigste ist das Teuerste.

Ich kenne den Spruch so: Ich bin zu arm, um billig zu kaufen. Der Staat darf nicht riskieren, dass er Müll kauft – denn dann muss er es am Ende noch mal machen. Und dann kostet es noch mal Geld.

Wie jetzt in Leverkusen.

Schwer zu sagen, ob das in diesem Fall an der Vergabe lag oder hier Gewährleistungskriterien zum Tragen kommen. Es könnte sein, dass diejenigen, die das Angebot geprüft haben, bewusst hinters Licht geführt worden sind; es könnte sein, dass die Prüfer die Probleme nicht sehen konnten; es könnte sein, dass die Prüfer einen schlechten Tag hatten und nicht gesehen haben, dass da etwas nicht stimmt. Da muss gar nicht immer böse Absicht im Spiel sein.

Zur Person

Prof. Dr. Ulrich Ehricke, geboren 1964, ist Institutsleitender Direktor des Institut für Europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Köln. Schwerpunkte sind unter anderem Deutsches und Europäisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung.

In der Welt der Experten – gibt es Punkte im Bereich des EU- und Vergaberechts, die kritisch gesehen werden, weil offensichtlich an vielen Großbaustellen zum Beispiel die Kosten explodieren?

Die genannten vergabefremden Kriterien sind ein Fremdkörper. Was auch passiert: Die Kommunen nehmen ein günstiges Angebot eines Handwerkers von irgendwo an; dann findet der Handwerker irgendwo einen lukrativeren Job, sagt der Stadt ab und die findet keinen Ersatz. Dann muss neu ausgeschrieben werden, anstatt dass die Stadt mit Handwerkern vor Ort redet und eine Einigung sucht. Die Kriterien sind schon gut durchdacht, aber in der Praxis vor allem für kleinere Betriebe schwer handhabbar.

Nun ist die Leverkusener Brücke kein kleiner Betrieb.

Oh nein. Ich kenne den Fall nicht genau. Aber da wurde wahrscheinlich europaweit ausgeschrieben, das musste alles geprüft werden; europäische Angebote lassen sich schwerer überprüfen als deutsche, die Vergleichbarkeit ist schwierig. Das ist alles Beleg für eine fehlende Flexibilität in solchen Situationen.

Kann man abschätzen, wer am Ende für die Schäden aufkommt?

Wenn es so ist und nachgewiesen werden kann, dass in dem Vergabeverfahren irgendwo der Wurm drin war, dann gibt es eine Reihe von Ansprüchen – zum Beispiel von denen, die mit ihren Angeboten nicht zum Zuge gekommen sind.

Lässt sich ein alternatives Modell der Auftragsvergabe denken?

Eine Alternative wäre, dass der Staat das so macht, wie er möchte. Dann heißt es aber: Es wird gemauschelt, es wird Vetternwirtschaft betrieben, es werden Steuergelder verschwendet. Es ist alles nicht ganz so einfach.

Das Gespräch führte Karlheinz Wagner