In deutschen Regelungen stecken rund 70 Prozent Brüssel. Grund genug, eine Kandidatin und drei Kandidaten einzuvernehmen.
DiskussionWarum Leverkusens Arbeitgeber Europa so wichtig finden
Braucht man für Europa Mut? Arndt Krebs hätte wohl gern ein „Nein“ gehört von den Kandidaten und Europa-Parlamentariern. Stattdessen fällt die Antwort unterschiedlich aus, was den am Mittwoch im Amt bestätigten Vorsitzenden des Arbeitgeberverbands Rhein-Wupper ein bisschen enttäuscht. Krebs vermisst eher Entschlossenheit in der Europa-Frage.
Der Manager findet ein Vorbild in Frankreich: „Emmanuel Macron hat mit dem Thema Europa Wahlkampf gemacht und gewonnen.“ Angemessen, findet er. Schließlich gehe es um die Rolle des Kontinents in der Welt: „Europa sollte nicht ein Club der Zwerge sein.“ Damit nimmt Krebs im Opladener Haus der Arbeitgeber ein Stichwort von Axel Voss auf. Der Bonner Christdemokrat sitzt seit 2009 im Europa-Parlament und konstatiert mit Blick darauf, dass China, die USA und auch Indien eine Weltordnung denken, in der die EU kaum noch vorkommt: „Wir verzwergen uns.“
Dass der Arbeitgeberverband und die Unternehmerschaft Rhein-Wupper ihre Mitgliedsversammlung dazu nutzen, unter der Moderation von Niklas Pinner, dem Leiter der Lokalredaktion des „Leverkusener Anzeiger“, den Europa-Kandidaten von CDU, SPD, Grünen und FDP gründlich auf den Zahn zu fühlen, zeigt auch: Die EU und ihre Entscheidungen sind wichtig, auch für die Wirtschaft.
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Alexandra Geese ist seit 2019 im Europäischen Parlament – und obwohl die Kompetenzen der Bonnerin mehr in der Digital-Wirtschaft liegen, hat sie auch andere Branchen im Blick. Dass gerade auch die Leverkusen prägende Chemie-Industrie ohne „bezahlbaren Wasserstoff“ die Energie-Transformation nicht hinbekommen kann, liegt für sie auf der Hand. Aber so etwas ist für die Arbeitgeber zu sehr Zukunftsmusik, als dass sie damit zufrieden sein können, das macht Andreas Tressin klar: „Was wir nicht mehr haben, ist Zeit“, gibt der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands die Lage in den Mitgliedsunternehmen wieder. Die zu teure Energie schnüre den Firmen die Luft ab. Der Effekt: „Von zehn Unternehmen wollen im Moment acht nicht investieren.“
Der Chempark Leverkusen leidet
SPD-Kandidat Marco Sahler bestätigt das mit Blick auf den Chempark: „Bayer reduziert Stellen, Currenta hat Probleme“ – man müsse „sofort“ etwas tun. Die Konsequenz könne nur Deindustrialisierung sein – für Deutschland ein Horrorszenario, das wissen alle Kandidaten. Ein Symbol ist für Firmenchefs die je nach politischem Lager Industrie- oder Brücken-Strompreis genannte subventionierte Energie. „Da ist in Berlin nichts passiert“, tadelt Tressin. Das ist zwar eine Vorlage für die Grüne Geese und ihren SPD-Mitbewerber Sahler. Aber auch FDP-Kandidat Hauke Hintze umdribbelt das Thema, obwohl seine Partei diese Subvention in der Bundesregierung verhindert hat.
Axel Voss hat noch vor kurzem ein Alarmsignal vernommen. Ein indischer Ingenieur habe ihm auf die Frage, warum er zum Arbeiten nicht nach Europa komme, diese Antwort gegeben: „Ich ziehe doch nicht in eine absterbende Region.“ Das sei natürlich „frustrierend“, so Voss – und werde auch der Wirklichkeit nicht gerecht, sekundiert Alexandra Geese: „Europa ist immer noch ein sehr attraktiver Lebensraum, gerade für die Mittelschicht.“ Die Grüne bezieht sich auf Werte wie Freizügigkeit, ein gutes Gesundheitssystem und andere soziale Standards.
Europa lähmt sich selbst
Vieles davon, so der Einwand von Freidemokrat Hintze, sei zumindest für jüngere Leute „selbstverständlich“ geworden. Wie auch die gemeinsame Währung. Inzwischen werde Europa als Konstrukt wahrgenommen, das sich durch seine Komplexität selbst lähme und nicht mit der Entwicklung auf der Welt Schritt halte.
„Europa ist halt kompliziert“, sagt die EU-Parlamentarierin Geese mit Blick auf ihren Alltag. Allein, dass jedes der 27 Mitgliedsländer einen Kommissar oder eine Kommissarin stelle – was FDP-Mann Hintze schlecht findet – sei Ausfluss der europäischen Verträge. Und die ließen sich eben nur einstimmig verändern. Aber wer entmachtet sich schon selbst?
Steckt die EU also in einer Sackgasse? Das glaubt niemand der vier Politiker. Aber Reformen bräuchten mehr Mut. Mut, den Europa-Freund Arndt Krebs im Moment vermisst.
Neue Vorstände
Wechsel gibt es im Vorstand von Arbeitgeberverband und Unternehmerschaft Rhein-Wupper. Der frühere Tenneco-Manager Michael Hedderich hat sein Amt zur Verfügung gestellt. An seine Stelle trifft Thomas Ebker, ebenfalls in der Führung des Burscheider Kolbenring-Herstellers. Auch der Wechsel von Sparkassen-Vorständin Saskia Lagemann zum Rheinischen Sparkassen- und Giroverband wirkt sich auf den Vorstand des Arbeitgeber-Zusammenschlusses aus.