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Leverkusener ProjektWie Covestro mit Künstlicher Intelligenz effizienter werden will

Lesezeit 3 Minuten
Covestros Polyester-Betrieb in Dormagen

Covestros erst vollautomatisierte Anlage steht in Dormagen und stellt Polyester her. In Leverkusen arbeitet der Kunststoff-Konzern an KI in einem Isocyanat-Betrieb.

Im Kunststoff-Konzern werden auf allen Ebenen Daten gesammelt: Mit dem Ziel, Anlagen autonom laufen zu lassen. Einen Vorzeige-Betrieb gibt es schon.

Der erste Meilenstein ist erreicht: Einen Betrieb, in dem Polyester hergestellt wird, lässt Covestro komplett mit künstlicher Intelligenz laufen. Das 100 Personen starke Dormagener Team hat die Rechner mit Daten gefüttert – solange, bis alle Systeme ineinandergriffen, die man braucht, um eine Bestellung abzuwickeln. Philip Bahke, seit November Chef aller Niederrhein-Standorte des Kunststoff-Konzerns und gleichzeitig Leiter des Werks in Dormagen, zählt am Dienstag auf, was zu checken ist, um einen Auftrag fristgerecht abzuwickeln. „Sind die Rohstoffe da? Haben wir Kapazität in der Anlage? Hat der Logistiker Kapazität?“ Dafür müsse man auch Einblick in den Krankenstand haben, zum Beispiel. Den findet man in anderen Programmen als den Rohstoff-Bestand. Das zeigt, wie komplex es ist, will man sich von Künstlicher Intelligenz in der Produktion unterstützen lassen.     

Für Covestro gebe es aber keinen anderen Weg als den der Digitalisierung, betont in der Konzernzentrale Markus Dugal, der die Prozesstechnologie leitet. Aus mehreren Gründen: Am allein schon wegen der Energiepreise teuren Standort Deutschland müsse man sparsamer produzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und am alternden Standort Deutschland könne Covestro längst nicht mehr alle Kolleginnen und Kollegen ersetzen. Beiden Themen kann man mit Künstlicher Intelligenz bearbeiten. Deshalb würden im gesamten Kunststoff-Konzern, aber von Deutschland ausgehend, Daten gesammelt und standardisiert. „Es muss vergleichbar sein“, nennt Dugal den Grundsatz: Es nütze nichts, überall irgendwelche Sensoren einzubauen – erst recht nicht bei einem Park mit Anlagen, die zwischen fünf und 100 Jahren alt sind.

Die KI sollte nicht dauernd Alarm schlagen

Und grundsätzlich in zwei Sorten einzuteilen sind: Vielstoff-Betriebe wie die DSD-Anlage in Dormagen, die je nach Auftrag unterschiedliche Produkte macht. Und kontinuierlich laufende Anlagen, „wo ein Produkt 24-7 hergestellt wird“, so beschreibt es Dugal. Etwa Covestros Massenprodukte, das Schaum-Vorprodukt MDI und den Lackrohstoff TDI. Bei diesen möglichst immer laufenden Anlagen gehe es darum, Anomalien aufzuspüren, sagt Philip Bahke. Künstliche Intelligenz könne dann helfen, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das Problem: Den Menschen, der die Anlage in letzter Instanz weiterhin steuert, nicht mit Alarmmeldungen zu überfrachten und letztlich zu verwirren. „Wir gucken auf wesentliche Abweichungen“, sagt Dugal. Übersetzt: eine Meldung am Tag.    

Markus Dugal mit seinem Covestro-Kollegen Michael Traving

Markus Dugal (links), hier mit seinem Kollegen Michael Traving, treibt bei Covestro die Digitalisierung voran.

Bei den Vielstoff-Betrieben gehe es darum, sich mit Hilfe Künstlicher Intelligenz dem „Golden Batch“, also der effizientestmöglich hergestellten Charge zu nähern und so den Ausstoß zu steigern, so Bahke. Die kontinuierlich laufenden Betriebe könnten mit KI zuverlässiger laufen und Energie sparen, so Dugal. Beides sind erstrebenswerte Ziele.      

Dass man bei Covestro in beiden Bereichen arbeitet, zeigt ein laufendes Projekt in Leverkusen: Im Chempark werde gerade ein Isocyanat-Betrieb digitalisiert, berichtet Dugal auf Nachfrage. Also eine Anlage, die kontinuierlich läuft.  

Vollautonom ist „der Nordstern“

Der vollautonome Betrieb, das unterstreichen Dugal und Bahke, ist bei Covestro „der Nordstern“, also das ferne Ziel. Da unterschieden sich Chemie-Anlagen nicht vom Auto. Auch die Schritte dorthin seien vergleichbar: vom einfachen, Software-gestützten Arbeitsablauf über permanente Kontrollzyklen, den teilautonomen Betrieb, in dem Standard-Abläufe ohne menschliche Eingriffe geschehen, zur selektiven Autonomie und schließlich zum rechnergesteuerten Dauerbetrieb: Vollständige Autonomie heißt dauernde Optimierung in der automatischen Produktion, die auch nicht isoliert läuft, sondern Vorprodukte und die Lieferkette beachtet.   

Philip Bahke, Produktionschef aller Covestro-Werke in NRW

Philip Bahke, Produktionschef aller Covestro-Werke in NRW, wünscht sich gleiche Bedingungen für den KI-Einsatz auf der ganzen Welt.

Markus Dugal ist überzeugt, dass da viel zu holen ist für Covestro: „Künstliche Intelligenz ist für die Chemische Industrie besonders wertvoll“ – eben weil viele Abläufe automatisch gesteuert werden können: ein Kennzeichen von massenhafter Produktion.

Die muss am Standort Deutschland so effizient wie möglich ablaufen. Hier – das hat Konzernchef Markus Steilemann gerade angekündigt und gleich das Deindustrialisierungsgespenst heraufbeschworen – ergibt es künftig kaum noch Sinn, in neue Anlagen zu investieren, die sehr viel Energie verbrauchen. Prozesstechnologie-Guru Dugal übersetzt das Verdikt des Vorstandschefs am Dienstag so: „Man wird in Deutschland weniger in Wachstum als in Effizienz investieren.“