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Leverkusener KonzernCovestro-Chef will „Innovation innovieren“

Lesezeit 4 Minuten
Covestro-Zentrale an der B8.

Künstliche Intelligenz soll bei Covestro schnell eine entscheidende Rolle spielen. Ihre Chancen elektrisieren Vorstandschef Markus Steilemann.

Markus Steilemann setzt voll auf Künstliche Intelligenz. Sein Unternehmen arbeitet dafür mit den ganz Großen zusammen.

Das Thema elektrisiert ihn geradezu. Markus Steilemann, Vorstandschef der Bayer-Ausgründung Covestro, sieht im Einsatz Künstlicher Intelligenz enormes Potenzial. Der Prozess vom Forschungsergebnis zur Produktion könne sich womöglich „um 90 Prozent“ verkürzen, sagte er am Mittwoch am Rande der Bilanz-Pressekonferenz. Bisher läuft es in der Chemieindustrie bei neuen Verfahren und Produkten so: Vom Labor geht es ins Technikum. Dort wird getestet, ob ein Produkt sich auch in größerem Maßstab mit den gleichen Eigenschaften herstellen lässt. Danach geht es darum, den Herstellungsvorgang in eine Anlage zu übersetzen, wo dann die Produktion im großen Maßstab erfolgt. Zwischen Labor und Produktion liegen in der Regel Jahre. Und hohe Kosten.

In der Pharmazie sei indes schon die Forschung maximal aufwendig. Daher komme die Regel: Wer am meisten Geld in die Labore steckt, habe auch die meisten Ergebnisse und die größten Chancen, zu einem vermarktbaren Präparat zu kommen. Alles nach dem Motto: Viel hilft viel.

Künstliche Intelligenz könne dieses Prinzip brechen, so Steilemann. Diese Chance sieht er ausdrücklich bei Covestro. Gemeint ist damit weniger das Massengeschäft mit Polykarbonat oder den Rohstoffen TDI und MDI, die der Konzern in riesigen Mengen herstellt. Dort kann – das hat gerade Markus Dugal erläutert, der bei Covestro die Prozesstechnologie leitet – KI für eine effizientere Produktion und bessere Auslastung sorgen. Wie wichtig die ist, zeigen die Konzernzahlen für 2024. Auf eine bessere „Anlagenverfügbarkeit“ hatte man bei Covestro besonderes Augenmerk gelegt, weil das im Jahr davor an der Auslastung gezehrt und natürlich Umsatz gekostet hatte. Inzwischen liege man wieder bei einem Auslastungsgrad deutlich über 80 Prozent, sagte Steilemann am Mittwoch in der Konzernzentrale. Exakte Zahlen nannte er nicht: „aus Wettbewerbsgründen“.

Dieses Unternehmen ist ein Topf voller Gold.
Markus Steilemann, Vorstandschef von Covestro

Den Wert von KI sieht der Covestro-Chef vor allem bei der Entwicklung von Kunststoff-Spezialitäten. Die seien vor allem in Deutschland ein lohnendes Geschäft. Auf die Dauer dürfte hier das Massengeschäft an Bedeutung einbüßen: Die Anlagen sollen nicht unbedingt mehr ausgebaut, aber in ihrem Bestand gesichert werden. Auch, weil die Nachfrage auf dem europäischen Markt nicht mehr sehr stark steigen dürfte.

Mit Rechner-Unterstützung habe man allerdings bei speziellen Anwendungen „die Chance, die Chemie neu zu erfinden“, so Steilemann. Die soll Covestro beherzt ergreifen. Mit Blick auf das vorhandene Know-how sagte der Vorstandschef: „Dieses Unternehmen ist ein Topf voller Gold.“ Aber es gelte, diesen Schatz auch zu heben, indem die vorhandenen Daten abgegriffen und systematisiert werden.

Covestros Vorstandschef Markus Steilemann mit dem Rektor der RWTH Aachen, Ulrich Rüdiger

Seit Jahren pflegt Covestros Vorstandschef Markus Steilemann (rechts) die Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen. Hier ihr Rektor Ulrich Rüdiger.

In Europa sieht Steilemann bei der Erhebung und Aufbereitung von Daten keine Probleme. In China sei das anders. Dort habe der Staat auf der Basis ganz anderer Gesetze die Möglichkeit, auf interne Daten von Unternehmen zuzugreifen. Covestro dürfte dort anders mit dem Thema KI umgehen.

Bei allem, was mit Künstlicher Intelligenz zu tun hat, spiele Covestro mit den Großen der Branche: Google, Amazon, Invidia. Entsprechend ist auch eines der Innovationszentren, in die der Konzern investiert, in den USA, in Pittsburgh. Weitere gibt es in Japan und China – und natürlich am Heimatstandort Leverkusen.


Als Präsident des Verbands der Chemischen Industrie mahnt Markus Steilemann die künftige Bundesregierung, schnell die Bedingungen für die Branche zu verbessern. Es habe zuletzt „viel zu viel Etatismus“ gegeben. Die Berichtspflichten seien überbordend, und der Nutzen erwiesenermaßen nicht gegeben. Staatliche Reglungen seien „zu kleinteilig“, ein Konzept nicht erkennbar. In seine Kritik schließt der Covestro-Manager ausdrücklich die EU-Kommission ein. In Brüssel versuche man, an zu vielen Themen gleichzeitig zu arbeiten: Den für seine Industrie extrem herausfordernden Umbau zur klimaneutralen Produktion mit dem Ziel einer „giftfreien“ Chemie zu kombinieren, überfordere die Unternehmen.

Die Steuerquote in Deutschland müsse herunter, fordert Steilemann: von in Summe 35 auf 25 Prozent. Denn die Steuerlast hemme Investitionen, die dringend erforderlich seien. Sein Befund mit Blick auf das womöglich dritte Rezessionsjahr in Folge: „Die deutsche Wirtschaft ist geschwächt.“