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Neues BuchGeschichtsverein veröffentlicht Hochwasser-Bericht aus erster Leichlinger Hand

Lesezeit 3 Minuten
Bergischer Geschichtsverein Foto: Bergischer Geschichtsverein

Die Publikation des Bergischen Geschichtsverein zum Hochwasser.

Die historische Schrift „Niederwupper“ beschäftigt sich mit dem Hochwasser 2021 im Bergischen Land.

Keine Frage: Das Hochwasser am Abend des 14. Juli 2021 im Bergischen Land – es war historisch. Historiker nehmen sich Zeit, deshalb macht der Bergische Geschichtsverein in seiner neuen Publikation „Niederwupper 31“ das Thema jetzt, anderthalb Jahre später, zum Schwerpunkt.

Das tägliche Brot der Lokalhistoriker sind die Inhalte der Stadtarchive. Einen interessanten Einblick bietet Marc Sievert, Leiter des Leichlinger Archivs, das unglücklicherweise im Keller des Leichlinger Rathauses untergebracht war und dessen Archivalien bis auf einen kleinen Anteil vom Wupperwasser und -schlamm nachhaltig beschädigt wurden. Lediglich in einem Raum hatte sich unter der Decke eine Luftblase gebildet. Darin sind wenige Stücke trocken geblieben. 9,5 Millionen Euro sind zur Restaurierung der Archivalien beantragt.

Die Burg Ophoven am 14. Juli 2021

Die umspülte Burg Ophoven am Abend des 14. Juli 2021

Die Flutfolgen in Opladen beschreibt Toni Blankerts. Das Hochwasser in Schlebusch betrachtet Ellen Lorenz in einem Aufsatz. Sie beschreibt, wie der Fluss mit der Industrialisierung massiv verändert wurde. Sie zitiert die Zuccalmaglios, die schon 1855 ein Gesetz forderten, das den Bestand der Wälder sichern sollte, die in ihrer ursprünglichen Form Wasser speichern. Lorenz beschreibt, dass die Dhünn ab 1900 zunehmend eingeengt wurde, was die Hochwässer begünstigt.

Sie beschreibt Verlegungen des Flussbetts und dessen Begradigung. Sie hat sich mit dem Land flussaufwärts von Schlebusch beschäftigt und Gründe gefunden, weshalb das Wasser am 14. Juli 2021 so schnell eingeschossen ist.

Bericht von der Flutnacht

Einen spannenden und chronologischen Bericht der Flutnacht hat Hans-Günter Borowski verfasst. Kein Wunder, denn dem Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ floss selbst in den ersten Stunden des 15. Juli das schlammig-braune Wupperwasser in die untere Etage seines Leichlinger Häuschens. Er hat selbst erlebt, wie es plötzlich still wird, wenn der Strom aus Sicherheitsgründen abgeschaltet wird, wenn Nachbarn aus den Niederungen noch versuchen, ihre Autos in höhere Straßen zu fahren.

Ergreifend beschreibt er, wie ein Haus nach einer Explosion in der Ölheizung an der Neukirchener Straße abbrennt und die Feuerwehr nichts tun kann, als mit Booten hinzufahren. Einzig ein Polizeihubschrauber fliegt stundenlang Löschwasser aus dem Schwimmbad zum brennenden Haus. Zwei Tote forderte dieses Unglück. Borowski blickt auch auf historische Fluten zurück.

Auch die Zeit nach dem Unglück schildert er aus erster Hand und schafft so eine spannende Chronik für die Nachwelt. Lesenswert – auch für jene, die schon alle Artikel gelesen haben über den Tag, an dem 5,5 Millionen Kubikmeter Wasser auf Leichlingen prasselten.

Ein weiterer Schwerpunkt ist jüdisches Leben in Leverkusen und Umgebung. Beispiel: eine jüdische Pfadfindergruppe, die es ab 1930 kurz in Leverkusen gab. Und im Opladen der 1920er-Jahre existierte ein landwirtschaftlicher Lehrbetrieb für jüdische Mädchen zur Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina. Noch nicht sicher weiß man, wo der Fachwerk-Hof stand. Recherchen deuten aber auf die Gegend um den Bahnübergang an der Sandstraße hin.

Weinen könnte man bei den Beschreibungen des 94-jährigen Günter Vogelsang vom alten Bergisch Neukirchen, seinen Bäumen, Rodelbahnen und Fachwerkhäusern. Sein Urteil, für die Nachwelt geschrieben, fällt hart aus. Er schreibt: „Bergisch Neukirchen ist heute ein ampelgesteuerter Durchgangsstadtteil geworden, um Opladen, die Autobahn und die City zu erreichen.“ Sein lesenswerter Text über das alte Dorf und seine Bewohner, die Mundart, die 18 Gaststätten und die Art des Dorflebens zur Zeit seiner Kindheit, erzählt vom vielfältigen Verlust, aber auch von Strapazen.


Das Buch ist in Leverkusen in den Buchhandlungen Gottschalk und Noworzyn erhältlich. In Leichlingen bei Langen und Pavlik. Preis: zehn Euro.