Leverkusen – Eine problemlose Schwangerschaft. Und dann in der 33. Schwangerschaftswoche: Schwangerschaftsvergiftung, Notkaiserschnitt. Mitten in der Nacht ist Mareike B. (Namen geändert) plötzlich Mutter von zwei winzigen Jungen, 1210 Gramm und 2060 Gramm bringen sie nur auf die Waage. „Ich war komplett unvorbereitet“, sagt die Mutter, die mittlerweile mit ihren Babys auf der Kinderstation im Klinikum Leverkusen liegt. Beide konnten nach zwei Wochen die Intensivstation verlassen. An ihren winzigen Nasen hängt ein dünnes Schläuchlein mit einer Spritze, über die sie abgepumpte Muttermilch bekommen. Mittlerweile Routine für die junge Mutter.
345 Frühgeboren in einem Jahr
In Deutschland kommen jährlich mehr als 60 000 Kinder zu früh auf die Welt. Das bedeutet, dass jedes zehnte Kind vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren wird. Im Klinikum Leverkusen wurden im vergangenen Jahr 345 Frühgeborene behandelt. Darunter 40 Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm und 15 Kinder unter 750 Gramm. Das leichteste Kind ist mit einem Geburtsgewicht von 385 Gramm auf die Welt gekommen.
Als Melanie Henze ihre Ausbildung zur Kinderkrankenpflegerin 2002 am Klinikum abgeschlossen hat, galten Babys ab der 25. oder 26. Schwangerschaftswoche als gerade noch überlebensfähig. „Heute sind wir in der 22. Schwangerschaftswoche, also mehr als vier Monate vor Termin“, erläutert Dr. Joachim Eichhorn, Direktor der Kinderklinik. In dem Stadium zählt jeder Tag im Bauch der Mutter – und wenn es nicht anders geht, zumindest auf dem Bauch.
Coronapositive Mutter darf Kind halten
Deswegen steht der diesjährige Weltfrühgeborenentag unter dem Motto: „Niemals getrennt. Lasst uns jetzt handeln, denn Frühgeborene und ihre Eltern gehören zusammen“. Gegen Corona-Restriktionen, die Eltern von ihren Babys fern halten, macht sich auch das Klinikum stark. „Unser Ziel ist eine frühestmögliche Bindung zwischen Eltern und Kind herzustellen“, sagt Eichhorn.
Klinikum und Stadion leuchten Lila
Zum Weltfrühgeborenentag am 17. November erstrahlen weltweit Gebäude in der Farbe Lila. In Leverkusen lässt das Klinikum einen Gebäudeteil anstrahlen, auch Bayer 04 macht mit und taucht die Bayarena in lila Licht.
Außerdem lädt das Klinikum die Eltern der Frühgeborenen, die aktuell betreut werden, zu einem internen Frühstück und Erfahrungsaustausch ein.
Mit mehr als 1750 Geburten pro Jahr gehört das Klinikum Leverkusen zu den erfahrensten Geburtskliniken in der Region. Gemeinsam mit der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bildet die Neonatologie (Frühgeborenen-Versorgung) der Kinderklinik das Mutter-Kind-Zentrum. Das Perinatalzentrum ist mit der höchsten Versorgungsstufe (Level 1) in diesem Fachbereich ausgestattet. (stes)
Deswegen haben sie im Klinikum auch schon einer coronapositiven Mutter den Kontakt zu ihrem Frühchen ermöglicht, natürlich unter strengen Vorsichtsmaßnahmen. Doch nicht nur Corona macht die frühe Bindung schwer. „Ein Baby mit 450 Gramm Gewicht – dagegen ist ein rohes Ei ein Panzer“, sagt Eichhorn. Deswegen sei 90 Prozent der Arbeit auf der Kinderintensivstation die Pflege. Und wie in allen Pflegebereichen fehlt auch hier das Personal. Von 18 Intensivbetten können derzeit nur zehn belegt werden – aus Personalmangel.
Verlegung wegen Personalmangels
Immer wieder müssen Frauen an andere Kliniken verwiesen werden. „Ich könnte noch zehn weitere Kolleginnen gebrauchen“, sagt Pflegedienstleiterin Jennifer Kocks-Lugt. Die sind auf dem Markt aber einfach nicht verfügbar. Melanie Henze findet das schade. „Natürlich kann es belastend sein, die winzigen Babys zu sehen“, sagt die Kinderkrankenpflegerin. „Aber es ist auch schön zu sehen, wenn wie Kleinen sich entwickeln. Wir feiern hier jeden Meilenstein, vom ersten Stuhlgang zum ersten Tröpfchen selbst abgeschleckte Milch.“ Der Höhepunkt ist das „Mehltütenfest“ – wenn ein Baby die 1000 Gramm erreicht hat. „Dann basteln wir auch etwas, das gehört auf einer Frühchenstation auch dazu.“