Leverkusen – Der Restart nach Wochen der ersten Welle von durch das Coronavirus bedingten Beschränkungen betrifft auch die Museen. Sie durften jüngst ihre Pforten wieder öffnen, um Publikum einzulassen. Und Dr. Fritz Emslander, kommissarischer Leiter des Museums Morsbroich, hat absolut recht, wenn er sagt, man merke nun, was die ganze Zeit zuvor gefehlt habe: die Unmittelbarkeit der Kunst. Die Betrachtung von Kunst im dreidimensionalen Raum des Museums – und nicht auf dem Bildschirm, im Internet.
Die Magie ist zurück
Das bedeutet, die Kunst hat ihre Magie wieder zurück erlangt. Diesen schönen Umstand macht sich die neue Ausstellung in Morsbroich denn auch konsequent und geschickt zu nutze: „1:1“ ist die Präsentation von Stücken aus der Sammlung des Hauses und bietet zigfach Gelegenheit, sich wirklich mit Ästhetik und klugen Intentionen auseinanderzusetzen. Wirklich im Sinne von intensiv. Eins zu eins eben. Unmittelbar.
Dazu wurden die Ausstellungsräume mit Sitzen und Stühlen, Bänken und Sofas ausstaffiert, auf denen die Besucher Platz nehmen, innehalten und sich ganz und gar der Kunst widmen können, die da vor ihnen an der Wand hängt oder auf dem Boden angerichtet ist. Im ersten Raum empfängt den Betrachter Rainer Gross’ riesiges Doppelbild „Howden Twins“ mit einem Farbspektakel, das nach Wochen der Kunstabstinenz wie ein visueller Donnerschlag wirkt. Gross legte dazu zwei Leinwände übereinander, presste sie aufeinander, nahm sie wieder auseinander und hängte sie nebeneinander. Die eine um 180 Grad gedreht. Der Betrachter kann nun die kopierten Strukturen vergleichen und sich in Linien und Flächen verlieren, die nahezu identisch sind und wie ein Rätselbild dezente Unterschiede zu entdecken auffordern.
Spiegel für den Betrachter
Rémy Zauggs weißes Bild mit dem nur unwesentlich dunkler abgesetzten Satz „Schau, du bist blind“ hält demjenigen, der darauf schaut, den Spiegel vor und mahnt: Lass’ dich ein auf die Welt. Setze deine Scheuklappen ab. Tritt in den Dialog mit allem, was du siehst. Genieße und studiere die Kunst.
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Richard Joseph Anuskiewiczs „Quadrate“ wiederum üben sich überlappend und auf verschiedenen Farbhintergründen angeordnet eine hypnotische Wirkung aus. Michael Schoenholtz ist vertreten mit seinen an Buchseiten angelehnten Blöcken aus Marmor, die am Boden liegend gleichsam leicht wie tonnenschwer wirken.
Juwel der Ausstellung
Ein Juwel der Ausstellung, die sich als erste Schau seit Jahren über alle drei Etagen des Museums erstreckt – und somit eben auch über das ansonsten nur als Grafiketage genutzte zweite Obergeschoss – ist zweifelsohne die gemeinsame Arbeit von Gerhard Richter und Sigmar Polke aus dem Jahre 1968: Die beiden internationalen Größen zeigen anhand manipulierter Fotografien die „fünf Phasen der Umwandlung“ eines Gebirgsmassivs in eine Kugel. Die Magie der Kunst vermittelt hier auf humoristische Weise zwischen dem Realen und dem Irrealen. Kluge und positiv verrückte Köpfe – diese Kombination ist nie verkehrt. Genauso, wie diese Ausstellung nicht verkehrt ist.
„1:1“ eröffnet am Samstag, 20. Juni (bis 30. August). Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr. Erläuterungen zu den Werken durch Experten gibt es am 21.6., 26.7. und 30.8. (13 bis 16 Uhr). Das Museum darf nur mit Mund- und Nasenschutz betreten werden. Die geltenden Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen sind zu beachten.
www.museum-morsbroich.de