Leverkusen – Seit 70 Jahren steht das Museum Morsbroich nun schon in Leverkusen. Und vermenschlicht könnte man sagen: Es kennt sich aus mit Wendepunkten in seiner Historie, dieses erste Museum für Gegenwartskunst in Deutschland. Gerade ist es ja wieder mal soweit: Mit Jörg van den Berg lenkt ein neuer Direktor die Geschicke des Hauses. Ihm zur Seite steht, neben dem bereits seit zwölf Jahren in Leverkusen tätigen Fritz Emslander, mit Thekla Zell eine Kuratorin, die auch erst 2020 zum Team dazustieß.
Und dieses Trio nahm die gemeinsame Arbeit in einer Gemengelage zwischen drohender Schließung, verzweifelten Rettungsversuchen und Trotz auf. Ein Chaos der Zustände. Ein Wirrwarr der Emotionen. Eine Diskussionsrunde zum Thema Morsbroich, wie sie nun die Mitglieder des Opladener Geschichtsvereins (OGV) anberaumt und zu der sie van den Berg, Zell und Emslander in die Villa Römer eingeladen hatten, ist vor diesem Hintergrund eine gute Idee.
Ernst Küchler, langjähriger Kommunalpolitiker, Ex-OB und Mitglied des OGV, betonte einleitend: „Das Museum ist Stadtgeschichte. Eine, die nicht spurlos an Leverkusen vorbeigeht.“ Und entsprechend deutlich positionierte sich van den Berg: „Wir können ein Morgen nicht denken ohne zu wissen, was gestern war und was heute ist.“ Dennoch dürfe man sich nicht ausruhen auf der Relevanz, die diesem Haus seit jeher zukomme, oder auf dem „Abstrahleffekt“, den es in seinen Glanzzeiten gehabt habe. Im Gegenteil: „Wir sollten mit unseren Ideen laut werden und einen Raum besetzen.“ Denn das sei gerade in der jüngsten Geschichte des Hauses mit dem verheerenden Gutachten der rein in ökonomischen Maßstäben denkenden Wirtschaftsprüfenden der Gesellschaft KPMG das große Problem gewesen: „Es wurde sehr viel über das Museum und seine unterschiedlichen Scheiterungsmomente gesprochen, aber nur sehr wenig vom Museum.“
Verheerende Signale ausgesendet
Letztlich habe nämlich auch das 2018 so gefeierte Zukunftssicherungskonzept, das nach der Empfehlung der KPMG zur Schließung des Hauses vom Museumsverein aufgelegt worden war, verheerende Signale ausgesendet: „Ich finde es vom ehrenamtlichen Engagement her zwar unfassbar!“, sagte van den Berg. „Aber es hat auf 160 Seiten den Duktus „Kaninchen vor der Schlange“ als Grundproblem.“ Fest stehe: „Ich kann einen solchen Betrieb wie das Museum nicht so weit durchökonomisieren, dass er gerade eben nicht geschlossen wird. Wir tun vielmehr gut daran, selbstbewusst aufzutreten. Denn: Wir haben in Morsbroich eine absolute Perle, ein unglaubliches Potenzial auf einem Areal, das es in der Stadt sonst nicht häufig gibt.“Zell schloss sich an: „Ich kenne das Museum seit meinem Studium. Es hat einen Ruf für absolute Avantgarde. Man kann stolz darauf sein.“ Absurd sei es, vor diesem Hintergrund „über Parkplätze zu streiten“ wie in der Vergangenheit. Es gehe um Optimismus und Mut: „Es ist eine Haltungssache, wie man dieses Museum für sich definiert und was man zulassen will.“ Und das sei das Ziel des neue Museumsteams: „Wir wollen Gespräche zulassen. Man soll sich streiten. Und man muss ein Urvertrauen haben, dass Kunst und Kultur grundsätzlich für Menschen sind. Man darf Kunst nicht an Zahlen bemessen!“
Das könnte Sie auch interessieren:
Küchler übte angesichts der vergangenen Jahre eine ebenso deutliche wie in Leverkusen bereits bekannte Kritik an der Verwaltung und der Lokalpolitik: Früher habe die sich noch für Morsbroich interessiert. „Das ist heute nicht mehr so.“ Der Bruch sei mit dem KPMG-Gutachten gekommen und mit dem Beschluss, Kulturgeld für die Errichtung der Neuen Bahnstadt Opladen zu verwenden. Van den Bergs Empfehlung und Ankündigung: „Wir als Museum müssen wieder die Inhalte setzen und dürfen sie uns nicht mehr vorgeben lassen! Wir müssen mit Politik in einen Austausch kommen, bei dem deutlich wird: Wir können eine Menge für Leverkusen schaffen – man muss uns aber auch schaffen lassen!“
Zum Weg, dieses Ziel zu erreichen, gehörte erstens die Vermittlung von Bildung. „Es ist nämlich ein grundsätzliches Problem, dass die substanzielle Verlinkung von Kultur und Bildung zur Gesellschaft gerissen ist.“
Menschen näher ans Museum heranbringen
Dazu gehörten zweitens auch kommerzielle Veranstaltungen wie der kommende „Schlosszauber“ im Schlosspark, um die Menschen einfach erst einmal überhaupt „näher ans Museum heranzubringen“. Und dazu gehörten nicht zuletzt auch Ausstellungen wie die aktuelle: Die wurde aus der erstklassigen Sammlung des Museums heraus und – vor allem – von sämtlichen Mitarbeitenden des Hauses konzipiert.
Sprich: Sie sei in gewisser Hinsicht „niedrigschwellig“ und dadurch umso interessanter für die Menschen. Van den Berg: „Wir sind umgeben von großen Häusern in Köln, Düsseldorf, Bonn. Aber wenn es uns gelingt, eine neue Idee von Museum zu artikulieren, dann hebt uns das ab. Dann kreieren wir eine neue Relevanz.“ Dann werde Morsbroich zu einem „Verweilraum“.