In einer Serie schauen wir zurück, wie sich Leverkusen in den Jahrzehnten zwischen 1950 und 2000 entwickelt hat.
Im letzten Teil der Serie gucken wir uns die 90er Jahre an, unter anderem das Jahrhunderthochwasser am Rhein. Aber auch die Sternstunde von Bayer 04 1993.
Leverkusen – Das Jahrzehnt fängt für Karnevalisten nicht gut an: Mit 120 Kilometern pro Stunde fegt am Rosenmontag (26. Februar) ein Sturm über das Rheinland. Der Rosenmontagszug in Opladen wird abgesagt, der Sturm fordert auch ein Todesopfer: In Manfort wird eine Frau von einem umstürzenden Baum erschlagen. „Sirenengeheul der Einsatz- und Rettungsfahrzeuge ersetzt in Opladens Zentrum die eigentlich geplanten Jecken-Weisen“, berichtete der „Leverkusener Anzeiger“.
Viele Zugwagen waren durch den Regen aufgeweicht, dass sie den Jecken ohnehin nur noch einen traurigen Anblick geboten hätten. Kamelle und Strüßjer wurden noch nachträglich unters Volk gebracht, nicht Verderbliches sollte bis zum darauffolgenden Jahr aufbewahrt werden, es wurde auch an Kinderheime gespendet.
Was die abgesagten Züge betrifft, so schließt sich die Klammer in diesem Jahr: Am Karnevalssonntag 2020 musste der Zug in Wiesdorf abgesagt werden. So schlimm wie 30 Jahre zuvor war das Wetter aber nicht, die Jecken kamen mit einem blauen Auge davon.Aber auch von weiteren Naturkatastrophen bleibt Leverkusen nicht verschont: Im Januar 1995 erreichen die Hochwasserfluten des „Jahrhunderthochwassers“ ihren Höchststand: In Hitdorf wird ein Pegel von 10,68 Meter gemessen. Sogar die Bundeswehr war damals in der Stadt im Einsatz. Auf elf Fahrzeugen wurden vom Stützpunkt Hilden 8000 Sandsäcke nach Leverkusen gekarrt, berichtete damals der „Leverkusener Anzeiger“. Angst hatten die Menschen damals um den 600 Meter langen Deich im Rheindorfer Süden.
Aus für den Balkan-Express
1991 ist beim Balkan-Express Schluss: Am 31. Mai unternimmt er seine letzte Fahrt. 1881 hatte die Bahnverbindung zwischen Burscheid-Hilgen und Opladen ihren Betrieb aufgenommen (zuvor hatte einige Jahre eine Schienenverbindung zwischen Lennep und Wermelskirchen bestanden), teilweise sogar auf einer zweigleisig ausgebauten Strecke, bevor sie Ende der 1950er Jahr wieder in eine eingleisige Hauptbahn umgewandelt wurde.
Doch die Verbindung erlebte eine Wiederauferstehung: Als „Balkantrasse“: Der Panorama-Radweg wurde in Burscheid, Wermelskirchen und Remscheid 2012 eröffnet, der Leverkusener Abschnitt wurde nach der Gründung des Fördervereins Balkantrasse Ende 2011 erworben und am 29. Mai 2014 als Rad- und Wanderweg eröffnet. Das letzte Stück wurde Ende 2019 in Opladen angeschlossen.
Die 90er sind auch im Fußball bewegte Jahre. Nicht nur, dass ab 1998 die Fans in die BayArena gehen: Im Juli erhielt das Ulrich-Haberland-Stadion (zum damaligen Zeitpunkt gerade 40 Jahre alt geworden) den neuen Namen. Im Jahr zuvor war die neue Südtribüne mit zehn Logen, 154 VIP-Plätzen und Restaurant eröffnet worden.
In der Saison 1996/1997 gibt es den ersten „Vizetitel“. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen um die Meisterschaft gegen Bayern München verspielt Bayer am vorletzten Spieltag alle Titelchancen. Trotzdem feiern die Sportler am 34. Spieltag den zweiten Platz und die Teilnahme an der UEFA-Champions League vom Balkon des grünen Rathauses, damals bunt behangen mit rot-weißen Luftballons. In der Saison 1998/1999 gibt es den zweiten „Vizetitel“ für Bayer 04. Das große Drama der am letzten Spieltag in Unterhaching verspielten Meisterschaft ist da noch ein Jahr hin, das Phänomen „Vizekusen“ entwickelt sich langsam.
Aber lassen wir die ganze „Vize“-Geschichte: Den größten Triumph des Jahrzehnts gab es ohnehin einige Jahre zuvor, und zwar am 12. Juni 1993: Im 50. Endspiel um den DFB-Pokal gewann die Werkself im Berliner Olympiastadion gegen die Amateure von Hertha BSC mit 1:0. 15000 Fans von Schwarz-Rot hatten ihre Mannschaft nach Berlin begleitet. In der 77. Minute gelang Torjäger Ulf Kirsten mit einem Kopfball nach Flanke von Pavel Hapal das erlösende 1:0, schreibt Bayer 04 auf seiner Webseite. 25 Jahre später schwelgten Spieler von damals gemeinsam mit Fans bei einer B04-Veranstaltung in Erinnerungen. Nicht nur in guten. „Das war ein Katastrophen-Kick gegen einen Regionalligisten. Da braucht man sich nix vorzumachen“ , erinnerte sich damals Bayer-Fan Ingo Avermiddig ganz ernüchtert. Aber Hauptsache, man hatte den Pott.