Schlechte Ergebnisse, gute Gehälter, Glyphosat und Lieferkette: Gegner des Konzerns werden beim Aktionärstreffen eine andere Bilanz ziehen.
HauptversammlungMit diesen Gegenanträgen muss sich Bayer befassen

Seit Bayer seine Hauptversammlungen nicht mehr in Präsenz abhält, ist es ruhiger geworden. Voriges Jahr versammelten sich unter anderem Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, CBG und weitere Aktivisten vor der Konzernzentrale.
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Es ist ein Ritual: Die meisten der Gegenanträge, mit denen sich die Aktionäre am kommenden Freitag auseinander setzen müssen, stammen von der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“. Aber eben nicht nur. Auf dreieinhalb Seiten bewertet der unabhängige Aktionär Stefan Trost die Situation des Leverkusener Konzerns – auch er kommt zu keinem guten Ergebnis.
Allein der Vergleich des Aktienkurses zeigt aus Trosts Sicht „die weiterhin hoffnungslose Lage“. Ende 2023 notierte das Papier noch bei – ebenfalls mageren – 33,63 Euro. Für Ende 2024 verzeichnet Trost 19,31 Euro. Der Zusammenhang mit der Monsanto-Übernahme ist für den Aktionär klar ersichtlich; dass sich die drei Sparten des Konzerns unterdurchschnittlich entwickelt haben, liest Trost aus den Umsätzen im vergangenen Geschäftsjahr. Bei den rezeptfreien Arzneien gab es ein Minus von 2,6 Prozent, in der Agrochemie gar von 4,3 Prozent – einzig das Pharmageschäft verbuchte ein Plus, allerdings nur 0,3 Prozent.
Ziel erreicht trotz Umsatzminus
Für den Vorstand mache sich die schwache Leistung allerdings nicht bemerkbar, bemängelt Trost. Der Aufsichtsrat sei der Ansicht, sogar die Führung von der Argrochemiesparte Crop Science habe die Ziele erreicht; vier andere Vorstandsmitglieder hätten sie sogar übertroffen. „Als Aktionär stellt man sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie die Leistung der Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat bewertet worden wäre, wenn die Umsätze der Bayer AG beispielsweise um acht Prozent gestiegen wären?“ Acht Prozent plus, findet Trost, sei das, was man von einem durchschnittlichen Unternehmen erwarten könne. Wenn aber die Aufseher die im vorigen Jahr erzielte Leistung als teils überdurchschnittlich bewerten, „zerstört das bei mir jegliches Vertrauen in die Bayer AG“. Wenn ein Aufsichtsrat so urteile, „wird jeder Vorstand motiviert weiter zu wursteln wie bisher zum Nachteil der Bayer AG und ihrer Aktionäre“. Trost will das nicht hinnehmen: Der Aufsichtsrat sollte auf der Hauptversammlung nicht entlastet werden, steht in seinem Gegenantrag.
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Die wird wiederum nicht in Präsenz abgehalten, sondern nur virtuell im Internet. Zwar hat Bayer an dem Format ein bisschen geschraubt, seit es – ursprünglich wegen der Corona-Beschränkungen – eingeführt wurde. Aber aus Sicht der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ ist die Online-Variante „kein Ort des wirklichen Austauschs zwischen Aktionärinnen und Aktionären und Management mehr“. Das könne so nicht bleiben.
Eine Kundgebung in Leverkusen ohne Publikum
In der Vergangenheit hatten neben der „Coordination“ zahlreiche Gruppen, aber auch Einzelpersonen das jährliche Aktionärstreffen als Forum genutzt, um ihre Sicht auf das Handeln des Bayer-Konzerns darzulegen. Weil alle Aktionäre die Stände und Transparente passieren mussten, um zur Versammlung zu kommen, war das eine gute Gelegenheit, um Öffentlichkeit herzustellen. Die ist nun perdu, auch wenn es zur Hauptversammlung immer noch kleine Kundgebungen – nunmehr vor der Konzernzentrale an der Leverkusener Kaiser-Wilhelm-Allee – gibt. Am Freitag stehen der „Coordination“ das Pestizid Aktions-Netzwerk, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, das Gen-ethische Netzwerk, das Umweltinstitut München und der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzen-Vielfalt zur Seite. Aber diese Versammlung wird natürlich keine Aktionärin, kein Aktionär sehen.
Vor der kommenden Hauptversammlung will außerdem die Organisation Corporate Europe Observatory einen offenen Brief an die Anteilseigner veröffentlichen. Darin werden die Bestrebungen des Konzerns angeprangert, in den USA Gesetze zu lancieren, die Glyphosat Straffreiheit verschaffen sollen. Die Gegenanträge der „Coordination“ zeigten „die etwas andere Bayer-Bilanz“, sagt Brigitte Hincha-Weisel aus dem CBG-Vorstand. Themen sind zum Beispiel die prekären Lieferketten, die Pestizid-Nebenwirkung „Parkinson“ und das besondere Gefährdungspotenzial von PFAS-haltigen Ackergiften.
Auch den Plan einer Kapital-Erhöhung, mit dem sich der Bayer-Vorstand ein Polster für die Glyphosat-Entschädigungsverfahren und „andere Maßnahmen im Zusammenhang mit einer weitgehenden Eindämmung von Klage-Verfahren in den USA“ verschaffen will, lehnen die organisierten Bayer-Kritiker ab. Ihrer Ansicht nach gibt es nur eine Möglichkeit, die Rechtsstreitigkeiten in Sachen Glyphosat zu beenden: die Vermarktung des Herbizids zu beenden. Ein weiterer Gegenantrag thematisiert Bayers Weigerung, Verantwortung für die bis in die 1970er Jahre hinein an Heimkindern durchgeführten Arznei-Tests zu übernehmen.
Kommentiert werden die Gegenanträge von Bayer nicht: „Die Gegenanträge und Wahlvorschläge sowie ihre Begründungen geben jeweils die Ansichten der Verfasser wieder. Auch Tatsachenbehauptungen und Verweise auf andere Internetseiten wurden ohne Überprüfung übernommen“, so der Hinweis des Unternehmens.