Leverkusen – Es das Ende einer Ära zu nennen, ist nicht übertrieben: Seit 52 Jahren ist das Geschäft am Friedrich-Ebert-Platz 22 nun schon im Besitz der Familie Müller. Was 1970 mit der „Pulli-Ecke“ begann, endet diesen Sommer mit dem „House of Jeans“.
Bereits der Vater hatte an der Stelle sein Geschäft: Die jetzige Inhaberin, Petra Müller, wuchs in einer Familie auf, in der der Einzelhandel das Leben prägte. Als es um ihre berufliche Zukunft ging, wollte sie allerdings zu Anfang damit „nichts zu tun haben“. So ging sie zunächst für ein Jahr nach Spanien, wo sie dem Thema Mode und Einzelhandel aber nicht entfliehen konnte.
Nur wenig später startete sie mit ihrer eigenen Lederproduktion in Indien, was für damalige Verhältnisse noch nicht alltäglich war.
Zurück in Deutschland konnte sie ihrem Vater schließlich doch seinen Traum erfüllen. Sie kaufte ihm sein Wiesdorfer Geschäft ab und stieg nun auch in den Einzelhandel ein. Zu damaliger Zeit war Leverkusen noch sehr viel mehr von Bayer geprägt als das heute der Fall ist.
„Ich habe mit meinem Laden noch das alte Bayer-Kaufhaus, das alte Rathaus und sehr viele andere beliebte Geschäfte erlebt. Es waren viele bekannte Menschen bei mir zum Einkaufen, unter anderem Henry Maske oder Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth“, erklärt Petra Müller.
In diesen Jahren baute sie sich einen Laden mit vielen Stammkunden auf, die ihr bis heute treu geblieben sind. Aufgrund einer aufkommenden Lungenerkrankung organisierte Müller den Laden eher aus dem Hintergrund und beschäftigte sich mehr mit dem Einkauf als mit dem Verkauf selbst.
Pandemiebedingte Schwierigkeiten
Mit der Zeit zogen viele ältere Geschäfte weg und es siedelten sich neue Ketten wie beispielweise P&C in der City an. Hinzu kam auch der Bau der Rathaus-Galerie, wodurch die mittlerweile 70-Jährige neue Hoffnung für ihren Laden schöpfte, Hoffnung auf einen Aufschwung in der Wiesdorfer Fußgängerzone – doch dem war nicht so. Statt eines Aufschwungs musste Müller einer ihrer Meinung nach „grundsätzlich negativen Entwicklung“ der Fußgängerzone zuschauen.
Ab Beginn der Corona-Pandemie erlebte die Inhaberin mit ihrem Geschäft viele Höhen und Tiefen. Durch den Lockdown musste sie Verluste in Kauf nehmen, die durch den Ansturm auf ihren Laden nach der Öffnung allerdings wieder wettgemacht wurden. Dennoch hätten ihrem Geschäft ständige Schließungen und Öffnungen auf die Dauer nicht gutgetan, sagt sie. Nachdem viele Menschen nun geradezu mit der Pandemie abgeschlossen haben, hatte Müller wieder auf einen Ansturm gehofft, der jedoch ausblieb. Weniger Passanten in der Fußgängerzone und auch der Ukraine-Krieg sorgte nicht für eine positive Kaufstimmung bei den Bürgern und Bürgerinnen, hat sie beobachtet.
Sonderaktion wird zum Schlussverkauf
Um den Menschen einen Anreiz zu bieten, doch nochmal das alteingesessene Jeansgeschäft zu besuchen, rief die Besitzerin die Aktion „Unser letzter Sommer“ ins Leben. „Eigentlich wollte ich den Menschen nur einen Anstoß geben, meinen Laden mal wieder zu besuchen. Doch dann bekam ich schlechte Nachrichten von meinem Arzt, für mich eine richtige Schockdiagnose“, erklärt Müller. Ihr Arzt empfahl ihr, mit ihren 70 Jahren aus gesundheitlichen Gründen aus dem Geschäft auszusteigen und sich zur Ruhe zu setzen. Somit hat sie sich gerade mal vor nur zwei Wochen dazu entschieden, aus einer reinen Werbeaktion einen regelrechten Schlussverkauf zu machen.
Zu ihrer Entscheidung haben auch die Aussichten auf das zweite Halbjahr beigetragen, da dem Einzelhandel durch steigende Energiepreise und eine ansteigende Inflation das Leben nicht leicht gemacht wird. Nach 22 Jahren gibt Petra Müller nun ihr Geschäft Ende des Jahres auf. Wann genau sie zum letzten Mal öffnet, hat sie aber noch nicht festgelegt. Der Laden an der Ecke, eines der letzten Traditionsgeschäfte in Wiesdorf mit einer der besten Lagen in der Fußgängerzone, wird nun bald vorerst leer stehen. Noch gibt es keine weiteren Informationen, was anschließend mit der Ladenfläche geschieht.