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Leverkusener KonzernWarum Covestro verrät, was jeder verdient

Lesezeit 2 Minuten
Covestro Mitarbeiterin Merve Koc am 25. Juli 2019 in Dormagen

Merve Koc arbeitet schon länger bei Covestro. Jetzt will das Unternehmen von vornherein sagen, was man verdienen kann.

Weit vor der Zeit setzt das Unternehmen eine EU-Richtlinie um, die vor allem Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen bekämpfen soll.

Am Anfang steht der Gedanke, dass es für gleiche Arbeit auch gleichen Lohn geben muss. Entgelt-Transparenz fordert eine Richtlinie der EU, die im Juni vorigen Jahres in Kraft getreten ist. Drei Jahre haben Unternehmen Zeit, sie umzusetzen. Also bis Juni 2026.

Zeit, sich vorzubereiten, rät Andreas Feggeler, wissenschaftlicher Mitarbeiter vom arbeitgebernahen Institut für angewandte Arbeitswissenschaft in Düsseldorf. Er wies am Donnerstag darauf hin, dass die Dokumentation der Gehälter gerade in kleinen und mittleren Unternehmen aufwändig sein könne.

Covestro hat das abgehakt und prescht vor. Am Donnerstag teilte das Unternehmen mit, dass es ab sofort die Gehaltsspannen für alle ausgeschriebenen Positionen in Deutschland veröffentlicht. Das betrifft derzeit 140 Job-Offerten bei dem Kunststoff-Konzern. Damit hat sich das Unternehmen offenbar mindestens im Deutschen Aktien-Index an die Spitze der Bewegung gesetzt: Nach eigenen Beobachtungen informiert keiner der 40 Dax-Konzerne umfassend über seine Gehälter.

Auch außertarifliche Gehälter werden offengelegt

Mit der Angabe, was man – natürlich auch außerhalb des Tarifbereichs – verdienen kann, will Covestros weltweit Personalverantwortliche Sophie von Saldern für mehr „Vertrauen, Fairness und Gleichberechtigung“ sorgen. Die Offenheit beim Geld wirke auch nach innen, ergänzte sie: Die Gehaltsbänder seien auch intern einsehbar. Aus ihrer Sicht verändert die Offenheit „nachhaltig den gesamten Bewerbungsprozess“. Das zeigten erste Erfahrungen. Auf der Suche nach Ingenieuren hatte Covestro in die Stellenannoncen geschrieben, was man im Konzern verdienen kann. Das sollte ein Anreiz sein, denn in diesem Bereich ist der Mangel an Fachkräften ganz besonders spürbar.

Ute Breitsohl, von Salderns Kollegin für den deutschen Stellenmarkt, sieht „erste Anzeichen dafür, dass die Zahl der Bewerbungseingänge zunimmt“. Außerdem verliefen die Gespräche zielgerichteter, die Reaktion der Interessenten sei positiv. Schließlich sähen Berufseinsteiger klarer, welches Gehalt sie erwarten können. Erfahrene Fachkräfte bekämen eine Ahnung, was ihr Wissen auf dem Arbeitsmarkt wert ist.

Frauen sind oft zu bescheiden

Dass insbesondere Frauen von der Transparenz beim Gehalt profitieren – so wie es der Geist der EU-Richtlinie vorsieht – ist für Covestros Personalerinnen klar. Ihre Erfahrung ist, dass Frauen „sich in Verhandlungen häufig noch unter ihrem tatsächlichen Marktwert positionieren“. Insgesamt trage die Offenheit beim Gehalt und seiner Entwicklung „zu einem Bewerbungsprozess auf Augenhöhe bei“, ergänzt Breitsohl.

Hinzu komme: Mit der vorzeitigen Umsetzung der EU-Richtlinie stärke Covestro sein Image als attraktiver Arbeitgeber, der keine Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern hinnimmt und setze so auch ein Zeichen auf dem Arbeitsmarkt. Sophie von Saldern ist zwar überzeugt, dass der Chemietarif „attraktive Rahmenbedingungen“ bietet – mit der zusätzlichen Transparenz werde dieser Effekt noch verstärkt.