Leverkusen – Als Jörg van den Berg im August des vergangenen Jahres seine Arbeit als Direktor des Museums aufnahm, war zunächst einmal nur eines festzuhalten: Endlich – nach einer dreijährigen Suche, die viele Menschen außerhalb des städtischen Verwaltungsapparates im besten Falle als schleppend, im schlechtesten Falle als halbherzig wahrnahmen – war ein neuer Chef für dieses international renommierte Haus der Gegenwartskunst gefunden. Sein Vorgänger war 2018 von jetzt auf gleich abgehauen.
Ein seinerzeit mit großem Tamtam angekündigter Zukunftsplan war zudem zunächst als heiliger Gral der Lösung aller finanziellen Probleme des von der Bürgerschaft meist so schmählich ignorierten Hauses präsentiert worden – und ist mittlerweile nur noch eine Fußnote in der Historie Morsbroichs.
Ahnung von Fortschritt
Insofern: War man in Leverkusen im August 2021 erst einmal froh, dass es überhaupt weiterging im Schloss. Irgendwie. Das gefühlte Motto: Mal abwarten, was der Neue so zu tun gedenkt in Sachen Zukunft.
Und ahnen konnte man den Fortschritt seitdem hier und da ja durchaus – etwa dank der vom gesamten Museumsteam kuratierten Ausstellung „Das Ensemble schreibt das Stück“. Der Zugang zur Kunst war plötzlich niedrigschwellig. Indes: Seit Donnerstagabend weiß man es auch. Seitdem ist klar: Jörg van den Berg bastelt nämlich an einer kleinen Revolution.
Eineinhalbstündiger Vortrag
Den Weg dieser Revolution präsentierte er bei einem rund eineinhalbstündigen Vortrag im Spiegelsaal des Schlosses, bei dem vor allem Vertreter und Vertreterinnen aus Kunst und Politik zuhörten. Und auch wenn sich vieles von dem, was der Museumschef dort ankündigte, noch in der ersten Planungsphase befindet und noch nicht in Stein gemeißelt wurde, ist doch zu erahnen, wie konsequent und vehement er an diese Aufgabe des „Wir bringen das Museum in die Zukunft“ herangeht.
Jörg van den Berg schart beispielsweise – so auch schon dieser Tage – eine Gruppe von acht Künstlerinnen und Künstlern um sich, die aus allen Teilen des Landes kommen. Sie sollen das Museum und dessen Umfeld mitgestalten.
Keine hochkulturelle Schwurbelei
Und bei diesen Gestalten geht es nicht um irgendeine hochkulturelle Schwurbelei, sondern um grundsätzliche und gerade darum relevante Dinge: Schirin Kretschmann aus Berlin etwa wird Ideen zu einer dem Museum als Ort der Kunst würdigen Gestaltung des Vorfeldes – Parkplatz, Bushaltestelle, Brücke – sammeln.
Die Südtirolerin Gabriela Oberkofler sowie die Berlinerin Antje Schiffers planen ein Nachbarschaftsprojekt mit dem nebenan befindlichen Obstgut – ebenso stehen auch Projekte mit den nahen Schulen und Kitas auf der Agenda. Schließlich gehe es darum, das Museum nach draußen, zu den Menschen, zu bringen. Und diejenigen, die in der Nähe seien, müssten eben als erste mit ins Boot geholt werden.
Englische Gärten als Vorbild
Künstlerinnen und Künstler wie Harald F- Müller (Singen), Tilo Schulz (Uckermark), Margit Czenki und Christoph Schäfer (beide Hamburg) haben sich wiederum den inneren Garten sowie den äußeren Schlosspark auf die kreativen Fahnen geschrieben. Jörg van den Berg und seinem Team schwebt hier ein strukturiertes und ästhetisch hergerichtetes Areal nach Art unter anderem englischer Gärten vor, in denen Sichtachsen eine gewichtige Rolle spielen – weil sie Akzente setzen und es durch sie zu einer Parallelität zwischen Natur und Kunst kommt.
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Ein zwar kleines, aber doch signifikantes Beispiel dafür sei der mittlerweile freigelegte und von Gestrüpp befreite Wasserfall im Park. Oder das halbe Dutzend großer Sonnenschirme, die hinterm Schloss an der Parkbühne stehen und den Blick stören. „Die nutzen wir an zehn Tagen im Jahr“, sagt Jörg van den Berg, und fährt ironisch fort: „Und das wäre ja auch okay, wenn das Jahr nur elf Tage hätte. Es hat aber 365 Tage.“ Ergo: Müsse eine Lösung her.
Änderungen auch im Innern
So wie auch im Innern des Schlosses. Beispiel: der Spiegelsaal. Dessen populäre Nutzung als Ort von Hochzeiten laufe dem Kunstbetrieb zuwider. Hier soll durch eine Installation möglicherweise eine Verbindung zwischen beidem hergestellt werden. Zuständig dafür wäre Andrea Wolfenberger aus der Schweiz. Der Gartensaal könne zu einer Art Dauerlabor für Künstlerinnen und Künstler werden. Und: Auch das Treppenhaus, der Vorplatz, das Restaurant müssten in Einklang mit der Kunst gebracht werden.
Was Jörg van den Berg mit all dem vorhat, ist letztlich nichts Anderes als eine ambitionierte wie spannende Verschiebung des Fokus’ vom reinen Ausstellungsbetrieb hin zu einem Museum, das jeden Menschen mit einbezieht. Weil es nämlich Anreize nicht nur durch Blockbuster-Ausstellungen setzt. Sondern weil es Anreize für alle setzt, sich überhaupt rund um das Schloss aufzuhalten und diesen Ort zur „zentralsten Peripherie, die ich kenne“ zu machen.
Verpflichtung für die Politik
Dass Jörg van den Berg dazu auch die Hilfe der Politik benötigt, klang am Ende in seinem Appell an die anwesenden Mitglieder hiesiger Parteien mehr als deutlich an: „Wir brauchen auch von Ihnen eine verbindliche Loyalität.“ Es folgte: langer, lauter Applaus.
Übrigens: Am Samstag, 29. Januar, ist das Museum Thema der Sendung „Westart“ des WDR-Fernsehens (18.15 bis 18.45 Uhr). Ein Kamerateam war in den vergangenen Tagen vor Ort.