Eine Absage des „Festival der Kulturen“ stand für die Leverkusener Verantwortlichen auch nach dem Anschlag in Solingen auf ein ähnliches Fest nie zur Debatte.
Nach Anschlag in SolingenKulturfest in Leverkusen: „Wir müssen uns gerade jetzt zeigen“
Eigentlich hätte das „Festival der Kulturen“ bereits im Mai stattfinden sollen. Zugunsten des Public Viewing vom DFB-Pokalfinale mit Leverkusener Beteiligung, das ebenfalls im Neulandpark stattfinden sollte, verlegte der Verein Inter-Lev das Fest auf dieses Augustwochenende. Und wurde damit urplötzlich von aktuellen Ereignissen eingeholt.
Auch in Hilden sollte an diesem Wochenende ein Fest der Kulturen stattfinden, dieses wurde nach dem Messerangriff auf dem Stadtfest im benachbarten Solingen abgesagt. „Für uns war ganz klar: Wir sagen nicht ab“, sagt Naima Azemmat von Inter-Lev. „Was in Solingen passiert ist, ist ganz furchtbar. Aber wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Gerade jetzt ist es umso wichtig, dass wir uns zeigen.“ Das betonte auch Oberbürgermeister Uwe Richrath, der das Fest eröffnet hatte: „Das Festival der Kulturen im Neulandpark ist ein Ort, an dem wir zeigen, was wir sind: weltoffen, tolerant, vielfältig! Ich bin stolz darauf, Oberbürgermeister zu sein in einer Stadt, in der Menschen aus über 140 Nationen friedlich miteinander leben. Der Anschlag in Solingen darf kein Anlass für Hass sein. Vielmehr müssen wir jetzt enger zusammenstehen, für Demokratie und gegen Gewalt.“
Wenige Besucher
Die in Leverkusen beheimateten Kulturen, ihre Speisen und Getränke, Tänze und traditionelle Kleidung zu zeigen, darum geht es bei dem Fest. Von den 19 Ständen, die sich angekündigt hatten, sind auch alle gekommen, auch wenn bei einigen nach dem Anschlag auch die Sorge um die Sicherheit wieder größer geworden ist. „Wir hatten die Zusage von zwei Musikgruppen, die mit insgesamt acht Leuten kommen wollten“, berichtet Frau Yildez vom Leverkusener Bildungs-Center. „Gekommen sind nur drei, die anderen hatten Sorgen.“ Sie selbst fühle sich in Leverkusen sehr sicher und lobt auch die Veranstalter, die das Sicherheitskonzept nach den Ereignissen in Solingen noch einmal verschärft hatten. „Wir sind auch alle angehalten, zu melden, wenn uns etwas auffällig erscheint.“
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Die eigenen Sicherheitskräfte wurden von ursprünglich zwei auf fünf aufgestockt, auch Polizei und Ordnungsamt patrouillierten regelmäßig auf dem Festgelände. „Es geht auch darum, Präsenz zu zeigen und damit das Sicherheitsgefühl zu erhöhen“, sagt Naima Azemmat. Sie empfand den Samstag als „ganz gut besucht“.
Sturm bläst Zelte weg
Anders sehen das die Mitglieder der tamilischen Bildungsvereinigung „Thamilalayam“, die am Samstag nicht nur mit geringem Besucheraufkommen, sondern auch mit dem abendlichen Sturm zu kämpfen hatten. „Gestern war Katastrophe“, berichten sie am Sonntag. Es seien kaum Gäste da gewesen und dann sei ihnen auch noch einer der beiden Pavillons im Sturm davongeflogen. Von den selbst zubereiteten „Dosa“ – einem knusprigen Fladenbrot aus einer Mischung aus Linsen und Reis – wurden viele nicht gegessen. Die Stimmung ist dennoch gut unter dem einen verbliebenen Pavillon. „Auch, wenn nicht viele Besucher da waren, haben wir uns viel untereinander, mit den Vereinen an den anderen Ständen unterhalten und uns kennengelernt“, sagt Frau Yildez vom Bildungs-Center. Auch dafür sei das Fest wichtig.
Christiane und Gerald Völker essen Tamilische Samosas, sie sitzen auf den Treppenstufen in der Sonne. Von dem Anschlag in Solingen hatten sie bis dahin noch gar nichts mitbekommen – das hätte sie aber auch nicht von ihrem kulinarischen Sonntagsausflug abgehalten. „Das wäre ja schlimm, wenn solche Taten unser gesellschaftliches Leben beeinflussen würden und wir uns alle nur noch zu Hause isolieren würden“, sagt Christiane Völker.
Das sieht auch Darius Ganjani so, er ist der neu gewählte leverkusener SPD-Vorsitzende. „Es ist uns wichtig, hier Flagge zu zeigen, gerade nach Solingen. Es stand nie zur Debatte, dass wir unseren Stand absagen.“ Am Sonntag ist die SPD als einzige Partei auf dem Fest vertreten, am Samstag war auch die CDU mit einem Stand vor Ort. Zum einen sei Integration ein ureigenes Thema der SPD und der Kontakt zu den internationalen Vereinen für ihn besonders wichtig, sagt Ganjani.
Zum anderen stehen am kommenden Wochenende Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen an. Die Sorge, dass die Ereignisse in Solingen dort Wähler zur AFD treiben könnten, bekommt er auch in Leverkusen zu hören, sagt Ganjani: „Viele Menschen sprechen uns darauf an, was man dagegen machen kann, und gerade in diesen Zeiten ist es auch unsere Verantwortung, da Rede und Antwort zu stehen.“ Seine Antwort: Sich für demokratische Parteien engagieren und den Rechten nicht das Feld überlassen. Deswegen sei es ein besonders gutes Zeichen, dass das Festival der Kulturen in Leverkusen trotz der bedrückenden Umstände stattfindet.