In einem Jahr werden die neuen Stadt- und Gemeinderäte gewählt. Gerade kleinere Parteien in Oberberg finden schwer genügend Kandidaten.
KommunalpolitikOberbergs Neulinge berichten nach dem ersten Jahr im Amt von ihren Erfahrungen
Die Protestdemonstrationen, die im Frühjahr von den Berichten über die Potsdamer „Geheimplan“-Konferenz ausgelöst wurden, verstanden sich als Selbstverteidigung der Demokratie. Die Parteien links von der AfD waren meist nicht Veranstalter, nutzten aber gern die Plattform, um für politisches Engagement zu werben. Und zwar am besten in einem ihrer Ortsverbände. Hat es funktioniert?
Zum Stand Anfang Juli erfreut sich die CDU Oberberg über 59 Neumitglieder, unterm Strich ist die Zahl um 23 auf 1640 Mitglieder angewachsen. Angesichts dieses Reservoirs haben die Ortsverbände der Union ohnehin weniger Mühe, ihre Wahlbezirke für die Kommunalwahl im Herbst 2025 zu besetzen und sind laut Mitteilung von Kreisgeschäftsführerin Iris Tietz dabei „weit fortgeschritten“.
SPD Oberberg bleibt mit aktuell 918 Mitgliedern die zweitstärkste Partei
Die SPD bleibt mit aktuell 918 Mitgliedern zweitstärkste Partei, hat aber von den Demokratie-Demos unterm Strich nicht profitiert. Im Dezember 2023 hatte sie in Oberberg noch 14 Mitglieder mehr. Kreisvorsitzender Thorsten Konzelmann verweist auf eine langfristige Tendenz, altersbedingter Schwund sei kaum zu vermeiden. Es gehe dabei um die Jahrgänge, die die Partei in der Willy-Brandt-Ära der 1960er und 1970er Jahre zur Millionenpartei gemacht haben. Die Aufstellung der Wahllisten sei heute eine größere Herausforderung geworden, gerade für die kleineren Ortsvereine. „Wir kommen deshalb nicht umhin, auch Leute anzusprechen, die noch gar nicht Parteimitglied sind.“
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Konzelmann bedauert, dass sich die Versammlungen und Umzüge des Frühjahrs, an deren Organisation die SPD maßgeblich beteiligt war, auch bei der Europawahl nicht ausgezahlt haben. Es gebe offenbar eine „gewisse Aversion gegen die Politik insgesamt“, zumindest gegen die Ampelparteien. „Die Politik wird für alles verantwortlich gemacht, was falsch läuft.“
Oberberg: Grüne und AfD legen bei der Zahl der Neumitglieder zu
Die FDP hat laut ihres Kreisvorsitzenden Dominik Trautmann eine stabile Mitgliederzahl von etwa 300, in diesem Jahr gab es zehn Beitritte. „Bei der Teilnahme an den aktuellen Kundgebungen und von Ihnen erwähnten Demonstrationen im Oberbergischen Kreis“, merkt Trautmann an, „wurde der Schwerpunkt darauf gelegt, ein Zeichen für die Demokratie zu setzen. Eine ‚Mitgliederwerbung‘, abseits des Austauschs mit den Teilnehmern, wurde daher nicht aktiv betrieben.“
Zwei Parteien profitieren besonders von der aufgeheizten Stimmung, offenbar weil sie als Gegenspieler wahrgenommen werden und neu politisierten Menschen ein eindeutiges Identifikationsangebot machen: die Grünen und die AfD.
Die Grünen haben nach eigenen Angaben bis Mitte des Jahres 38 neue Mitglieder gewonnen, damit schon mehr als jeweils in den kompletten Vorjahren, und erreichten die Zahl von 335 Mitgliedern. Kreisgeschäftsführer Seb Schäfer meint: „Auch in unserem Kreisverband bewegt das verstärkte bürgerliche Engagement für Demokratie und Zusammenhalt viele Menschen, sich für eine Mitgliedschaft in unserer Partei zu entscheiden.“ Und neue Mitglieder sollen natürlich für Ratskandidaturen angeworben werden. Nach Schäfers Einschätzung werde die Vorbereitung der Kommunalwahl aber erst im Frühsommer 2025 abgeschlossen sein. „Wir haben keinen Zweifel, dass die Ortsverbände diese Aufgabe erfolgreich bewältigen werden.“
Der Kreisverband der AfD hat nach eigenen Angaben seine Mitgliederzahl seit 2022 mehr als verdoppelt und kann das 250. Mitglied begrüßen, bleibt damit aber noch hinter der FDP zurück. „Erfreulich hoch ist die Bereitschaft, auch kommunalpolitisch aktiv zu werden“, schreibt AfD-Kreisverbandssprecher Bernd Rummler. „Immer mehr Bürger reagieren allergisch auf die durchsichtigen Manöver der etablierten Parteien und der in weiten Teilen tendenziösen Berichterstattungen.“ Die Anti-AfD-Demonstrationen hätten „die einzige demokratische Oppositionskraft“ gestärkt.
Interview mit Alexander Lieth: „Feuer und Flamme“
Alexander Lieth (50) ist IT-Administrator bei der Polizei und sitzt seit 2022 für die CDU im Wipperfürther Stadtrat.
Wie kamen Sie in die Politik?
Alexander Lieth: Der CDU-Ratsherr Michael Stefer war damals mein Chef und hat mich für die Politik begeistert. Ich habe erst zwei Jahre lang als Sachkundiger Bürger in mehrere Ausschüsse reingeschnuppert, bis ich über die Liste Stefers Nachfolger im Stadtrat wurde. Wenn ich in meinem Wipperfelder Wahlkreis wiedergewählt werde, mache ich weiter, inzwischen bin ich Feuer und Flamme für die Kommunalpolitik.
Was gefällt Ihnen daran?
Man trifft viele Menschen. Man kann schnell etwas bewegen. Und dabei geht es nicht nur darum, ob auf irgendeiner Straße ein Stoppschild aufgestellt wird. Wir stellen die Weichen für die Zukunft unserer Kinder. Ich persönlich habe mich beispielsweise dafür eingesetzt, dass die Wipperfelder Turnhalle zu einer Versammlungsstätte umgebaut wird. Das kostet viel Geld, ist aber wichtig für die Entwicklung des Dorfes. Ich war sehr angetan davon, dass man als Politiker mit seinen Ideen von der Verwaltung ernst genommen wird. Manchmal hat man auch mit eingefahrenen Strukturen zu tun, aber das kenne ich aus meiner Arbeit im öffentlichen Dienst.
Warum engagieren sich nicht mehr Leute im Rat?
Für viele Leute steht die Bundes- und Landespolitik im Vordergrund, etwa das Migrationsproblem. Sie erkennen nicht, wie spannend es auf kommunaler Ebene zugeht. Vielen fehlt es auch an der Zeit, die man aufbringen muss, wenn man es vernünftig machen will. Es ist erschreckend, wie viele Menschen zu einer extremen politischen Richtung neigen. Das Statement der Demokratie-Demos finde ich darum gut. Wenn man mich anspricht und zum Beispiel die Grundsteuererhöhung kritisiert, dann sage ich: „Komm doch einfach mal mit in die Fraktion, da bekommst Du einen ganz anderen Einblick.“
Interview mit Beate Mauelshagen: „Mitunter auch anstrengend“
Beate Mauelshagen aus Odenspiel ist seit Herbst 2020 Mitglied der Grünen-Fraktion im Reichshofer Gemeinderat und seit kurzem Ortsvereinssprecherin.
Wie kamen Sie in die Politik?
Beate Mauelshagen: Mein Mann wurde damals angesprochen. Ich dachte aber, das wäre doch auch etwas für mich! Die Kinder sind aus dem Haus, ich war frei für etwas Neues. Heute sind wir beide Mitglieder bei den Grünen und engagieren uns im Rat und in den Ausschüssen.
Was gefällt Ihnen daran?
Ich stehe hinter der Sache, dem Einsatz für die Umwelt. Wir haben bald ein Enkelkind, es geht um dessen Zukunft. Ich freue mich über jeden Schritt in die richtige Richtung, etwa dass wir es geschafft haben, dass Balkon-Fotovoltaikanlagen gefördert werden. Es ist wie bei mir im Garten, wo ich mit kleinen Änderungen für mehr Artenvielfalt sorge. Es ist interessant, im Schulausschuss auf eigene Erfahrungen als Mutter von Schulkindern zurückzublicken. Die Arbeit im Gemeinderat ist mitunter anstrengend. Leider haben wir nur drei Ratsmandate, die Mehrheit entscheidet oft anders. Die Wähler haben es eben so gewollt. Mal sehen, wie es nach der Wahl ist. Leider bekommen wir keinen Rückenwind aus Berlin. Die Grünen sind im Moment der Buhmann der Nation.
Warum engagieren sich nicht mehr Leute im Rat?
Dieses Ehrenamt ist mit viel Arbeit verbunden, man muss viel Zeit investieren, auch in die Vorbereitung der Sitzungen. Das ist nicht wie im Fitnessstudio, wo man sich eine Auszeit nehmen kann, wenn man keine Lust hat. Bei der nächsten Wahl werde ich wieder antreten und weiter versuchen, junge Leute für die Politik zu gewinnen. Ich verstehe nicht, dass sich nicht mehr von ihnen engagieren. Die haben bei „Fridays for Future“ demonstriert, aber wenn ich sie zu unserem Stammtisch einlade, gibt es keine Resonanz. Ich habe aber auch keine Lust, TikTok-Videos zu drehen, wie das die AfD mit Erfolg macht und dort allzu einfache Lösungen präsentiert. Sogar meine eigenen Kinder wählen nicht grün, sondern Kleinstparteien wie die „Piraten“, da habe ich wohl irgendwas falsch gemacht (lacht). Aber junge Leute sind uns willkommen. Vielleicht sind die dann engagiert bei den neuen sozialen Medien.
Interview mit Wastl Roth-Seefrid: „Heute eine gesunde Streitkultur“
Wastl Roth-Seefrid (49) ist Wanderwegemanager beim Naturpark Bergisches Land und gehört seit 2020 zur SPD-Fraktion im Waldbröler Stadtrat.
Wie kamen Sie in die Politik?
Wastl Roth-Seefrid: Den vorherigen Stadtverordneten der CDU, Bernd Mittler, habe ich bei einem Spaziergang getroffen. Er erzählte mir, dass er aus beruflichen Gründen nicht mehr kandidieren wolle. Er hatte sich ansonsten immer für meine Belange und für Schönenbach, Herfen, Spurkenbach und so weiter eingesetzt. Also habe ich mich einfach beworben. Einblick in die Kommunalpolitik hatte ich schon über meine Mutter Eva, die lange für die SPD im Rat saß, und als Sachkundiger Bürger.
Was gefällt Ihnen an der Politik?
Der Waldbröler Stadtrat war durch ein großes Gegeneinander bekannt. Das hat sich erfreulicherweise um 180 Grad gedreht, wir haben heute eine gesunde Streitkultur mit überwiegend großen mehrheitlichen Beschlüssen. Ich freue mich über meinem Beitrag zu den einstimmigen Beschlüssen des Waldbröler Stadtrats zum Tempolimit auf dem Schladernring, zur Sanierung von rund elf Kilometern Forstwegen und zur Überdachung von öffentlichen Parkplätzen mit PV-Anlagen. Ich ärgere mich, wenn ideologische Ansichten in die Lokalpolitik getragen werden. Bundespolitische und landespolitische Vorgaben lassen sich nicht auf alle Städte und Gemeinden ummünzen.
Warum engagieren sich nicht mehr Leute im Rat?
Ich glaube, die Politik hat einen schlechten Ruf. Das ist sehr schade, weil man gerade in der Kommunalpolitik auch unter den schlechten Rahmenbedingungen für die Städte und Gemeinden viel für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort bewirken kann. Die direkte Mitwirkung an Entscheidungen ist immer gegeben. Das ist bei der Landes- und Bundespolitik anders. Meine Nachbarn, Freunde und alle anderen Menschen aus den Dörfern, die ich vertrete, geben mir immer eine direkte Rückmeldung zu Beschlüssen oder Ideen. Diese gemeinsame Zusammenarbeit macht mir einfach Spaß. Wenn meine Partei mich nominiert, dann werde ich wieder antreten. Wir brauchen mehr Leute, die sich in den demokratischen Parteien engagieren, je bunter wir werden, desto besser.
Interview mit Manuela Thiemig: „Dumme Fragen, nette Antworten“
Manuela Thiemig (42) ist Einzelhandelskauffrau, Studentin der Psychologie und Mitglied der „Bürger für ganz Wiehl“ im Stadtrat.
Wie kamen Sie in die Politik?
Manuela Thiemig: Ein Nachbar hat mich damals bei einer Geburtstagsfeier angesprochen, in der wir über den Neubau des Gymnasiums diskutiert haben: „Willst Du das nicht einmal in einem Rahmen vortragen, in dem Dir die Entscheidungsträger zuhören?“ Dass ich dann tatsächlich für die UWG in den Rat gekommen bin, war das für mich eine Überraschung. Später habe ich mit Jürgen Poschner eine neue Ratsfraktion gegründet. Wenn alles klappt, werde ich mich 2025 wieder für die BfgW zur Wahl stellen.
Was gefällt Ihnen an der Politik?
Der Einstieg war überraschend einfach. Ich durfte dumme Fragen stellen und habe nette Antworten bekommen. Auch mit den anderen Fraktionen gab es ein Miteinander. Kommunalpolitik ist, was vor der Haustür passiert. Man kann etwas bewirken. Zum Beispiel weiß ich noch, wie viele Leute sich über den Umbau des Kurparks aufgeregt haben. Ich wusste als Mutter: Die Kleinen werden das lieben. Und ich hatte recht. An dieser Entscheidung mitgewirkt zu haben, fühlt sich gut an.
Warum engagieren sich nicht mehr Leute im Rat?
In allen Ehrenämtern ist es schwierig, neue Leute anzuwerben. In der Politik kommt dazu, dass man den Mut haben muss, eine Haltung öffentlich zu vertreten, auch wenn sie umstritten ist. Man hat auch mit eingefahrenen Meinungen zu tun. Nicht viele Menschen haben Lust, dafür ihre Freizeit zu opfern. Es gibt Abendtermine, Kinderbetreuung zu finden, ist nicht einfach. Hilfreich wäre sicherlich, wenn Mütter ihre Kinder mitbringen können, ohne dass sich jemand aufregt. Oder wenn man Sitzungen online durchführt. Oder zumindest darauf achtet, dass die Leute, die sich gern reden hören, schneller auf den Punkt kommen. Vielleicht brauchen wir auch mehr politische Bildung. Ich wusste auch nicht, wie man in den Stadtrat kommt, bis ich es selbst erlebt habe. Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, die zu wenig wahrgenommen werden, etwa Einwohnerfragestunden. Auf einer Demokratiedemo mitzulaufen, gibt einem ein gutes Gefühl. Aber man darf sich danach nicht zurücklehnen.