Lindlar/Münster – Bergisches Gestein wird am Sonntag im Blitzlichtgewitter der deutschen Medienszene stehen. Dann will Gerhard Richter in der Dominikanerkirche in Münster sein jüngstes Werk präsentieren. Viele Details zu der Installation werden noch geheim gehalten. Sicher ist: Ihr tonnenschwerer Unterbau ist aus Lindlarer Grauwacke gefertigt.
Material dem Künstler vorgestellt
Kurz vor Weihnachten 2017 stellte der Kölner Künstler seine Idee für den profanierten Kirchenbau nahe des Prinzi-palmarkts der Öffentlichkeit vor. Richter wird in der dortigen fast 30 Meter hohen Kuppel ein sogenanntes Foucaultsches Pendel installieren – der Beweis dafür, dass die Erde sich um ihre eigene Achse dreht. Denn die Richtung, in die das Pendel schwingt, bleibt immer gleich. Durch die Drehung eines mit dem Erdboden verbundenen Unterbaus bekommt der Zuschauer allerdings den Eindruck, das Pendel ändere sich. Tatsächlich ist es die Erde, die sich dreht.
Genau diese Unterkon-struktion hat der Lindlarer Steinbruchbetrieb Quirrenbach für Gerhard Richter gebaut. Eine Art Schale mit fast sechs Metern Durchmesser und fünf Tonnen Gewicht. Sie besteht aus zwölf Elementen, die wie Kuchenstücke geschnitten sind. An den Außenseiten sind 360 Striche eingraviert, die die Gradzahlen markieren. Jeder zwölfte Grad ist hervorgehoben. Wenige Zentimeter über der Grauwacke wird ab Samstag Richters Messingkugel pendeln, befestigt an einem langen Seil, das oben in der Kuppel verankert ist.
Feierliche Übergabe
Im Beisein von Mitgliedern der nordrhein-westfälischen Landesregierung, der Münsteraner Stadtspitze und Kultur-Vertretern aus ganz Deutschland wird Gerhard Richter seine Pendel-Installation am Sonntag um 11.30 Uhr offiziell an die Bürger von Münster übergeben.
Ab Dienstag, 19. Juni, ist das Kunstwerk in der Dominikanerkirche, Salzstraße in Münster, von dienstags bis sonntags zwischen 11 und 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. (sfl)
Dass der Millionen Jahre alte Sandstein einmal Bestandteil der „Zwei Grauen Doppelspiegel für ein Pendel“, wie Richter seine Kreation getauft hat, werden würde, hatte in Lindlar niemand geahnt. An einem tristen Nachmittag im Februar 2017 habe sich ein Mann auf dem Steinbruchgelände als Künstler vorgestellt, der sich für Grauwacke interessiere, erinnert sich Paco Schuster, technischer Projektleiter bei Quirrenbach. Man habe ihm einige Modelle zur Ansicht mitgegeben.
Erst durch einen Anruf einige Tage später stellte sich heraus, dass der Mann als Kunsttechniker im Auftrag Richters ins Bergische gekommen war. Der Kölner Künstler wolle sich ein Bild von weiteren Gesteinsproben machen, hieß es. Schuster packte allerlei Platten ins Auto und fuhr an den Rhein. Als „sehr netten, älteren Herrn“ hat der 28-jährige Lindlarer die Begegnung mit Gerhard Richter in Erinnerung behalten. „Aber er wusste auch genau, was er wollte.“
Man wurde einig und auf der Lindlarer Eremitage wurde fortan Gas gegeben. Schusters Kollegen holten einen tonnenschweren Block aus dem Steinbruch, Naturwerkstein-Mechaniker Florian Berster warf die Fräse an, mit Hochdruck wurde parallel nach einem Verleger mit Grauwacke-Erfahrung gesucht. „Über die Jahre werden etliche tausend Menschen dieses Kunstwerk besichtigen – da muss einfach alles perfekt passen“, sagt Schuster.
Die Lindlarer konnten Richter zudem von einer Planänderung überzeugen. Dieser wollte um die Grauwacke-Stücke einen äußeren Ring aus Marmor ziehen. Paco Schuster stellte eine Technik vor, bei der die Grauwacke speziell imprägniert wird und dadurch einen dunkleren Ton annimmt. Der innere Teil setzt sich dadurch farblich vom äußeren ab – die Idee mit dem Marmor war abgemeldet.
Kurz vor der Eröffnung sind die Kollegen im Steinbruch Quirrenbach zufrieden mit ihrem Werk und auch stolz. In den westfälischen Medien wird seit Tagen über das Geschenk des 86-jährigen Richters an die Stadt Münster berichtet. „Es ist Wahnsinn, was der Mann in seinem Leben alles geschaffen hat“, findet Schuster. „Wir sind glücklich, dass wir ihn auf diesem Weg ein Stück weit begleiten konnten.“