- Wer ist Thorgai Wilmsmann?
- Schulleiter in Nümbrecht, Bürgermeisterkandidat in Waldbröl, aber auch ein Mann mit einer spannenden politischen Vergangenheit.
- Ein Porträt.
Waldbröl/Bünde – „Schon erstaunlich“, sagt Thorgai Wilmsmann: „Ausgerechnet jetzt, wo ich in die Politik zurückkehre, bestimmt ein Thema die Debatte, das mich schon vor mehr als 35 Jahren politisiert hat.“ Denn Wilmsmann, 54 Jahre alt, Schulleiter des Homburgischen Gymnasiums in Nümbrecht und seit kurzem von einem breiten Bündnis zum Kandidaten für die Bürgermeisterwahl 2020 in Waldbröl auserkoren, hat eine politische Vergangenheit, die weit über die aktuelle Diskussion rund um die „Fridays for Future“ zurückreicht bis tief in die 1980er Jahre – bis in die Anfänge der Grünen in Deutschland.
Konkurrenzkampf statt Freundschaft
Von 1984 an saß der damals 19-jährige Wilmsmann für die Grünen im Rat seiner Heimatstadt Bünde – eine Stadt in Ostwestfalen nördlich von Bielefeld. Wenn Wilmsmann sich an seine politischen Anfänge und an die der Grünen in Bünde erinnert, sagt er: „Wir wollten die Welt aus den Angeln heben – und landeten plötzlich in Debatten von der Friedhofssatzung bis zum Straßenbau, von Feuerwehr bis Baumschutzsatzung.“
Eine gute Schule für einen Weg in die größere Politik – das dachte später vielleicht auch der junge Student der Geschichte und der Sozialwissenschaften. Nicht nur in Bünde, sondern auch als Delegierter auf Landes- und Bundesebene sammelte er erste Erfahrungen. Nicht nur gute allerdings, wie er sagt: „Man merkt, dass persönliche Beziehungen und Freundschaften zu Ende sind, wenn plötzlich die Konkurrenz da ist und mit harten Bandagen gekämpft wird.“
Ein Grund, warum er sich gegen Politik als Beruf entschied. Wilmsmann selbst spricht von einem biografischen Wechsel – verbunden auch mit dem Jahr 1993, als er in Leverkusen sein Referendariat als Lehrer begann. „Ich bin zwar eine Zeit lang noch gependelt. Aber dann kam der Punkt, wo man sich überlegt, ob das so noch klappt.“
Von den Grünen in den 90er Jahren entfremdet
Wilmsmann verhehlt aber nicht, dass sein Abschied von den Grünen auch politische Gründe hatte: „Es war die Zeit des Streits zwischen Fundis und Realos. Und ich war ein Fundi.“ Die Entwicklung der Partei bis hin zur Zustimmung für die Auslandseinsätze im ehemaligen Jugoslawien Ende der 90er Jahre hätten ihn immer mehr von der Partei entfremdet. Wilmsmann konzentrierte sich auf den Job, kam 1996 als Lehrer an die Gesamtschule nach Waldbröl. Er lebte erst in Hermesdorf, zog später nach Rossenbach und übernahm 2008 schließlich die Schulleitung in Nümbrecht. Mit Erfolg: „Aus zweieinhalb Zügen damals sind vier geworden“, stellt Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius anerkennend fest, wenn er über Wilmsmann spricht.
Heute, sagt Wilmsmann, habe er ohnehin einen ganz anderen Blick auf Politik. Als Außenstehender aber: „Gerade als Schulleiter habe ich eine positivere Sicht bekommen auf die Möglichkeiten, etwas Gemeinsames auch über Parteigrenzen hinweg auf die Beine zu stellen – zum Beispiel beim Projekt für den Bildungscampus in Nümbrecht.“ Dass er gerade jetzt – mitten in den Vorbereitungen für dieses fast 21 Millionen Euro teure Projekt – von der Schule in die Politik zurück will, erklärt Wilmsmann auch mit solchen unverhofften Gemeinsamkeiten – ausgerechnet in Waldbröl, wo das politische Klima zuletzt eher von unversöhnlichen Gegensätzen geprägt war. Deshalb macht er sich auch keine Gedanken, wenn CDU und SPD bei seiner Kür ganz offen über die Absagen sprechen, die es gegeben hat. Ein Lückenbüßer? Wilmsmann lächelt: „So habe ich mich nie gesehen.“ Dann denkt er nach und sagt schließlich: „Vielleicht sollte man es so ausdrücken: Einige haben einfach ein bisschen länger gebraucht, bis sie von den Vorzügen eines gemeinsamen Kandidaten über Parteigrenzen hinweg überzeugt waren.“
Provokateur im Dienste der Umwelt
Dass er als Schulleiter trotz seiner kommunalpolitischen Vergangenheit nicht wirklich über viel Erfahrung mit einer Stadtverwaltung verfügt, sieht er gelassen: „Da wird es Bereiche geben, in denen ich mich auf die Mitarbeiter verlassen muss – falls ich wirklich Bürgermeister werde . . .“ Den korrekten Sprachgebrauch bis zur Wahl beherrscht Wilmsmann schon.
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Was ist übrig geblieben vom jungen Fundi? Was macht der früher ökologisch so bewegte Schulleiter heute zum Beispiel mit freitags demonstrierenden Schülern? „Bei uns gab es bisher nicht so viele Fälle. Aber wenn, haben wir Fehlstunden aufgeschrieben.“ Schließlich müssten die Schüler auch wissen, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat – egal, ob man den Grund als Lehrer gut finde oder nicht: „Auch das ist Teil des Lernprozesses.“
Wilmsmann weiß ja, wovon er spricht. Er kennt die Rolle als Provokateur im Dienste der Umwelt. Doch heute hat er eine andere Rolle: als Schulleiter. Und zurück in der Politik.
Auf den Spuren eines ostwestfälischen Fundis
In Ostwestfalen können sich einige noch hervorragend an den jungen Thorgai Wilmsmann erinnern. So wie Hilko Raske, seit 1990 als Redakteur beim Westfalen-Blatt in Bünde. „Das liegt ziemlich lange zurück, aber ich weiß noch, dass er sehr eloquent war.“ Für den Reporter sei es aber nicht immer einfach gewesen, Wilmsmanns philosophischen Gedanken zu folgen, erzählt Raske schmunzelnd: „Er sprach in sehr langen Sätzen mit komplexem Satzbau. Das waren wortgewaltige Beiträge, die Eindruck hinterlassen haben.“
Die Selbsteinschätzung des heute 54-Jährigen als Fundi kann nicht nur Raske, sondern auch Angela Holstiege bestätigen. Holstiege saß damals zeitweise mit Wilmsmann und seinen Eltern für die Grünen im Rat. „Die Wilmsmänner waren Mitglieder der ersten Stunde“, erzählt Holstiege. Sie kennt ihn nicht nur aus der Politik: „Ich war auch seine Sowi-Lehrerin.“ Ihren früheren Schüler, der später selbst dieses Fach unterrichten sollte, beschreibt sie in der Rücksicht als sehr fleißig: „Er war kein Überflieger, aber auf jeden Fall ein guter Schüler.“
Politisch gab es zwischen Lehrerin und Schüler irgendwann eine größere Distanz – obwohl sie in derselben Partei war. „Er war ziemlich dogmatisch, ich nicht. Das hat zu Diskussionen geführt“, erinnert sie sich. Zum Beispiel, wenn es darum ging, keine neuen Gewerbegebiete auszuweisen: „Da habe ich gesagt, dass wir es nicht allein in Bünde schaffen werden, den Kapitalismus zu überwinden.“ In den 90er Jahren seien die Grünen und die „Wilmsmänner“ getrennte Wege gegangen. Zur Wahl 1994 sei die Familie mit einer eigenen Liste angetreten. Mit überschaubarem Erfolg: Die Grünen holten neun Prozent der Stimmen in Bünde, die „Alternative Liste“ nur 1,55 Prozent.
Spuren hat der politische Streit bei Holstiege nicht hinterlassen. „Das ist ja schon 25 Jahre her. Er ist sicher vernünftiger geworden. Sonst wäre er ja heute nicht Schulleiter“, sagt sie lachend. Die ehemalige Lehrerin kann sich sogar vorstellen, dass sie gerne unter einem Schulleiter Wilmsmann gearbeitet hätte. Und sie sagt auch: „Also, wenn ich dürfte, würde ich ihn zum Bürgermeister wählen.“ (kmm)