AboAbonnieren

Konflikte in der KolpingstadtDie Top-Nachrichten aus Kerpen in 2022 – ein Rückblick

Lesezeit 7 Minuten
Polizisten führen eine Demonstrantin im Hambacher Forst ab.

Polizisten bei einem Einsatz im Hambacher Forst.

Hambacher Forst, Rathaus, Schule, Schwimmbad – das Jahr 2022 hat in Kerpen für viele Schlagzeilen bei unterschiedlichen Themen gesorgt. Ein Rückblick in Monaten.

Aus der Politik

Personalnot im Kerpener Rathaus

Die Kolpingstadt leidet unter Personalnot. Ein Problem ist nicht nur der hohe Krankenstand. 172 städtische Mitarbeiter waren sechs Wochen oder länger krank. Seit 2019 fehlt außerdem ein Erster Beigeordneter. Und dann wählte der Stadtrat im Januar auch noch den langjährigen Technischen Beigeordneten in einer Sondersitzung ab. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Technischen Beigeordneten sei „nicht zielführend“ – so begründete die Verwaltung Joachim Schwisters Abwahl.

Monatelang fiel Schwister krankheitsbedingt aus. Dabei war der Beigeordnete erst 2021 für acht Jahre wiedergewählt worden – und das obwohl CDU und Grüne schon damals die Stelle neu ausschreiben wollten.

Ein Paukenschlag in Kerpen

Im Januar folgte der Paukenschlag: 45 Ratsmitglieder unterschrieben den Antrag auf Abwahl. Für die Stadt wird das teuer. Schwister hat einen Anspruch auf 350.000 Euro – sein Ruhegehalt beträgt rund 6000 Euro im Monat. Ersatz für Schwister fand die Verwaltung im September in Bauingenieur Thomas Marner. Ein breites Fraktionsbündnis aus CDU, SPD, Grünen, Linken und BBK unterstützte die Wahl des Kölners. Marner war bereits Beigeordneter in Wermelskirchen und tritt sein Amt in Kerpen im Januar an. Die Stelle des Ersten Beigeordneten ist seit Anfang 2019 vakant.

Der im Februar 2020 gewählte Mahmoud Al-Khatib (SPD) trat sein Amt nie an. Zweimal klagte Al-Khatib gegen die Stadt Kerpen: Nach dem ersten Wahldurchlauf im Frühjahr 2019 und nach seiner Wahl ein Jahr später. Al-Khatib bezweifelte zunächst die Fähigkeiten seines Gegenkandidaten. Dann stellte er vor Gericht einen Eilantrag auf Erlass einer einstwilligen Anordnung, um doch noch Beigeordneter zu werden. Die Klage blieb erfolglos. Das Gericht aber entschied, dass die freie Stelle so lange nicht besetzt werden dürfe, wie noch nicht über das Eilverfahren entschieden sei.

Im November endete die Bewerbungsfrist für die Stelle des Ersten Beigeordneten. Noch wertet die Verwaltung die Bewerbungen aus. Er sei zuversichtlich, dass die Stelle bald besetzt werden könne, sagte Stadtsprecher Harald Stingl. Im April schlug Bürgermeister Dieter Spürck eine andere Lösung für das Beigeordnetenproblem vor: Sie sollten durch Dezernenten ersetzt werden. Das lehnte der Stadtrat aber ab.

Nachrichten in Monaten

Januar: Die alte Kirche in Manheim bleibt

Das Schicksal des alten Manheim beschäftigt die Kerpener Politik erneut. In einer dringenden Sondersitzung des Planungsausschusses ist die Manheimer Bucht Thema. Das Unternehmen RWE will den ganzen Ort für den Tagebau Hambach abbaggern, eine Allianz von Umweltschützern schlägt unter anderem einen Kompromiss vor, der die alte Kirche in Manheim ausspart – am Ende mit Erfolg.

Februar: Streit um Kerpener Wald

Ein Brückenneubau und tote Bäume im Kerpener Bruch sorgen für Streit zwischen Naturschützern und dem Forstamt. Letzteres will eine marode Holzbrücke durch ein massives 40-Tonnen-Bauwerk ersetzen lassen, um mit Schwertransporten gefällte Bäume aus dem Wald zu transportieren. Mitglieder des BUND kritisieren das. Sie fordern, dass ein größerer Teil der Kerpener Wälder sich selbst überlassen werden sollte.

März: Ministeriumsweisung an Stadt war rechtswidrig

Einen Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Stadt Kerpen werfen die Stadtratsfraktionen von SPD, Grünen und Linken Landesministerin Ina Scharrenbach (CDU) vor. Scharrenbach hatte den Bürgermeister angewiesen, gegen das Urteil zur Räumung des Hambacher Forstes in Berufung zu gehen. Das Kölner Verwaltungsgericht kommt zu dem Schluss, dass die Weisung der Ministerin rechtswidrig war.

April: Sorge um Existenz der Realschule Mater Salvatoris

Kein Geld mehr für die Realschule Mater Salvatoris – das Erzbistum Köln will die Schule in Trägerschaft der Salvatorianerinnen nicht länger finanzieren. Für die Kolpingstadt bedeutet das, dass sie den größten Teil der Schulkosten übernehmen wird. Der Stadtrat einigt sich darauf, die Schule ab 2023 mit 129.000 Euro jährlich zu unterstützen. Auch die Hälfte des Eigenanteils der Schule übernimmt sie.

Mai: Kerpener Schüler werden Deutsche Meister im Schach

Erfolgreicher Nachwuchs aus Kerpen: Die Schachmannschaft des Europagymnasiums sichert sich in Hannover den Deutschen Meistertitel bei den Schulschachmeisterschaften. Die sechs Schüler aus Kerpen setzen sich bei den Meisterschaften gegen 19 andere Mannschaften aus ganz Deutschland durch. Am Ende sind sie mit fünf Siegen, einem Unentschieden und nur einer Niederlage knapp überlegen.

Die Gewinner halten ihren Pokal in der Hand.

Die Schachschulmannschaft des Gymnasiums Kerpen, Europaschule, wurde Deutscher Schulschachmeister.

Juni: Windkraft soll ausgebaut werden

Die Stadt setzt auf Windkraft und beschließt deren Ausbau. Die Verwaltung plant elf neue Windräder im ganzen Stadtgebiet. Drei Windräder sollen in der Nähe des Türnicher Gewerbegebietes entstehen, drei weitere in der Berrenrather Börde östlich von Türnich, fünf in der Nähe von Buir. Und auch beim Tagebau Hambach, im Gebiet um das alte Manheim, vermutet die Verwaltung Potenzial für mehr Windkraft.

Juli: Stadt geht gegen Mountainbiker vor

Gegen Kinder, die im Brüggener Wäldchen Mountainbike fahren, geht die Stadt hart vor. Das stößt bei Eltern, aber auch bei Umweltschützern und Lokalpolitikern auf Unverständnis. Sie fordern, die von den Kindern im Wäldchen angelegte Strecke zu legalisieren. Erst im Herbst endet die Diskussion um die Nachwuchs-Mountainbiker. Die Stadt erklärt die Strecke für illegal. Zu groß sind die Naturschutzbedenken.

August: Das Freibad in Türnich wird 70 Jahre alt

Jahrelang galt es als das meistbesuchte Schwimmbad der Region: Das Freibad in Türnich feiert im August sein 70-jähriges Bestehen. Die Türnicher feiern deshalb ein großes Fest mit Musikern und einem Stelzentheater. Von der Energiekrise sind die Türnicher während der Feier nicht betroffen. Weil das Bad seit 1999 eine solarbetriebene Absorberanlage besitzt, bleibt das Wasser trotz Gasmangels warm.

Der Eingang des Schwimmbads vor 70 Jahren.

Groß gefeiert wurde die Eröffnung des Bades vor 70 Jahren.

September: Stadt zahlt hohe Summen für Jugendliche

Rund eine Million Euro jährlich zahlt Kerpen für eine Jugendliche. Das verhaltensauffällige Mädchen muss unter anderem von einem Sicherheitsdienst rund um die Uhr betreut werden. Die Gefahr ist zu groß, dass sie sich selbst oder andere Menschen verletzt. Um dem Mädchen zu helfen, arbeitet die Stadt eng mit der Jugendpsychiatrie zusammen und sucht nach qualifiziertem Personal.

Oktober: Neues Wohn- und Gewerbegebiet in Sindorf

Neues Quartier in Sindorf: Um die alte Glashütte an der Hüttenstraße soll ein neues Wohn- und Gewerbegebiet entstehen. Die Stadt hat verschiedene Pläne für das 19 Hektar große Areal. Auch die Bürger sollen ihre Ideen für die Entwicklung des Quartiers einbringen. Fest steht bereits: Teile der alten Fabrik will die Stadt erhalten – sie seien identitätsstiftend für Sindorf. Denkmalgeschützt ist die Glashütte aber nicht.

November: Aluminiumbrücke soll Holzbrücke ersetzen

Die Mängelliste der Brücke über die Kreisstraße 39n in Sindorf ist eine unendliche Geschichte. Seit mehr als einem Jahrzehnt werden Jahr für Jahr nur ein paar Balken der maroden Holzbrücke ausgetauscht – sehr zum Ärger der Bürger. Im November kündigt die Kolpingstadt eine Dauerlösung an: Das Bauwerk soll einer soliden Aluminiumbrücke weichen. Ein Bautermin steht allerdings noch nicht fest.

Dezember: Beirat und Eltern fordern wärmere Schwimmbecken

Das Wasser in den Schwimmbädern sei wegen der Energiekrise zu kalt. Das sagen der Behindertenbeirat und die Eltern Kerpener Schüler. Sie fordern, dass die Stadtverwaltung die Wassertemperaturen wieder auf das ursprüngliche Niveau erhöht. Eine Elternpetition scheitert. Der Behindertenbeirat aber erzielt einen kleinen Erfolg: Drei Tage pro Woche bleibt die Temperatur im Lehrschwimmbecken hoch.

Das war sonst noch los

Bauarbeiten für Bürgerzentrum

Im März haben die Bauarbeiten für das Bürgerzentrum an der Maastrichter Straße begonnen. Das Bürgerzentrum ist Teil des Städteförderungsprogramms Isek. Betreiber wird der Awo-Regionalverband Rhein-Erft und Euskirchen. Das Gebäude wird laut Stadt Kerpen Anfang 2023 fertiggestellt.

Café soll Lidl-Plänen weichen

Der beliebten Eisdiele „Scarzanella“ droht das Aus. Das Unternehmen Lidl plant den Umbau der Hahnenpassage – und dieser betrifft auch die Eisdiele. Lidl will den vorderen Teil der Passage 2023 abbrechen. Die Stadtverwaltung setzt sich für den Erhalt des Cafés ein.

Bürger entscheiden über neues Quartier

Das Jahnstadion zieht in den nächsten Jahren um. Neben dem Rathaus wird deshalb eine Fläche frei, auf der ein neues Wohngebiet entstehen soll. Auch die Bürger konnten eigene Ideen für das neue Quartier einbringen. Noch werden die Vorschläge ausgewertet.

Protest gegen mehr Gewerbe

130 Hektar für Handel und Industrie – geht es nach der Stadtverwaltung, soll in den nächsten Jahren auf einem Acker zwischen Gymnich und Kerpen ein neues Gewerbegebiet entstehen. Doch Bürger und Naturschützer wehren sich mit einer Unterschriftenliste dagegen. Im August hatte der Stadtrat beschlossen, den Acker an der L 162 in den Regionalplan der Bezirksregierung aufzunehmen.

Die Ratsfraktionen von CDU und SPD begründeten das mit den Möglichkeiten, die ein weiteres Gewerbegebiet dem Standort Kerpen biete. Protest kam im Planungsausschuss hingegen von den Grünen. Im September begehrten dann auch Anwohner und der BUND auf. Sie sammelten mehr als 1000 Unterschriften und legten sie der Verwaltung vor.

Als Argumente gegen das Gewerbegebiet führten sie unter anderem den Natur- und Hochwasserschutz ins Feld. Bürgermeister Dieter Spürck versuchte, die Wogen zu glätten: Es sei noch gar nicht entschieden, dass überhaupt ein Gewerbegebiet entstehe. Bis Januar sammeln die BUND-Ortsgruppe und die Anwohnerinitiative weitere Unterschriften.