- Es wird Zeit: Der Kohleausstieg ist auf dem Weg. Noch in diesem Jahr soll der erste Kraftwerksblock stillgelegt werden, und das Rheinische Revier hat beim Aus für die Kohleverstromung einen großen Teil der Last zu tragen.
- Ein kräftiger Strukturwandel für die Region steht also bevor. Zahlreiche Projekte stehen auf der Agenda.
- Wir geben einen Überblick.
Rhein-Erft-Kreis – Nun liegen sie also vor, 83 Projekte, die dafür sorgen sollen, dass der Strukturwandel im Rheinischen Revier endlich greifbar wird und Fahrt aufnimmt. 17 von ihnen sind im Rhein-Erft-Kreis verortet. Der Aufsichtsrat der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) hat dieses Paket per Beschluss am Dienstag im Feierabendhaus in Hürth auf den Weg gebracht. Die Projekte sollen nun weiterentwickelt werden.
Es wird Zeit: Der Kohleausstieg ist auf dem Weg. Noch in diesem Jahr soll der erste Kraftwerksblock stillgelegt werden, und das Rheinische Revier hat beim Aus für die Kohleverstromung einen großen Teil der Last zu tragen.
Kurzfristige Effekte
„Wir erwarten einen kräftigen Schub für den Strukturwandel im Rheinischen Revier“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der ZRR, Wirtschaftsstaatssekretär Christoph Dammermann. Und der Geschäftsführer der ZRR, Ralph Sterck, ergänzt: „Die Projektliste wurde so zusammengestellt, das bereits kurzfristig Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte im Rheinischen Revier entstehen.“
Unter den Projekten sind alte Bekannte wie die „Klimahülle“, eine Traglufthalle, die schon 2016 als gemeinsames Projekt von Bergheim, Bedburg und Elsdorf für zukunftsorientierte Unternehmen vorgestellt wurde, oder der Campus Rhein-Erft der TH Köln in Erftstadt. Aber auf der Liste stehen auch Vorhaben, die bisher noch keine öffentliche Aufmerksamkeit genossen haben, etwa das „AI-Village“ für künstliche Intelligenz in Hürth.
Brief an Merkel
In einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel haben die Bürgermeister der Braunkohlenreviere der Lausitz, Mitteldeutschland und des Rheinischen Reviers appelliert, im Braunkohleausstieg Planungssicherheit zu geben. So müsse etwa die Strukturstärkung in Höhe von 40 Milliarden Euro verbindlich sein und für die nächsten 20 Jahre abgesichert werden, heißt es in dem Schreiben, das auch vom Bedburger Bürgermeister Sascha Solbach und seinem Elsdorfer Kollegen Andreas Heller unterzeichnet wurde.
Auch wichtig sei eine Fokussierung auf die Kernreviere, wo Arbeitsplätze wegfielen: „Ein großzügiges Förderkonzept der Gießkanne lehnen wir ab.“ Auch solle die bestehende regionale Wirtschaft gesondert gefördert und Planungsverfahren beschleunigt werden. Auch die Sonderplanungszonen für die Kernreviere brachten die Politiker erneut ins Spiel. (dv)
Weitere Projekte auf der Liste: Für Bergheim ist ein Wärmespeicherkraftwerk vorgesehen, für Elsdorf ist die Wiederbelebung des Zuckerfabrikgeländes mit einem „Food-Campus“ ins Auge gefasst, ebenso eine weitere Förderung des virtuellen Kraftwerks Quirinus (siehe Kasten). Bis zu 200 Arbeitsplätze sollen in einem Großlabor in Bergheim entstehen, und mit den Linien Köln-Niederaußem und Frechen-Kerpen sind gleich zwei Stadtbahnstrecken Teil der Projekte.
„Es war ein hartes Ringen von allen Beteiligten, denn immerhin geht es um die Zukunft einer ganzen Region und die Neugliederung von gewachsenen Wertschöpfungsketten“, sagt Landrat Michael Kreuzberg, der das Rheinische Revier auch schon in der sogenannten Kohlekommission vertreten hat.
Nie dagewesene Herausforderungen
„Aber vor allem geht es um die Menschen im Revier, die Klarheit und Planungssicherheit brauchen.“ Der Abbau von 2,4 Gigawatt Kraftwerksleistung bis zum Jahr 2022 stelle das Revier vor nie dagewesene Herausforderungen. Wichtig sei, „dass die Strukturförderung durch ein umfangreiches Sofortprogramm schon in diesem Jahr begonnen werde“. Dafür aber muss das Strukturstärkungsgesetz vom Bund bald auf den Weg gegeben werden.
Die Empfehlung durch den ZRR-Aufsichtsrat bedeutet für jedes Projekt jedoch noch nicht das Startsignal, sondern nur den ersten von drei Sternen auf dem Weg zur Umsetzung. Ende August oder Anfang September vergibt der Aufsichtsrat dann nach einem Statusbericht der Landesregierung den zweiten Stern für antragsreife Projekte.
Den dritten Stern für bewilligungsreife Projekte gibt es, wenn ein „erfolgreich identifizierter Förderzugang bei Bundes- oder Landesregierung als Zukunftsprojekt des Strukturwandels im Rheinischen Revier“ verzeichnet wird.
Elsdorfer Unternehmen ist Bundesweit erstes Kompetenzzentrum
Längst vorbei sind die Zeiten, dass der Strom allein aus Kraftwerken kam. Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft helfen – seit Jahren ansteigend – kräftig mit, damit der Strom zuverlässig aus der Steckdose kommt. Die Koordination und das Zusammenspiel der Energieträger stellt die Wissenschaft vor neue Herausforderungen.
Die Weiterentwicklung der Kompetenz der Fachkräfte in Wissen und Technik hat sich das Heppendorfer Unternehmen SME im Projekt Quirinus auf die Fahne geschrieben. Jetzt kam Regierungspräsidentin Gisela Walsken nach Heppendorf um SME-Chef Kurt Vetten eine Förderzusage über 300 000 Euro zu überbringen. Seit mehr als drei Jahren betreibt Quirinus ein virtuelles Kraftwerk, in dem Angebot und Nachfrage erhoben und reaktionsschnell aufeinander abgestimmt werden können. Jetzt soll das Quirinus-Forum als bundesweit erstes Kompetenzzentrum zur Spezialisten-Schmiede für die hochspannende Branche werden. Sie sollen auch künftig die regionale Energieversorgung garantieren und dabei Klimaschutz und Netzstabilität gleichberechtigt im Blick halten. „Das Vertrauen in dieses Projekt und dessen Bedeutung wird nochmals durch den getragenen Eigenanteil unterstrichen. Es ist ein starkes Signal in Richtung Strukturwandel und genießt einen hohen Stellenwert“, stellte Walsken im Heppendorfer Forum heraus.
„Leuchtturmprojekt im Strukturwandel“
Weitere 300.000 Euro investiert SME in die Infrastruktur und die technische Ausstattung für das „Leuchtturmprojekt im Strukturwandel“, wie Landrat Michael Kreuzberg das Quirinus-Forum nach Übergabe der Förderzusage einsortierte. In dem ambitionierten Projekt soll zur Aufrechterhaltung der regionalen Energiesicherheit der Wissensaustausch, die Vernetzung, die Informationsverbreitung und die Kooperation zwischen den beteiligten Akteursgruppen grundgelegt und intensiviert werden. In der „Heppendorfer Erklärung“ hatte sich im vergangenen Jahr eine Industrieallianz für regionale Energiesicherheit für die Energie- und Produktionssicherheit nach dem Atom- und Kohleausstieg gebildet und Vorschläge erarbeitet, die das Quirinus-Forum jetzt umsetzen will.
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„Um bei der Energiesicherheit handlungsfähig zu sein, braucht es praxisorientierte Qualifizierung. Darüber hinaus ist ein Kompetenztransfer über unternehmens- und branchenübergreifende Netzwerke zur Energiesicherheit notwendig“, erläuterte Vetten die selbstgestellten Anforderungen an Schulung, Training und Weiterbildung am „Ort des Wissens, und des Austauschs“.
www.rheinisches-revier.de