Eine der wichtigsten romanischen Kirchen des Rheinlandes wird nach vierjähriger Sanierung wieder eröffnet.
Das Bonner Münster wurde statisch gesichert und restauriert.
Bonn – Aus dem Dunklen ins Licht: Wer das Innere des Bonner Münsters kannte, wird sich an eine zumeist düstere Kirche erinnern. Ruß und Schmutz hatten sich auf Altäre, Bilder, Wände, Gesims und Bleiglasfenster gesetzt, ein paar Lampen, eher Funzeln, konnten nur wenig Helligkeit in die Basilica Minor, architektonisch eine Synthese aus Romanik und Gotik, bringen.
Das Bonner Münster leuchtet wieder
Und jetzt: Das „europäische Monument“, wie der Bonner Kunsthistoriker Heinrich Lützeler das Münster nannte, leuchtet wieder. Vor vier Jahren wurde mit der Generalsanierung begonnen, 22 Millionen Euro haben das Erzbistum und die Münster-Gemeinde in die Baumaßnahme gesteckt. Kosten- und Zeitrahmen seien eingehalten worden, freut sich am Donnerstag Stadtdechant und Münster-Pfarrer Wolfgang Picken. Die Kirche wurde statisch gesichert und mit Stahlankern im Gewölbe versehen, an der Fassade wurden fast sämtliche Steine, brüchig geworden durch Taubendreck und rostige Nägel, ausgetauscht oder ergänzt.
Alle Fenster wurden geputzt, die sieben barocken Alabasteraltäre mit Lasertechnik gereinigt, so dass sie nun wie durchsichtig wirken. Das Deckenmosaik mit einem großen Christusmotiv im Hochchor, der bis 1802 nur den Kanonikern des Cassius-Stifts vorbehalten war, leuchtet in satten Farben, Altarbilder wurden aufgefrischt. Ab dem 31. Oktober dürfen sich Besucher das Ergebnis der Sanierung anschauen. Und sie werden staunen, denn das große Bonner Gotteshaus ist fast leergeräumt.
„Ein ganz erhabener Moment“, sagt der Münster-Pfarrer, breitet die Arme aus mitten im Kirchenschiff, das einen freien Blick auf den Hochaltar bietet. Zuletzt waren beim Weltjugendtag 2005 für ein Treffen der Kommunität von Taizé die Bänke abtransportiert worden, und sie sollen auch erst im Februar 2022 wieder hingestellt werden. Der Stadtdechant öffnet für drei Monate den sakralen Raum der zeitgenössischen Kunst. Die seit 35 Jahren in Bonn ansässige Stiftung für Kunst und Kultur und vor allem ihr Vorsitzender Walter Schmerling, Direktor des Museums Küppersmühle in Duisburg, haben den Kontakt zu fünf Künstlerinnen und Künstlern hergestellt, die das mittelalterliche Kirchenschiff bespielen.
Die Stiftung hat der Stadt Bonn seit 2014 für den öffentlichen Raum vier Großskulpturen renommierter Bildhauer als Leihgabe spendiert, über die in der Bürgerschaft kontrovers diskutiert wird. Als im vergangenen Jahr eine zwei lange Beine plus Handtasche zeigende Plastik namens „Walking Bag“ des Österreichers Erwin Wurm dazu kommen sollte, kochte die konservative Seele des Rheinländers. „Auf Bonn liegt ein wenig Mehltau“, befand dieser Tage Telekom-Chef Timotheus Höttges über die Stadt, in der sein Konzern beheimatet ist und der neben der Volksbank Köln Bonn die Schau sponsert.
Auch Werk von Gerhard Richter in der Ausstellung
Die katholische Kirche und die Kunststiftung wollen den Mehltau mit der Ausstellung vorsichtig wegblasen und neue Perspektiven aufzeigen. Monica Bonvicini, Anthony Cragg, Heinz Mack, Mariele Neudecker und Gerhard Richter sollen unter dem Ausstellungstitel „Licht und Transparenz“ mit Installationen, Bildern und Skulpturen für Diskussionen sorgen und wohl auch provozieren.
Geschichte der Münsterbasilika
575 Etwa um dieses Jahr wird eine erste Kirche über einem antiken Gräberfeld errichtet an Stelle einer (1928 ausgegrabenen) Grabkapelle. Die Verehrung frühchristlicher Märtyrer um die Heiligen Cassius und Florentius setzt ein. An der Kirche entsteht gut 200 Jahre später eine klosterähnliche Gemeinschaft, das spätere Cassius-Stift. Es besteht bis 1802.
1050 Stiftskirche, Kreuzgang und Stiftsgebäude werden neu gebaut.
1135 Das Stift erhält Reliquien der heiligen Kaiserin Helena, Mutter Konstantins des Großen. Fünf Jahre später beginnt unter Propst Gerhard von Are die Erweiterung der Kirche, die 1240 abgeschlossen wird. 1166 lässt Gerhard in Anwesenheit des Kölner Erzbischofs Rainald von Dassel die Gebeine der Märtyrer aus den Gräbern zur Ehre der Altäre erheben.
1274 Engelbert II. wird als erster von vier Kölner Erzbischöfen im Münster beigesetzt (es folgen Siegfried von Westerburg, Heinrich II. und Ruprecht von der Pfalz).
1314 Friedrich der Schöne wird in Bonn zum König gekrönt. 1346 folgt Karl IV.
1956 Das Münster wird päpstliche Basilica minor. 1980 betet Johannes Paul II. vor dem Schrein der Stadtpatrone.
2017 Beginn der Generalsanierung. (EB)
So hat Cragg eine Holzskulptur mit dem Titel „Lost in Thought“ (Gedankenverloren) im Hochchor neben den Tabernakel platziert, in dem das Allerheiligste aufbewahrt wird. Cragg habe damit die Anwesenheit des Menschen der Anwesenheit Gottes gegenübergestellt, interpretiert Pfarrer Picken den Stellplatz des Kunstwerks. Der Dialog von Kunst und Kirche biete die Chance, das Münster nach Jahren der Schließung wieder in die Erinnerung aller Bonnerinnen und Bonn zu rücken, sagt der Stadtdechant.
In einer Zeit der „zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung und Sprachlosigkeit“ reiche es nicht aus, eine Kirche „nur“ zu restaurieren, sie müsse sich auseinandersetzen. „Wir müssen auch äußerlich zeigen, dass sich die Kirche öffnet für Begegnung und Veränderung“. Ausstellungskurator Smerling sieht das Münster als „idealen Ort für den offenen Dialog zwischen Kunst, Kirche und Gesellschaft.“
Festhochamt zur Wiedereröffnung des Bonner Münsters
Die Wiedereröffnung wird am Sonntag mit einem Festhochamt gefeiert. Das hat nicht nur bei evangelischen Christen für Missstimmung gesorgt, die an diesem Tag das Reformationsfest begehen. Der ehemalige Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, der zur Messe geladen war, sagte verärgert ab. Beide Seiten verständigten sich auf eine rheinische Lösung: Das Hochamt mit rund 1000 Gläubigen beginnt, statt wie geplant um 18 Uhr, eine Stunde früher. Der Festgottesdienst der Protestanten fängt um 19 Uhr an, so dass, wer will, an beiden Veranstaltungen teilnehmen kann.