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Führungstandem bei der Caritas Rhein-SiegZwei Frauen, zwei Familien, eine Führungsposition

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Frauen stehen an beiden vorderen Türen eines Autos, als wollten sie gerade einsteigen - auf dem Wagen steht „Caritas Rhein-Sieg“.

Judith Finke und Theresia Engel von der Caritas Rhein-Sieg teilen sich die Fachbereichsleitung der Ambulanten Pflege und Betreuungsdienste.

Theresia Engel und Judith Finke teilen sich eine Führungsposition - dieses „Tandem“ soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen.

Frauen sind in Führungspositionen noch immer stark unterrepräsentiert. Ein häufiger Grund ist, dass sie nach wie vor mehr Sorgearbeit übernehmen als Männer. Insbesondere für Frauen, die Kinder haben, ist das Erreichen oder Behalten einer Führungsposition damit oft schlicht nicht vereinbar.

Theresia Engel und Judith Finke sind beide Mütter - und Fachbereichsleiterinnen der Ambulanten Pflege und Betreuungsdienste beim Caritasverband Rhein-Sieg. Gemeinsam bilden sie ein „Führungstandem“: In Teilzeit arbeitend, teilen sie sich die Führungsposition auf, was es für sie einfacher macht, die Betreuung ihrer Kinder zu organisieren.

Caritas Rhein-Sieg wollte beide Mitarbeiterinnen halten, was das Tandem-Modell ermöglichte

Seit April 2023 arbeiten Finke und Engel auf diese Weise zusammen. Die Idee des Kreiscaritasdirektors Harald Klippel sei nicht von vornherein gewesen, das Modell Führungstandem unbedingt ausprobieren zu wollen, sagt Pressesprecherin Dörte Staudt. Primär habe er nach einer Möglichkeit gesucht, beide Mitarbeiterinnen trotz der Herausforderung Familienvereinbarkeit zu halten.

Sie sei nicht von Anfang an von der Tandem-Idee überzeugt gewesen, sagt Theresia Engel: „Ich habe damals zu Herrn Klippel gesagt, dann haben Sie doch irgendwann zwei Leute mit den gleichen Rahmenbedingungen da sitzen. Beide haben schulpflichtige Kinder und müssen in den Ferien Urlaub nehmen.“ Er habe sich aber darauf einlassen wollen - und es hat funktioniert. Zusammen sind Finke und Engel für 192 Mitarbeitende verantwortlich.

Man muss grundsätzlich einen Schulterschluss bilden können und in die gleiche Richtung schauen.
Judith Finke, Fachbereichsleitung

Zwischen beiden stimmt die Chemie: „Man muss grundsätzlich einen Schulterschluss bilden können und in die gleiche Richtung schauen. Weil das gepasst hat, haben wir uns das Experiment zugetraut“, sagt Judith Finke. 

Ein gleiches Verständnis von Führung sei ebenfalls zentral. „Es gibt ja so Alpha-Tiere, die immer höher, schneller, besser wollen – und das so als Karriere-Ranking sehen, ich möchte mich in dieser Position besser behaupten als der andere“, sagt Judith Finke. Das spiele zwischen ihr und Theresia Engel überhaupt keine Rolle: „Wir halten zusammen wie Pech und Schwefel – wir sind ein Tandem, wir gehen da gemeinsam rein und behalten für uns beide im Blick, dass wir da gut rauskommen.“

Ohne unterstützendes Netzwerk würde das Tandem nicht funktionieren

Ein Verständnis für die Situation der jeweils anderen, die ebenfalls die Betreuungsarbeit von Kindern und die Berufstätigkeit jongliert, sei zentral für das Funktionieren ihres Tandems. Beide betonen, dass auch die Unterstützung in den Teams, die beide leiten, eine wichtige Rolle für sie spiele: „Es gibt ein großes Verständnis miteinander, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass viele Mütter sind und diese Erfahrungen kennen“, sagt Finke.

Auch ohne ein gut funktionierendes Netzwerk von Familie und Freunden, das Unterstützung in der Betreuung der Kinder bietet, wäre das Tandem nicht möglich, sagt Engel. Die Entscheidung, dass sie und nicht ihr Partner für die Vereinbarkeit mit ihrer Familie in Teilzeit arbeiten würde, habe monetäre Gründe gehabt. Finke betont, in der Ganztagsschulbetreuung fehlten Plätze - sie habe hier keinen Erfolg gehabt und befinde sich aussichtslos auf der Warteliste.

Zwei Frauen stehen lächelnd neben einem Auto.

Der intensive und offene Austausch ist für beide Fachbereichsleiterinnen zentral.

Theresia Engel und Judith Finke begannen im Rahmen des Führungstandems zunächst, beide auf 50-Prozent-Stellen zu arbeiten. Bald erkannten sie, dass die notwendige Zeit für gemeinsame Absprachen mehr Raum einnahm als erwartet, und beide erhöhten ihre Arbeitszeit auf 60 Prozent. An zwei Tagen pro Woche überschneiden sich ihre Arbeitszeiten.

Ein gemeinsames Postfach und eine gemeinsame Aufgabenliste erleichtern die Kommunikation, wenn beide sich nur an zwei Tagen pro Woche sprechen. Auch ihre Assistenz, die „dritte Frau im Bunde“, spiele eine grundlegende Rolle für das Funktionieren dieser Kommunikation. Die Fachbereichsleiterinnen bringen verschiedene Kompetenzen und Erfahrungen mit sich: Engel ist ausgebildete Pflegefachkraft, Finke Diplom-Kauffrau.

Wir haben die Chance, Themen von zwei verschiedenen Perspektiven zu denken - und dann schon mit einer vielleicht sehr viel besseren Version nach außen zu gehen.
Theresia Engel, Fachbereichsleitung

„Der Konsens ist, wenn etwas von einer von uns entschieden worden ist, dann bleibt das erstmal so, und die andere trägt das mit – sonst kommen wir nicht voran“, erklärt Theresia Engel ihre enge Zusammenarbeit, „Wir haben aber auch das gegenseitige Vertrauen, dass Entscheidungen im gemeinsamen Sinne getroffen werden.“

Eine Transparenz voreinander und auch gegenüber anderen Mitarbeitenden sei für ihre Arbeit grundlegend. Immer wieder mache man deutlich, dass immer beide Fachbereichsleiterinnen über Themen und Inhalte informiert werden, die in Zweiergesprächen aufkommen. 

Engel und Finke sind überzeugt davon, dass das Führungstandem nicht nur für sie, sondern für das gesamte Team eine Bereicherung ist: „Wir haben die Chance, Themen von zwei verschiedenen Perspektiven zu denken - und dann schon mit einer vielleicht sehr viel besseren Version nach außen zu gehen“, sagt Theresia Engel. 

Das Tandem bringt aber auch Herausforderungen mit sich: Wenn beide gleichzeitig Urlaub nehmen müssen, muss mindestens eine von ihnen im Notfall telefonisch erreichbar sein. Unklar ist auch, wie die Lage aussehen würde, wenn eine von beiden wieder in Vollzeit arbeiten möchte, sobald deren Kinder älter sind. Hier machen sich Finke und Engel jedoch keine Sorgen: „Gerade unsere Branche sucht in verschiedenen Arbeitsbereichen immer nach Menschen, die führen können. Da wird es genug Möglichkeiten geben“, sagt Judith Finke.