Fridays for Future in Siegburg„Wir wollen die Welt verbessert übergeben“
- Seit Februar gibt es Fridays for Future auch in Siegburg
- Initiiert haben die Gruppe Max Morlock und Theofilos Effraimiadis
- Die beiden setzen sich für ein System ein, in dem nicht allein Konzerne das Sagen haben
Siegburg – „Angefangen hat das Ende Januar“, erinnert sich Max Morlock, „ da ging es los mit den Kundgebungen von »Fridays for Future« in Köln und Bonn.“ Ein paar junge Leute fuhren in die Domstadt, schrieben danach in den sozialen Medien: „Wollen wir das nicht auch in Siegburg machen?“ Durch Zufall traf er in Köln dann Theofilos Effraimiadis – die Geburtsstunde des Siegburger Ablegers. Seither organisiert das Duo mit einem Team weiterer Unterstützer die Aktionen am Freitag.
Am Anfang kamen nur 40 Menschen - später 1000
Bei der ersten Kundgebung, am 15. Februar, trafen sich gerade mal 40 Menschen am Brunnen vor dem Stadtmuseum, in der Woche darauf 90. Am 15. März waren es schon 500 Teilnehmer. Den größten Erfolg verbuchte das Team am 20. September, als fast 1000 Schüler, aber auch Erwachsene durch die Kreisstadt zogen. 500 hatten sie bei der Polizei angemeldet. Noch heute sind sie überwältigt von der Beteiligung am internationalen Streik, bei dem weltweit mehrere Millionen Menschen für den Klimaschutz auf die Straße gingen.
Morlock kommt aus einem Haushalt, der politisch polarisiert war. Während der Vater Mitglied in der CDU war, gehörte der Großvater zur SPD. In der Schule hat der heute 22-Jährige schon viel gelesen. Mit Gesetzesbüchern hat er angefangen und sich dann durch die politische Literatur gearbeitet, meist Texte linker Autoren, Marx ebenso wie Anarchosyndikalisten. Ökonomie und Ökologie, Faschismus und Kapitalismus – intensiv hat er sich theoretisch auseinandergesetzt.
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Bei Fridays for Future “hat es Klick gemacht“
In der Bonner Jugendbewegung engagierte er sich schnell für den Hambacher Forst, wurde aktiv bei „Ende Gelände“. Bei „Fridays for Future“ hat er nun seine Heimat gefunden. „Jetzt hat es Klick gemacht“, erklärt Morlock.
Effraimiadis ist dagegen erst über „Fridays for Future“ an den Umweltschutz gekommen. Der 17-Jährige bereitet sich auf sein Abitur vor. In den vergangenen Monaten hat er zudem viele politische Bücher gelesen, gemeinsam mit Morlock und den anderen aus dem Team. „Wir haben uns weitergebildet und uns unter anderem mit der Geschichte der Grünen beschäftigt.“
Am 20. September hatte er die Fäden in den Händen, sein Partner musste zur Beerdigung des Großvaters. Er organisierte die Absprachen mit der Polizei, moderierte durch die Auftaktkundgebung, führte den Zug an und sorgte dafür, dass die Menge auf ihrem Weg durch die Ringstraße vorbei am Krankenhaus ruhig blieb – eine bemerkenswerte Leistung für einen 17-Jährigen.
Kein Klimawandel ohne Systemwandel, sagen die Aktivisten
„Nicht nur ich will leben, auch die nachfolgenden Generationen sollen leben können. Wir wollen die Welt verbessert übergeben“, zeichnet Morlock seine Visionen. Gründlich haben sich die Siegburger Klimaaktivisten mit Wetter- und Klimadaten beschäftigt. „Die Jahre 1995 bis 2006 waren die wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts“, sagt der angehende Student, der zuvor einen Bundesfreiwilligendienst absolviert hat.
Die Analysen sind weitreichend. Zwar sind Morlock und Effraimiadis dafür, weniger Fleisch zu essen und Autos weniger zu nutzen. Doch haben sie recherchiert, dass der Privatkonsum nur für etwa zehn Prozent der Ursachen des Klimawandels verantwortlich sei, die Industrie dagegen für rund 60 Prozent. Deshalb wollen sie Umweltschutz vor Profit erreichen, ist Klimawandel für sie nicht erreichbar ohne Systemwandel. „Climate change needs system change“ ist einer der Rufe, die bei ihren Demonstrationen erschallen.
Förderung erneuerbarer Energien und raus aus der Kohle
„Wir sind für ein System, in dem die Konzerne nicht allein das Sagen haben, Mensch und Natur im vernünftigen Umgang miteinander leben“, skizziert Morlock die Grundhaltung der Siegburger Gruppe.
Darum sind sie auch für den Erhalt des Hambacher Walds. „Wir sagen bewusst Wald und nicht Forst, weil dies forstwirtschaftliches Handeln impliziert“, so Morlock. Es gehe aber um den Erhalt eines „Urwaldes“. Die Gruppe hatte zu den „Ende Gelände“-Aktionen aufgerufen und fuhr dorthin. Sofort raus aus der Kohle, nicht erst 2030 oder gar 2038, die schmutzigen Kraftwerke müssten runtergefahren werden.
„Der Staat sollte dort Solardächer subventionieren, wo es sich lohnt“, findet Effraimiadis. Beide plädieren für dezentrale, regenerative Energien, die nicht erst über weite Strecken transportiert werden müssen. Lebensmittel reichen sie weiter, es müsse nicht alles weggeworfen werden.
Gruppe will streiken bis gehandelt wird - und der Planet gerettet ist
Doch die Änderung des Konsumverhaltens, auch des eigenen, ist nur ein Teil des Prozesses. Beide sind täglich mit „Fridays for Future“ beschäftigt. „Beim Busfahren schreibe ich zum Beispiel Reden für Demos“, erzählt Effraimiaidis. Die Positionen kristallisieren sich heraus: „Der Nulltarif muss her“, fordert Morlock.
Ihre Gruppe ist offen, wichtige Entscheidungen werden zuvor im Plenum ausdiskutiert. Von Parteien wollen sie sich nicht vereinnahmen lassen. Und ihr Ziel ist eindeutig: Sie wollen streiken, bis gehandelt, bis der Planet gerettet wird.