Angela Merkel tat zuletzt etwas sehr Ungewöhnliches: Sie entschuldigte sich – für das Desaster um die „Osterruhe“. Das sei einzig und allein ihr Fehler gewesen, sagte die in arge Bedrängnis geratene Kanzlerin. Nur ist das Problem damit nicht gelöst. Denn niemand in Deutschland weiß derzeit so recht, wie es weiter gehen soll im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Merkel hatte also Grund genug, am Sonntagabend zu Anne Will in die ARD zu gehen. Die wiederum hatte allen Grund, sie zu empfangen. Mehr Klarheit herrscht nach den 60 Minuten aber nicht.
Merkel liest Regierungschefs die Leviten
Zunächst sagte Merkel, wofür sie sich eigentlich entschuldigt habe: „für die Verunsicherung“ nämlich, die durch den Beschluss entstanden sei. Er habe zu viele Fragen offen gelassen und sei deshalb von ihr mit Recht wieder gekippt worden. Die Kanzlerin ließ im weiteren Fortgang der Sendung auch keinen Zweifel daran, wem sie die Verantwortung für die einmalig chaotische Situation im Wesentlichen zuschreibt: den 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder. Unter ihnen gebe es eine „Neigung“, über den weiteren Fortgang der Pandemie „immer das Positive anzunehmen“. Manche glaubten offenbar, dass das Virus mit sich verhandeln lasse.
Dabei scheute Merkel nicht davor zurück, einzelnen Regierungschefs sehr konkret die Leviten zu lesen. Sie glaube nicht, dass „Testen und Bummeln die richtige Antwort ist“. Das richtete sich an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Der Absicht des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU), demnächst mit kontrollierten Lockerungen zu beginnen, erteilte Merkel ebenfalls eine Absage. Dort sei die Zahl der Infektionen nicht stabil, sondern wachse.
Schließlich bekam auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sein Fett weg. Auf Wills Nachfrage, ob er gegen die gemeinsame Absichtserklärung verstoße, bei bestimmten Corona-Inzidenzen Lockerungen wieder einzukassieren, erwiderte Merkel: „Ja. Aber er ist nicht der Einzige.“ Dabei ist Laschet immerhin seit kurzem CDU-Vorsitzender und überdies potenzieller Kanzlerkandidat der Union.
Die Kanzlerin erklärte: „Es wird dazu kommen, dass wir das Richtige tun. Dafür stehe ich ein.“ Sie werde „nicht zuschauen, dass wir 100.000 Infizierte haben“. Sie nannte auch die denkbaren Instrumente: weitere Kontaktbeschränkungen, wo nötig Ausgangsbeschränkungen, mehr Kontrollen beim Homeoffice, Tests in Betrieben und Schulen – verbunden mit dem Hinweis, dass Tests allein das exponentielle Wachstum nicht bremsen würden.
Merkel spricht über Grenzen des Föderalismus
Die Kanzlerin, die sich keineswegs am Ende ihrer Durchsetzungskraft sieht, war in der Analyse der Lage und der Benennung der Schuldigen also unmissverständlich. Der Ausweg wurde allerdings kaum sichtbar. Zwar sagte Merkel, vielleicht werde es notwendig sein, „das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen, was muss in welchem Fall geschehen“. Das würde Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz teilweise überflüssig machen.
Zugleich räumte sie indes mehr als einmal ein, dass es da diesen Föderalismus gebe. In entscheidenden Fragen könnten Bund und Länder „nicht ohne einander beschließen“. Eine vorgezogene Ministerpräsidentenkonferenz jedenfalls bringe nichts ohne absehbar „gemeinsame Ergebnisse“.
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Mit anderen Worten: Angela Merkel unterstrich, dass sie bei weiter explodierenden Infektionszahlen irgendetwas tun wird. Aber was das genau sein wird und wann, blieb mehr oder weniger im Dunkeln.
Bemerkenswert war unterdessen noch, was die seit 16 Jahren amtierende CDU-Kanzlerin Angela Merkel mit Blick auf den einsetzenden Bundestagswahlkampf sagte, in dem bekanntlich über ihre Nachfolge entschieden wird. Sie sagte: „Die CDU hat keinen Rechtsanspruch auf das Kanzleramt.“