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„Es liegt jetzt alles auf dem Silbertablett“1. FC Köln stichelt vor dem Derby gegen Bayer 04

Lesezeit 6 Minuten
Leverkusens Trainer Xabi Alonso gestikuliert an der Seitenlinie beim Spiel gegen Mainz.

Leverkusens Trainer Xabi Alonso gestikuliert an der Seitenlinie beim Spiel gegen Mainz.

Die Kölner versuchen, Leverkusen mit Psychotricks zu verunsichern. Auf der anderen Rheinseite wird das mit einem Lächeln abgetan

Es steht ungemein viel auf dem Spiel, wenn sich der 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen am Sonntag (15.30 Uhr) im Rhein-Energie-Stadion duellieren – übrigens zum 72. Mal in der Bundesliga, in Köln wird gelegentlich ja gerne drüber hinweggesehen, dass die Werkself seit 45 Jahren ununterbrochen dem Fußball-Oberhaus angehört. Der FC will sich mit aller Macht gegen den Abstieg wehren, der unglaubliche 44 Punkte besser dastehende Bayer 04 greift hingegen nach der ersten Meisterschaft der Vereinsgeschichte.

Ungleiche Voraussetzungen also vor dem direkten Aufeinandertreffen der Nachbarn, dessen Ausgang sich dennoch nicht ganz so leicht prognostizieren lässt. Denn zu viele Emotionen und Unwägbarkeiten könnten in diesem Derby eine Rolle spielen. Die Werkself muss ihre klare Favoritenrolle erst einmal auf dem Platz und vor der großen Kulisse von 50 000 in der Mehrzahl gegen sie gestimmten Zuschauern bestätigen. Thomas Kessler, Ur-Kölner und FCler durch und durch, versuchte es am Freitag vor dem „Nachbarschaftsduell“ mit einem (legitimen) Griff in die Psycho-Trickkiste.

Leicht vergiftetes Kompliment

„Die Werkself ist diese Saison sehr gut unterwegs und der Favorit auf zwei große Titel, in meinen Augen auf das Double. Stand heute ist das eine Mannschaft, die diese beiden großen Titel im deutschen Fußball holen muss und vielleicht auch in der Europa League noch sehr weit kommt. Ich glaube, in Europa gibt es wenige Mannschaften, die solch eine Formkurve wie Bayer Leverkusen haben“, sagte der Leiter der Kölner Lizenzspielerabteilung und verteilte am 1. März, dem „Welttags des Kompliments“ ein leicht vergiftetes: Die Leverkusener würde es schaffen, den Siegeszug in dieser Saison dank Trainer Xabi Alonso mit einer „hohen Sympathie zu verkörpern. Ich glaube, das gab es mit Ausnahme der besten Tage einst unter Rudi Völler unterm Bayerkreuz eigentlich gar nicht. Und deshalb muss man das hier heute aus Köln neidlos anerkennen.“

Auf der anderen Seite stehe Leverkusen vor enormen Herausforderungen. „Am Ende werden alle genau hinschauen, was auf den letzten Metern passiert.“ Und dies bedeute eben auch Druck: „Es liegt jetzt alles auf dem Silbertablett. Jeden Morgen, wenn sie aufstehen, liegen die Titel da.“ Kesslers Wortmeldung lässt durchaus folgende Interpretationen zu: Für Leverkusen sind also zwei Titel mehr oder weniger Pflicht. In normalen Zeiten, vor Alonsos Amtsübernahme, ist die Werkself für ihn und wohl auch für alle anderen FC-Sympathisanten also alles andere als sympathisch. Und ferner ist das Duell der Klubs, deren Stadien gerade mal 20 Kilometer trennen, nach den Worten des früheren FC-Torwarts auch gar kein Derby, sondern eben dieses „Nachbarschaftsduell“.

Das wahre Derby, so würden es viele FC-Fans bezeichnen, steht für die Kölner dann am Samstag darauf bei Borussia Mönchengladbach an. Alonso parierte allerdings Kesslers Psychotrick, als er darauf angesprochen wurde. „Muss?“, fragte er lachend zur Wortwahl Kellers beim Vorhaben, zwei Titel zu gewinnen, dann ergänzte er schmunzelnd mit einem Tick Ironie: „Jetzt haben wir Druck.“ Ernst fügte Alonso dann an: „Das ist seine Meinung. Wir sind im Kopf sehr klar. Wir sind in einer guten Position. Aber es ist noch nicht vorbei. Wir haben unsere Meinung, unsere Ziele. Wir wollen Schritt für Schritt gehen.“ Mit den Sorgen der Kölner im Abstiegskampf konfrontiert, reagierte Alonso gelassen und wollte keine Pfeile über den Rhein zurückschießen. „Wir respektieren die Kölner und kennen ihre Situation“, sagte er und fügte an: „Ich will nicht so viel über die Kölner Situation reden.“

33 Pflichtspiele ohne Niederlage

Die Werkself schaut lieber auf sich selbst, mit diesem Rezept ist sie bisher gut gefahren. 33 Pflichtspiele ohne Niederlage stehen zu Buche. Diese Serie soll am Sonntagnachmittag ausgebaut werden. Leverkusens Coach forderte, das Spiel im Rhein-Energie-Stadion mit „Herz und Kopf“ anzugehen. Einer mit viel Herz wird dann wieder dabei sein: Exequiel Palacios. Der argentinische Weltmeister wird nach rund anderthalb Monaten Pause erstmals wieder im Kader stehen. Er sei auch eine Option für die Startelf, betonte Alonso.

Allerdings hinterließ Robert Andrich, der am vergangenen Spieltag das 2:1-Siegtor gegen Mainz erzielte, zuletzt einen sehr starken Eindruck. Der Bayer-Coach sagte generell: „Wir haben auf vielen Positionen jetzt einen starken Konkurrenzkampf.“ Im Hinblick auf das Achtelfinalhinspiel in der Europa League am kommenden Donnerstag in Baku gegen Karabach Agdam kommt das Alonso natürlich entgegen. Nur Victor Boniface und Arthur (beide Reha nach Muskelverletzungen) fehlen den Leverkusenern weiterhin.

Auch Kölns Trainer Timo Schultz wollte sich auf die Sticheleien vor dem Derby nur halb einlassen. Der Ostfriese ist bekanntlich noch nicht lange beim FC, aus seiner langjährigen Zeit beim FC St. Pauli weiß er allerdings sehr gut, was ein Derby ist. Oft duellierte er sich schon mit dem großen Stadtrivalen HSV. „Das ist weniger mein Thema. Ich habe aber schon mitbekommen, dass die Werkself hier nicht gerne gesehen ist. Und dass das Spiel gegen Gladbach dann eher als das Derby angesehen wird“, sagte Schultz und gab lieber über die Partie gegen den Liga-Primus an sich Auskunft. Sie sei eine große Herausforderung gegen eine Mannschaft, die wettbewerbsübergreifend eine richtig gute Saison spiele.

„Aber es wird ein spezielles Spiel, am Sonntag um 15.30 Uhr, mit unseren Fans im Rücken. Wir werden kompakt und unangenehm sein müssen. Das können und werden wir sein. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir drei Punkte holen können. Wir wollen das Heft des Handelns in die Hand nehmen, im Wissen, dass eine sehr schwere Aufgabe auf uns wartet“, sagte der Coach, der den nach seiner Verletzung auf den Trainingsplatz zurückgekehrten Mittelstürmer Davie Selke nicht von Beginn an bringen wird: „Nein, das wäre unverantwortlich. Davie hat noch keine volle Einheit mit der Mannschaft trainiert.“

Ein „Luxusproblem“

Doch in den Kader dürfte es der Angreifer wieder schaffen. „Davie ist für die Gruppe sehr wichtig. Er bringt eine andere Stimmung und auch noch andere spielerische Kompetenzen auf den Platz.“ Und – man glaubt es kaum – der Tabellen-16. hat sogar ein „Luxusproblem“, wie es Schultz selbst nannte: Denn erstmals seit einem Monat sind die Innenverteidiger Jeff Chabot und Timo Hübers gleichzeitig einsatzbereit. Muss deshalb der zuletzt überzeugende Luca Kilian wieder auf die Bank? Das verriet Schultz noch nicht. „Das Luxusproblem mit diesen drei wirklich sehr guten Innenverteidigern, das habe ich sehr gerne.“ Fest steht nur, dass das Trio nicht gemeinsam beginnen wird. Denn eine Dreierkette schloss der 46-Jährige praktisch aus: „Das ist ein taktisches Mittel, das einstudiert sein muss. Dementsprechend sehe ich das jetzt kurzfristig nicht.“

Bei beiden Mannschaften gehen einige Spieler vorbelastet in das Derby am Sonntag. Beim FC haben Timo Hübers, Dejan Ljubicic und Denis Huseinbasic in dieser Bundesliga-Saison schon vier Gelbe Karten gesammelt. Eine weitere wäre ganz bitter. Dann hieße es aussetzen beim Derby bei Borussia Mönchengladbach am kommenden Samstag.

Im Leverkusener Team sind Granit Xhaka, Edmond Tapsoba und Jeremie Frimpong mit vier Gelben Karten vorbelastet. Doch nicht nur den drei Spielern droht ein Innenraumverbot gegen den VfL Wolfsburg am kommenden Wochenende. Auch Xabi Alonso wäre bei einer weiteren Verwarnung gesperrt. „Wenn ich mal auf der Tribüne sitzen muss, dann wäre das kein Problem“, sagte er: „Ich bereite dann auch die ganze Woche über alles vor. Und dann stehen die Spieler auf dem Platz, das ist das Wichtigste. Nicht ich.“ In die Mannschaftskasse würde der Coach aber auch zahlen: „Ja, natürlich. Ich bin da keine Ausnahme.“

FC Köln: Schwäbe – Schmitz, Chabot, Hübers, Finkgräfe – Martel, Huseinbasic, Ljubicic, Alidou, Kainz – Thielmann Leverkusen: Hradecky – Kossounou, Tah, Tapsoba – Frimpong, Andrich, Xhaka, Grimaldo – Wirtz, Hofmann – Adli.