Köln – Markus Gisdol ist keiner, der öffentlich so schnell die Contenance verliert und erst recht keiner, der sein Inneres nach außen kehrt. Das ist auch in diesen schwierigen Tagen beim 1. FC Köln nicht der Fall. Der 51-Jährige hat als Fußballlehrer im Profigeschäft schließlich schon einiges erlebt. Zum Beispiel in den Jahren 2017 und 2018 beim Hamburger SV. Nach einem 0:8 beim FC Bayern war sein Team das Gespött der Liga, doch dann erreichte es dank einer kaum für möglich gehaltenen Aufholjagd den Klassenerhalt. Gisdol wurde erst gefeiert – und ein halbes Jahr später doch für die Tür gesetzt.
Dass der Druck auf ihn nach 18 Liga-Spielen ohne Sieg in Folge zugenommen hat, dass es für ihn schnell eng werden könnte, damit versucht sich Gisdol professionell zu arrangieren. „Das muss man als Bundesliga-Trainer aushalten können. Das ist Teil des Jobs, da gibt es nichts zu klagen“, sagte der Kölner Coach vor dem Duell der Gegensätze am Samstag (15.30 Uhr, Sky) bei Borussia Dortmund. Er könne die Diskussionen sowieso nicht ändern und konzentriere sich auf die Arbeit mit seiner Mannschaft. Diese ist nach dem sportlichen Offenbarungseid beim 1:2 gegen Union Berlin so fragil, so verunsichert, dass es allerhand zu tun gibt.
Vor einem Jahr schaffte Gisdol die Wende
Vor einem Jahr, ebenfalls nach einer in der Art und Weise blamablen Niederlage gegen Union, hatte sich der gerade erst drei Spiele im Amt befindliche Gisdol ebenfalls ziemlich unerschütterlich gegeben. „Wir dürfen nicht in Panik verfallen, müssen uns Stück für Stück herausarbeiten“, hatte der Trainer vor dem Derby gegen Leverkusen erklärt. Dabei schien der Neustart unter ihm schon wieder verpufft, der FC war Letzter mit vier Punkten Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze. Doch dann folgte eine Aufholjagd, mit der wohl auch der größte Optimist so nicht gerechnet hätte.
Gisdol bewies Mut, überraschte Bayer 04 mit einer auf sechs Positionen veränderten Startelf und einer ganz anderen Einstellung. Der FC gewann 2:0. Er setzte auf Talente wie Jan Thielmann, Ismail Jakobs oder Noah Katterbach. Seine Mannschaft setzte mit acht Siegen aus zehn Spielen zum ungeahnten Höhenflug an, mit dem sich der FC am Ende zum Klassenerhalt zitterte. Denn dass der 2:1-Sieg am 6. März in Paderborn der bis dato letzte sein sollte, daran hätte wohl auch der größte Pessimist nicht gedacht.
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Gisdol war es aber, der vor der Partie in Dortmund erklärte, dass man die Lage vor einem Jahr nicht mit der aktuellen vergleichen könne. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Coach seine Startelf ähnlich radikal verändern wird wie im Dezember 2019. Viele Alternativen hat der Trainer aktuell auch nicht. Er beteuert, dass er weiter hinter seiner Elf stehe und überzeugt von ihr sei: „Wir werden uns steigern und das Potenzial abrufen. Deswegen ist in diese Richtung nichts zu erwarten.“
Der Druck nimmt deutlich zu
Die Kölner Klubführung erwartet indes, dass Gisdol jetzt die Wende schafft. Zwar sind erst acht Spieltage absolviert und der Rückstand auf Platz 15 beträgt nur einen Punkt, doch die Leistungen zuletzt gaben größten Anlass zur Sorge und wenig zur Hoffnung. Noch hat der FC im Gegensatz zur vergangenen Saison den Trainer nicht gewechselt, doch die Alarmsignale für Gisdol werden deutlicher. Präsident Werner Wolf kritisierte in dieser Woche, dass „aktuell keine Verbesserungen“ zu sehen seien. Von einer Job-Garantie für Gisdol hält er nichts, die gäbe es allgemein für niemanden in der Bundesliga. Vizepräsident Eckhard Sauren lauschte als stiller Teilnehmer den Ausführungen von Gisdol und Sportchef Horst Heldt während der virtuellen Pressekonferenz am Donnerstag. Sauren würde sicher entgegnen, dass er dies nicht zum ersten Mal und interessehalber gemacht habe. Aber vielmehr ist es wohl so, dass der Trainer unter größerer Beobachtung steht.
Rückendeckung von Heldt
Von Heldt erhält Gisdol noch die volle Rückendeckung. Ihr Verhältnis wirkt intakt, fast harmonisch. Und das hat nur wenig damit zu tun, dass beide Nachbarn in der Innenstadt sind. Heldt ist nah an der Mannschaft dran, will sich aber nicht in die Arbeit des Trainers einmischen und verzichtet auf Kabinen-Ansprachen. Er habe mit dieser Art der Intervention als Profi schlechte Erfahrungen gemacht. Doch Heldt ist auch dafür bekannt, die persönliche und berufliche Ebene sehr gut trennen zu können. Und scheut sich nicht, personell schnell zu handeln, wenn er als notwendig erachtet. Sollte der FC in Dortmund untergehen und auch nicht gegen Wolfsburg gewinnen, könnte Gisdols Uhr am Geißbockheim abgelaufen sein.