Erstmals treffen am Sonntag in Gelsenkirchen die Traditionsklubs und Fan-Magneten 1. FC Köln und Schalke 04 in der 2. Bundesliga aufeinander.
Erstes Duell der Schwergewichte in 2. LigaEine Premiere zwischen dem FC und Schalke, die keiner wollte
Am kommenden Sonntag spiegeln sich die neuen Wirklichkeiten im deutschen Profifußball, zumindest der sportliche Status quo, in besonderem Maße wider: Während in der Bundesliga um 15.30 Uhr der 1.FC Heidenheim vor 15.000 Zuschauern den FC Augsburg empfängt und der übertragene Sender Dazn bei dieser Paarung nicht mit Traumquoten rechnen kann, stehen sich bereits in der Mittagszeit (13.30 Uhr) vor über 62.000 Zuschauern in Gelsenkirchen die Traditionsklubs FC Schalke 04 und 1. FC Köln gegenüber. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass beim Sender Sky trotz der immer noch ungewohnten Anstoßzeit wohl Hunderttausende einschalten werden. Diese Konstellation ist ein Beispiel für die Verzwergung der Bundesliga. Sie ist ein Dilemma, insbesondere für die DFL, in puncto Interesse, Attraktivität und Vermarktung – erst recht bei der im Ausland. Doch die Situation steht für eine Entwicklung, die schon vor Jahren begonnen hat.
Die „Kleinen“ leisten bessere Arbeit
Um einen falschen Zungenschlag zu vermeiden: Der kleine, gut aufgestellte FC Heidenheim leistet seit vielen Jahren hervorragende Arbeit. Der Klub von der Schwäbischen Alb hat einen konkreten Plan, klare Strukturen und kurze Entscheidungswege, potente Sponsoren aus der Region und seit sagenhaften 17 Jahren einen Cheftrainer Frank Schmidt, der wie kein Zweiter für Kontinuität steht. Der Lohn des stetigen Aufschwungs ist, dass Heidenheim in dieser Saison erstmals überhaupt internationale Luft schnuppern darf. Bezeichnend war, dass der Verein die Qualifikation für die Playoffs der Conference League am letzten Spieltag der vergangenen Saison mit einem Heimsieg gegen Köln perfekt gemacht hatte. Gegen einen FC, der sich, obwohl er noch eine kleine Chance auf den Klassenerhalt besaß, über weite Strecken vorführen ließ, mit 1:4 unterging – und zu Recht abstieg.
Der FC Augsburg, auch wenn er für viele weiter ein blasser Klub ist, spielt nunmehr im 14. Jahr in Folge im Oberhaus. Auch das hat Gründe: gute, kontinuierliche Arbeit durch moderne, schlanke Strukturen. Dazu einen Investor, der milliardenschwere US-Geschäftsmann David Blitzer, der (noch) Anteile am FCA hat. Dazu kommt bei beiden Klubs, dass an ihrem Standort auch der Druck aus dem Umfeld geringer ist.
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Am traditionsreichen Fußball-Standort Gelsenkirchen kommt es dagegen am Sonntag zu einer Premiere, auf die Schalke und der FC gerne verzichtet hätten: Nach 90 Bundesliga-Duellen treffen die beiden Traditionsvereine erstmals im Unterhaus aufeinander. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Es trifft der siebenfache Meister und fünffache DFB-Pokalsieger auf den dreifachen Meister und vierfachen Pokalsieger. Es sind Klubs mit ungemein viel Historie. Mit Legenden, die den deutschen Fußball prägten. Und einer sagenhaften Anhängerschaft. Schalke hat aktuell 186.000 Mitglieder – nur Bayern München und Borussia Dortmund haben in Deutschland mehr. Der FC liegt national auf Platz fünf, knapp hinter der Eintracht aus Frankfurt, die in den vergangenen Jahren allerdings ganz anders performt hat (Europa-League-Sieger 2022, Pokalsieger 2018). Die Kölner warten nunmehr seit 41 Jahren auf einen Titel – was der Treue der Fans dennoch keinen Abbruch tat. Liebe kennt offenbar keine Liga. Weltweit, und das ist als phänomenal zu bezeichnen, reihen sich die Königsblauen und der Geißbock-Klub (137.380 Mitglieder, Stand: 29. August) auf Platz sechs beziehungsweise zwölf ein.
Der FC, auch wenn er sich scheut, dieses Ziel selbst zu formulieren, strebt in der aktuellen Saison den Wiederaufstieg an. Das ist kein utopisches, sondern ein realistisches Ziel, denn trotz der verhängnisvollen, selbst verschuldeten Transfersperre hat er den Kader mit dem höchsten Marktwert der Liga. Vor allem weiß der Klub auch um die immense, vor allem wirtschaftliche Bedeutung eines direkten Wiederaufstiegs. Der Abstieg hat die Kölner weit mehr als 40 Millionen Euro gekostet, und er hat auch den eingeschlagenen, bis zu einem gewissen Grad alternativlosen Sanierungskurs ein ganzes Stück torpediert. Vor allem die TV-Gelder fallen im Unterhaus signifikant niedriger aus. Als Absteiger ist der FC in der 2. Liga aktuell mit 28,3 Millionen Euro noch der Top-Verdiener, aber Heidenheim erhält in der zweiten Bundesliga-Saison seiner Geschichte bereits zehn Millionen mehr (38,2).
Warnende Beispiele
Und dann gibt es eben warnende Beispiele anderer Traditionsklubs. Schalke kassiert in der zweiten Zweitliga-Spielzeit in Folge und der dritten in den vergangenen vier Saisons nur noch 20,5 Millionen Euro. Der Hamburger SV (sechs Meisterschaften, drei Pokalsiege, 1983 Sieger Europapokal der Landesmeister, 1977 Sieger Europapokal der Pokalsieger, 110.500 Mitglieder), der sechs Mal vergeblich an der Bundesliga-Rückkehr scheiterte und nun seinen siebten Anlauf unternimmt, sogar nur noch 18,2 Millionen Euro. Und das sind längst nicht alle wichtigen Einnahmen, die wegbrechen.
Alle drei Klubs eint hingegen, dass ihnen ihre großartige Anhängerschaft die Treue hält. Bereits am ersten Spieltag standen sich der FC und der HSV gegenüber (1:2). Es sind die drei Schwergewichte der Liga, sie bewegen die meisten Menschen. Doch mit jeder weiteren Saison im Unterhaus wird es für diese Klubs immer schwieriger, die Trendumkehr zu einer erfolgreicheren Zukunft einzuleiten. Manche behaupten sogar, dass der Zug für eine Rückkehr zum alten Glanz bereits längst abgefahren oder bestenfalls wie eine Fahrt mit dem ICE in Deutschland ist: Sie ist verspätet oder fällt ganz aus, dauert zu lange, ist ungemein ruckelig und wenig komfortabel.
Schalker Absturz beginnt 2019
Über die Gründe für den abermaligen Abstieg des FC ist in dieser Zeitung umfänglich berichtet worden. Über den Absturz des FC Schalke 04 ließen sich wissenschaftliche Abhandlungen schreiben. Im März 2019 standen die damals von Domenico Tedesco (heute belgischer Nationalcoach) trainierten Königsblauen noch als Vizemeister im Achtelfinale der Champions League. Es war das letzte Ausrufezeichen vor der Talfahrt. Und die letzten Spiele von Tedesco. Seitdem durften sich neun Trainer fast durchgehend erfolglos probieren, der aktuelle, Karel Geraerts, ist der zehnte. Es fungierten zudem jeweils drei Aufsichtsratsvorsitzende und Vorstände Sport sowie vier Sportdirektoren. Jahrelang hatte der Klub über seine finanziellen Verhältnisse gelebt, sich auf fatale Art abhängig gemacht von einem von Russlands Diktator Wladimir Putin alimentierten Erdgas-Riesen. Der angehäufte Schuldenberg ist zwar etwas abgebaut worden, doch Schalke sollen immer noch Verbindlichkeiten in Höhe von 128,5 Millionen Euro drücken. Auch wenn in dieser Saison wieder ein bisschen mehr in die Mannschaft investiert werden konnte, so lautet das Motto weiterhin: sparen, sparen, sparen.
Mit jeweils vier Punkten sind die Gegner von Sonntag eher mäßig gestartet. Der FC scheint mehr Potenzial im Kader zu haben, geht auch als leichter Favorit in das Duell. Wer es gewinnt, der kann sich vorerst nach oben orientieren. Doch der Weg zurück in die Bundesliga wird kein leichter sein, der in die Beletage des deutschen Fußballs ist sogar steinig und schwer. Und womöglich ein ganz weiter.