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Podiumsdiskussion im BrauhausFC-Boss kritisiert DFL-Diskussionskultur

Lesezeit 4 Minuten
Fußballfunktionäre sitzen an einem Tisch und sind in eine Diskussion vertieft. Auf dem Tisch stehen Namensschilder, der Hintergrund ist mit Fanartikeln dekoriert.

Moderator Rainer Mendel (v.li.), FC-Geschäftsführer Markus Rejek, der ehemalige FC-Manager Andreas Rettig sowie Buchautor Christoph Biermann diskutieren engagiert über den Zustand des Fußballs.

Immer wahnwitzigere Transfersummen und Spielergehälter bereiten immer mehr Fußball-Vereinen Sorgen. Der Wettbewerb wird zusehends härter. Eine Podiumsdiskussion zeigt die Probleme auf.

Journalist und Autor Christoph Biermann beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Kommerzialisierung des Fußballs und deren Folgen. Am Donnerstagabend wurde darüber im Brauhaus Gaffel am Dom auf Einladung der Fan-Organisation „Fan-Projekt 1. FC Köln 1991“ diskutiert. Neben Biermann auf der Bühne: FC-Geschäftsführer Markus Rejek sowie einer seiner Amtsvorgänger Andreas Rettig.

In seinem Buch „Um jeden Preis: Die wahre Geschichte des modernen Fußballs von 1992 bis heute“ setzt sich Biermann mit der Entwicklung des professionellen Fußballs seit 1992 auseinander. Zwei Ereignisse dieses Jahres stellen für ihn den Beginn des sogenannten modernen Fußballs dar. Die Gründung der englischen Premier League sowie der Uefa Champions League haben die von vielen Fans oft kritisierte Kommerzialisierung des Sports auf ein neues Level gehoben.

Das Jahr 1992 und seine Folgen

Zu Beginn las Biermann einige Passagen aus seinem Buch vor – als Grundlage für die folgende Debatte. Dabei skizzierte er den Wandel des englischen Ligasystems. War die Divison 1 als Vorläufer der Premier League noch solidarisch angelegt, so zielte die neu gegründete Top-Liga nur noch auf Gewinnmaximierung der führenden Vereine ab.

Fan-Buch als Mosaikstein

Ein weiterer Mosaikstein ist für Biermann der ebenfalls 1992 erschienene Fußball-Bestseller „Fever Pitch“. Der englische Autor Nick Hornby beschreibt sein Fan-Sein als Anhänger des FC Arsenal. Das hatte es in der Form noch nicht gegeben. Fußball-Fans begannen, sich als Akteure des Geschehens zu begreifen. In dem Zusammenhang wies der Autor auf die gastgebende Fan-Organisation hin, die ebenfalls in den frühen 1990er Jahren gegründet worden war.

So führte ein Gründungsmitglied des Fan-Projekts als Moderator durch den Abend: Rainer Mendel, inzwischen Leiter der Fan- und Fanclubbetreuung beim 1. FC Köln, hatte wie die meisten Gäste die von Biermann beschriebene Entwicklung hautnah miterlebt.

Rejek bemängelte beispielsweise die Diskussionskultur in den Gremien der Deutschen Fußball Liga (DFL), unter deren Dach die 1. und 2. Bundesliga firmieren. Er wünschte sich wieder mehr Wettbewerb, womit er auf die Dominanz des FC Bayern München anspielte. „Für wen machen wir das eigentlich? Für den Menschen“, rief Rejek dabei in Erinnerung.

50+1-Regel im Fokus

Natürlich war die aktuell wieder im Fokus stehende 50+1-Regel Bestandteil der Debatte. Deren Erhalt – da waren sich alle Teilnehmer einig – gelte als Schutzschild für die Vereine und die Fußball-Kultur in Deutschland. Sowohl Rejek als auch Rettig forderten mehr Selbstbewusstsein des deutschen Fußballs. Ein Hinterherhecheln hinter den anderen europäischen Top-Ligen sehen sie als Fehler an.

Hier mahnte Rettig ein Umdenken an: „Wollen wir nicht die sozialste, bodenständigste und nachhaltigste Liga werden?“ Nicht nur an dieser Stelle applaudierte das Publikum. Biermann verglich die Situation im Meisterrennen mit der DDR. Dort war der BFC Dynamo Serienmeister, wie der FC Bayern heute. „Man denkt ja immer, das war so eine komische sozialistische Planwirtschaft“, sagte Biermann. „Jetzt haben wir einen entarteten kapitalistischen Wettbewerb.“ Ihm fehle die Fantasie, wie sich das in naher Zukunft ändern könnte.

Keine Meisterschaft für den 1. FC Köln

Einen Deutschen Meister 1. FC Köln konnte sich Biermann – wie wohl die meisten Anwesenden – derzeit nicht vorstellen. „Wir haben ja noch den Frauen-Fußball“, warf Rejek an der Stelle ein. Doch selbst dort dominieren Vereine wie Wolfsburg und der FC Bayern. Und: Es sei absehbar, dass das viel kritisierte Konstrukt aus Leipzig dort ebenfalls bald mitmischen wird.

Biermann sah in diesem Umstand die große Gefahr, dass viele Fans das Interesse verlieren. In seinem Freundeskreis stelle er bereits erste Abwanderungen fest.

Publikumsbeteiligung

Zum Abschluss band Mendel das Publikum aktiv in die Diskussion ein. Einer von vielen interessanten Beiträgen kam von Christian Müller, der unter anderem Geschäftsstellenleiter des 1. FC Köln und Geschäftsführer der DFL war. Müller kritisierte, dass die Vereine innerhalb der DFL kein direktes Stimmrecht haben. Die Interessen werden von Geschäftsführern wahrgenommen, wobei nicht auszuschließen sei, dass die nicht immer deckungsgleich mit denen der Vereine seien.

Ein Mann sitzt an einem Tisch und hält ein Mikrofon in der Hand. Die Umsitzenden hören interessiert zu.

Als Gast im Publikum schlug der ehemalige FC-Funktionär Christian Müller einen interessanten Ansatz vor.

Viele der genannten Aspekte haben die Herausforderungen aufgezeigt, vor denen der Fußball in den kommenden Jahren steht. Den Aussagen der Diskutanten war als Fazit zu entnehmen, dass ein „Weiter so“ großen Schaden anrichten würde. Möglicherweise, so ein Ansatz aus der Diskussion, könnte ein Eingreifen durch die Politik die letzte Option sein. Einen künftigen Veränderungsprozess aus dem Fußball selbst heraus sahen die Teilnehmer derzeit jedenfalls nicht.