Nachwuchszentrum des 1. FC KölnAusbildung unter indiskutablen Bedingungen
Köln – Franz Kremers Duschgel ist zwar nicht zu sehen, dafür aber die Tonnengewölbe aus der Preußenzeit: Das Geißbockheim des 1. FC Köln steht auf den Mauern des Zwischenwerks VI b, das im Jahr 1876 als Teil des Kölner Festungsrings erbaut wurde – und es herrscht nicht nur Enge, sondern auch totaler Sanierungsstau. Der Ortstermin in den Kellern des Klubhauses lässt kaum vermuten, dass hier das Nachwuchszentrum eines Bundesligisten beheimatet ist. Doch tatsächlich bildete der 1. FC Köln hier internationale Klassespieler wie Florian Wirtz oder Salih Özcan und nicht zuletzt Lukas Podolski aus. Weitere sollen folgen. Eine Talentschmiede im maroden Tiefgeschoss.
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Seit Podolski am Geißbockheim wirkte, ist wenig passiert in den Kellern. Jedes Jahr im Sommer wird der Anstrich erneuert, doch als Christian Keller an die niedrige Decke greift, rieselt der Putz. Der neue Geschäftsführer war erschrocken, als er wenige Tage nach seinem Dienstantritt beim FC die erste Führung erhielt. „Manche Räume hier sind wirklich beschämend“, sagt der 43-Jährige: „Ob ein Spieler sich gut entwickelt, hängt zwar nicht von einer schönen Kabine ab, sondern davon, wie inhaltlich gearbeitet wird. Doch ein wichtiges Thema ist auch, wie man die inhaltliche Arbeit durch eine geeignete Infrastruktur unterstützt. Und hier ist die Infrastruktur nicht unterstützend. Sie ist belastend, miserabel.“
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Die FC-Profis sind noch im Urlaub, vom Kabinentrakt der Bundesligamannschaft dröhnt Baulärm herüber. Dort wird renoviert, doch der Nachwuchs haust weiter in den Verliesen unter dem Geißbockheim – bereit für den Umzug ins neue Gebäude, das schon so lange geplant ist und doch nicht gebaut werden kann.
„Der Laden ist brechend voll“
Gleich am Eingang des Leistungszentrums teilen sich Matthias Heidrich und Carsten Schiel ein Büro, die Leiter arbeiten in einem Raum, der mit zweckmäßig überaus wohlwollend beschrieben wäre. Nirgendwo ist Platz, unter der Kellertreppe haben die Torwarttrainer der Jugendabteilung ein Eckchen entdeckt, wo sie noch einen Schreibtisch aufgestellt haben. „Wir haben ein Limit erreicht. Der Laden ist brechend voll“, sagt Heidrich.
Auf dem Flur hängt der Plan mit der Platzbelegung, und auf den ersten Blick wird klar: Es gibt zu viele Magnetschildchen mit Mannschaftsnamen darauf für zu wenige Plätze. „Wir sind hier ziemlich gute Tetris-Spieler geworden“, sagt Manuel Hartmann, der Coach der U-17-Mannschaft. Die Verteilung der Trainingsplätze ist ein Problem. Die FC-Nachwuchsspieler seien mittlerweile besonders gut in engen Räumen. Doch sind diese Qualitäten aus der Not geboren: Denn kaum einmal hat eine Mannschaft einen Platz für sich allein. Carsten Schiel, Psychologe und seit sechs Jahren in der NLZ-Leitung, spricht von „Mangelverwaltung: Wir kompensieren vieles über wirklich gute Leute“, sagt er, doch gebe es Grenzen. „Die Mannschaften müssen zeitgleich trainieren, wir haben hier einen hoch komplizierten Fahrdienst. Das lässt sich nicht leicht entflechten.“
Im Großraumbüro aller Trainer des Leistungszentrums sitzt Manuel Hartmann Tisch an Tisch mit Stefan Ruthenbeck, der schon die Kölner Profis trainierte und nun für die A-Junioren in der Bundesliga-West zuständig ist. Den Trainern ist anzumerken, dass sie hier ihren Traum leben; es ist ein Ort, an dem Fußball auf höchstem Niveau gelehrt, diskutiert und gearbeitet wird. Doch die Bedingungen sind ein Witz. Zwar spricht Hartmann, gebürtiger Esslinger, von „schwäbischer Ordnung“ an seinem Tisch. Doch so viele Arbeitsplätze auf derart engem Raum – da ist dem Chaos kaum zu entgehen. „Es liegt am Geist der Menschen, die in einem Raum sind, ob dort gut gearbeitet wird. Und ich glaube, da ist dieses NLZ besonders gut“, sagt Christian Keller, „dennoch muss man sich fragen, was zeitgemäßer Standard ist.“
Kurios sind die Umkleidekabinen. Je näher man den Bereichen kommt, in denen die Sportler sich vor und nach dem Training umziehen, desto schlechter wird die Luft. Man atmet hier nicht den Charme der Sechzigerjahre, tatsächlich ist gar nichts charmant hier unten. Die U21 hat am Morgen trainiert, die Spieler kehren gerade in die Kabinen zurück. Wäsche fliegt in die Maschinen, die Duschen werden aufgedreht. Es dampft und riecht nach Männern, die gerade vom Sport kommen. Fenster wären jetzt nicht schlecht, nur gibt es kaum welche. Die Sanitäranlagen sind in bizarren Zuständen. In einem der Entmüdungsbecken habe die Meistermannschaft von 1964 ihren Titelgewinn gefeiert, allerdings habe er das Becken in den vier Jahren, in denen er nun das NLZ leitet, noch nie gefüllt gesehen, sagt Heidrich (44).
1. FC Köln mit großer Konkurrenz im Westen
Die Kölner konkurrieren mit Großvereinen aus Leverkusen, Dortmund und Schalke. Auch in Düsseldorf und Bochum wird Nachwuchsarbeit auf höchstem Niveau betrieben, Viktoria Köln nicht zu vergessen. Werbung in eigener Sache kann der 1. FC Köln im Kampf um die Talente mit ihrer Infrastruktur nicht betreiben, man muss andere Schwerpunkte setzen. „Die wenigsten Spieler sehen die Kabinen, bevor sie bei uns unterschreiben“, sagt Heidrich und lächelt. Der Sachse ist ein pragmatischer Typ, „wir machen das über die Beziehungsebene und über die Arbeit, die nach außen sichtbar wird. Die Kabinen, das spielen wir runter“.
Seit Jahren sucht der Klub nach Möglichkeiten, längst sollte ein modernes Leistungszentrum neben dem Franz-Kremer-Stadion stehen. Doch weder das Gebäude auf der bereits versiegelten Fläche, wo bislang ein Kunstrasenplatz liegt, ist im Bau. Noch die beiden Plätze auf der Gleueler Wiese. Die Situation ist verfahren, zuletzt gab es Überlegungen, die Nachwuchsabteilung vom Geißbockheim zu trennen und an einem neuen Standort anzusiedeln, in Bocklemünd oder in Marsdorf. Doch die Nähe zu den Profis gibt man nur ungern auf. „Das hat eine unheimliche Kraft für alle, die hier arbeiten. Das ist unbedingt erhaltenswert. Wir befinden uns hier an einem der schönsten Flecken der Stadt. Und man muss sagen, dass eine solche Lernumgebung auch etwas mit einem macht“, sagt Schiel.
Christian Keller hat einst an einer Hochschule gelehrt: „Eine Campus-Lösung wäre natürlich auch in Zukunft zu bevorzugen. Es kann viel Energie daraus resultieren, wenn alle an einem Ort agieren und der U-12-Spieler auch mal Tony Modeste beim Training und auf dem Gelände sieht – und umgekehrt.“