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Friedhelm Funkel im InterviewDas sind Kölns härteste Konkurrenten im Abstiegskampf

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Friedhelm Funkel ist zum zweiten Mal als Trainer nach Köln zurückgekehrt und soll den FC retten.

  1. Der FC kämpft in den letzten drei Saisonspielen um den Klassenerhalt.
  2. Trainer Friedhelm Funkel erklärt in unserem großen Interview wie er sein Team einstellen will, damit die Rettungsmission gelingt.
  3. Für den Coach steht fest: Der Kölner Kader ist gut zusammengestellt. Sportdirektor Horst Held habe einen guten Job gemacht.

Herr Funkel, mal ehrlich: Haben Sie vor der Entscheidung, den 1. FC Köln für die letzten sechs Spiele zu übernehmen, mit sich gehadert oder gezögert?Friedhelm Funkel: Ich habe überhaupt nicht gezögert. Ich war innerlich schon drauf vorbereitet, noch mal kurzfristig als Trainer tätig zu sein, sofern sich die Möglichkeit ergibt. Meine privaten Pläne hatten sich durch die Pandemie und deren Einschränkungen total verändert. Als sich der FC gemeldet hat, war ich mir sehr schnell sicher, das zu machen. Ich wusste, dass das eine reizvolle, aber auch schwere Aufgabe wird. Angst hatte ich nicht!

Was hat Ihre Frau dazu gesagt?

Anja hat sofort gemeint, dass ich das machen soll. Sie weiß ja, wie viel Spaß ich daran habe. Unsere Pläne, die Welt zu bereisen, sind ja nicht aufgehoben, sondern hoffentlich für die Zeit nach der Pandemie nur aufgeschoben. Neuseeland, Kanada, noch einmal nach Afrika: Das sind Wünsche, die ich mir in meinem Alter erfüllen will.

Vor über 17 Jahren waren Sie schon einmal FC-Trainer. Die Trennung damals verlief eher unschön. Hat es Sie auch deshalb gereizt, am Karriereende noch mal ans Geißbockheim zurück zu kehren?

Die Trennung hat schon ein paar Wochen wehgetan, da ich hier sehr gerne Trainer war. Manager Andreas Rettig hatte seine Entscheidung danach mehrfach bereut. Der FC war schon immer ein Verein, den ich genau verfolgt habe. Die Zeit in Köln damals war nicht so lang, aber eben besonders emotional. Dazu kommt, dass ich in den letzten Jahrzehnten auch privat oft in Köln war – ob zum Karneval, zum Einkaufen oder Essen. Und als Trainer hatte ich das Gefühl, dass mich der Kader reizt. Er ist gut zusammengestellt. Die ersten Tage bestätigen mich in dieser Annahme.

Das sehen einige nicht so und kritisieren dafür Sportchef Horst Heldt scharf.

Aus meiner Sicht ist das unfair. Aus wenig hat Horst viel gemacht. Ondrej Duda zum Beispiel ist ein Volltreffer, ein super Transfer. Max Meyer ist ein geiler, ungemein laufstarker Spieler, den ich auch auf jeden Fall verpflichtet hätte. Er hat derzeit halt das Pech, dass Ondrej oder aber Jonas Hector und Ellyes Skhiri auf seiner Position spielen. Viele elementar wichtige Spieler standen lange nicht zur Verfügung. Wie Jonas Hector, der so viel Pech hatte, aber jetzt wieder fit und in Form ist und geht voran. Er hat der Mannschaft zuvor an allen Ecken und Enden gefehlt. Sebastian Andersson und Florian Kainz sind richtig gute Spieler, die fast nur verletzt waren und zumindest jetzt wieder eingreifen können.

Mussten sie in der Mannschaft etwas verändern?

Wenn man so wenig Zeit hat, verändert man nur Kleinigkeiten und stellt nicht alles auf den Kopf. Dafür gibt es auch keinen Grund. Es geht um den Umgang mit den Spielern, vielleicht spreche ich öfter mit ihnen, erinnere sie an ihre Stärken und versuche sie selbstbewusster zu machen. Vom ersten Tag an habe ich gespürt, dass hier ein super Teamgeist herrscht. Die Mannschaft hält total zusammen. Und das als Tabellen-16. oder 17. Das ist nicht normal, das kenne ich auch anders. Es gibt hier keine Grüppchen, keine Einzelgänger.

Sind Sie mehr als Psychologe denn als Trainer gefragt?

Ja, zumindest teilweise. Mit Moritz Anderten habe ich hier einen Sportpsychologen an meiner Seite, den ich sofort mit eingebunden habe. Ich weiß seit einigen Jahren, dass das den Spielern hilft. Dazu habe ich ein tolles Trainerteam. So kann ich mich darauf konzentrieren, mich nur um das Wohl und Wehe der Spieler zu kümmern.

Reicht das als Begründung, warum das Team in Augsburg die beste erste Hälfte der Saison gespielt hat?

Geholfen hatte uns natürlich auch der Sieg zuvor gegen Leipzig. Erst sind wir nur hinterhergelaufen, doch dann haben wir das Erfolgserlebnis mit Leidenschaft erzwungen. Ich hatte in der Ansprache gesagt: »Heute müssen wir Schmerzen ertragen.« Auch wenn man erst chancenlos erscheint, darf man in solchen Spielen nie nachlassen, nicht frustriert sein. Auch nach dem Ausgleich sind wir nicht eingebrochen. Wir haben so leidenschaftlich gespielt, wie ich das in dieser Situation erwarte. Und am Ende kam das Quäntchen Glück zurück zu uns. Die zwei Siege jetzt haben was mit der Mannschaft gemacht.

In der aktuellen Episode der FC-Doku 24/7 treten sie äußerst emotional vor die Mannschaft...

Ich bin vielleicht noch etwas emotionaler als es sonst der Fall ist. Die Zeit ist knapp. Vieles, was unsere Videoanalysten in der Spielvorbereitung machen, kann ich eins zu eins übernehmen. Dazu braucht die Mannschaft Emotionen. Markus war auch nicht emotionslos, ich gehe vielleicht aufgrund der Situation aber noch emotionaler heran. Und die Mannschaft weiß, dass sie sich auf mich verlassen kann. Ich habe das Gefühl, dass ich sie schon viel länger kenne. Ich frage die Spieler auch nach privaten Dingen. Für sie habe ich immer ein offenes Ohr. Das ist im Moment vielleicht wichtiger als die reine Leitung des Trainings. Das Team ist ja zudem auch fit.

Wie lautet Ihre Nicht-Abstiegs-Rechnung? Reichen zwei Siege?

Schwierig. Hertha, Bielefeld und Bremen sind unsere Kontrahenten. Ich glaube, dass Hertha in den sechs Spielen noch die notwendigen Punkte holt. Entscheidend wird sein, wie Berlin aus der Pause rauskommt. Zwei Siege für uns können möglicherweise reichen, sicher ist das aber nicht. Wie gehen alle Spiele so an, dass wir sie gewinnen wollen. Wir können jetzt nicht vorsichtiger spielen. Wir wollen neun Punkte holen.

Es bleibt dabei: Ihr Job beim FC ist mit dem Saisonende beendet?

Ja, definitiv. Ich habe klar gesagt, dass ich nicht noch eine ganze Saison lang als Trainer arbeiten möchte. Die Aufgabe nimmt meine Zeit zu sehr in Anspruch. Ich habe Jahrzehnte super gerne als Trainer gearbeitet. Jetzt möchte ich gerne noch andere Dinge erleben. Der Job ist sehr anstrengend – auch körperlich. Ich hätte nicht gedacht, dass ich auch ohne Zuschauer so am Spielfeldrand mitgehen würde. Die Vor- und Nachbereitung ist ebenfalls immens. Ich fühle mich zwar fit, aber ich glaube, eine weitere Saison würde meiner Gesundheit nicht gut tun. Das ist eine Ansicht, die man ab einem gewissen Alter nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Ich möchte nicht irgendwann sagen: Du hast zu spät aufgehört. Die sechs Spiele machen jetzt nichts, danach kann ich ja wieder runterfahren.

Der 1. FC Köln wird aber auch in der kommenden Saison einen Trainer haben müssen. Geben Sie den Verantwortlichen da einen Ratschlag?

Mein Gefühl sagt mir, dass Horst Heldt mit mir darüber sprechen wird. Ich kenne ja viele Trainer und kenne die Mannschaft jetzt. Wenn sie in der Bundesliga bleibt, dann muss sie auch nicht komplett umgestellt werden. Der FC muss noch zwei, drei Verstärkungen holen – wenn das finanziell möglich ist. Dann ist sie absolut konkurrenzfähig. Wenn Horst meine Meinung zu einem Trainer wissen will, werde ich sie ihm sicher mitteilen. Und ich glaube, dass Horst sie auch gerne hören wird.

Gesetzt den Fall, der FC schafft den Klassenerhalt: Was muss weiter geschehen, damit der Abstieg nicht nur um eine Saison vertagt wird?

Ich bin erst seit kurzem hier und möchte mich nicht groß in die Strukturen und Gremien einmischen. Ich weiß nur: Je mehr Leute mitreden, desto unruhiger wird es. Beim FC ist es oftmals sehr unruhig. Der Klub hatte zuletzt seine erfolgreichste Zeit, als Jörg Schmadtke und Peter Stöger vieles im sportlichen Bereich alleine entscheiden konnten. Kurze Wege führen oft zum Erfolg. Ich halte sehr viel von Horst Heldt und Alexander Wehrle, das sind zwei sehr gute Leute für den Klub, denen man einfach vertrauen sollte. Grundsätzlich muss der FC demütig bleiben. Man kann nicht erwarten, dass der Klub in drei Jahren wieder in der Europa League spielt. Der FC muss sich stabilisieren. Das erste Ziel muss es sein, dass die Mannschaft nicht erneut eine ganze Saison in den Abstiegskampf verwickelt ist.

Können Sie sich vorstellen, nach dem Trainerjob dem FC in einer beratenden Funktion, vielleicht in einem Gremium, erhalten zu bleiben?

Wenn das irgendwann gewollt sein sollte, dann würde ich mich dem nicht verschließen. Das ist wieder etwas ganz anderes und hat mit der täglichen Arbeit nichts zu tun. Es ist wichtig, auch in den Gremien Leute zu haben, die aus dem Fußball kommen. Fachleute, die eine Mannschaft, den Trainer und die Liga einschätzen können.

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Herr Funkel, Sie sind fast fünf Jahrzehnte in der 1. und 2. Bundesliga dabei und haben über 1400 Profispiele als Spieler und Trainer bestritten. Wird es da nicht irgendwann mal Zeit, eine Biografie zu schreiben?

Mich haben schon drei, vier Autoren angesprochen, ob ich nicht ein Buch mit ihnen verfassen wolle. Aber ich sage dann immer: Was soll ich denn erzählen? (lacht) Darauf höre ich immer: »Wenn du nichts erzählen kannst, wer denn dann?« Jetzt stehe ich noch mal für ein paar Wochen wieder in der Aufmerksamkeit. Vielleicht nutzte ich meinen Urlaub danach wirklich mal als Gelegenheit, ein Buch zu schreiben. Denn wenn ich ehrlich bin: Nach fast einem halben Jahrhundert in der Bundesliga kann ich stundenlang erzählen.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen in der letzten Jahren Ihrer Karriere deutlich mehr Anerkennung widerfahren ist als früher?

Ja. Und natürlich hat mir das auch gut getan. Dazu hat natürlich auch die Zeit bei Fortuna Düsseldorf beigetragen. Ich mache mir zwar keinen großen Kopf darüber, wenn mal negativ berichtet wird. Das gehört in der Branche einfach dazu. Das muss man ertragen. Ich bin auch nie weggelaufen und habe mich immer gestellt. Mir war immer wichtig, dass die Menschen, mit denen ich viel zu tun habe, wissen, wie ich wirklich ticke.

Hat Sie deshalb auch das Echo auf Ihre Aussagen nach dem Derby in Leverkusen überrascht? Urplötzlich waren Sie mit dem Vorwurf des Rassismus konfrontiert.

Mich hat das Echo nicht so sehr gestört, sondern vielmehr die Menschen, die mich richtig gut kennen. Meine Familie zum Beispiel, meine Freunde und ehemalige Spieler, die wissen, wie ich bin. Dass die Dinge in den sozialen Netzwerken sofort in eine bestimmte Richtung interpretiert werden, hat mich schon überrascht und auch enttäuscht. Das sind dann aber auch meistens Leute, die mich nicht kennen. Auf der anderen Seite haben mir auch sehr viele gesagt, dass ich mich nicht verrückt machen soll. Weil sie mich kennen. Und das war schön zu erfahren. Das Negative kann ich verarbeiten. Es belastet mich nicht groß. Vielleicht ist es eine gute Gabe, dass ich das von mir wegschieben kann.

In Düsseldorf sind viele Fans sauer auf Sie und werfen Ihnen Wortbruch vor, da Sie mehrmals erklärt hatten, dass Fortuna Ihre letzte Station ist.

Es gibt aber auch sehr viele Düsseldorfer, die mir viel Glück für die Aufgabe wünschen. Das ist immer zweigeteilt. Ich kann viele Leute verstehen, die mir das vorwerfen. Dann ist das halt so. Ich hatte das damals aus voller Überzeugung gesagt. Damals wusste aber auch keiner, dass eine solche Pandemie auf uns zukommen würde.

Sie sind gebürtiger Neusser. Kann man da auch beide Vereine, den FC und Fortuna, im Herzen tragen?

Das ist so, das habe ich auch immer offen gesagt. Ich mag ja auch beide Städte. Und was die Rivalität beider Städte betrifft, sind die Menschen auch toleranter als vor 20 Jahren. Das siehst du auch im Karneval. Beim Bier bleibe ich standhaft, da bevorzuge ich Kölsch. Das ist nicht ganz so stark, man kann mehr davon trinken. Ruckzuck ist das Glas leer (lacht). Alt ist mir etwas zu bitter. Ich kann sehr gut mit beiden Städten und beiden Vereinen leben. Ich habe auch anderthalb Jahre in Oberkassel gelebt, das war sehr schön direkt am Rhein. Köln ist eine tolle Stadt, Düsseldorf aber auch. Sie sind grundverschieden. In Köln geht es kumpelhafter und emotionaler zu, in Düsseldorf etwas reservierter. Ich mag beides.

Aktuell werden in der Corona-Pandemie auch Debatten darüber geführt, dass der Fußball angeblich zu viele Privilegien habe. Wie sehen Sie das?

Das halte ich für völlig falsch. Der Fußball nimmt keinem etwas weg. Im Gegenteil: Er unterhält und beglückt die Menschen in dieser schwierigen Zeit, bietet ihnen Abwechslung. Ansonsten findet ja kein kulturelles Leben statt. Und dass der Fußball polarisiert, das ist doch logisch. Es geht da um sehr viel Geld.

Was glauben Sie: Wird sich der Fußball durch die Pandemie verändern?

Das glaube ich nicht. Man sieht ja aktuell, dass auch für Trainer sagenhafte Ablösen gezahlt werden. Das ist der Wahnsinn. Solche Summen, wie sie gerade beim Wechsel von Julian Nagelsmann zu den Bayern im Raum stehen, waren vor Jahren noch undenkbar. Die Vereine werden vielleicht bei den Gehältern der Spieler etwas einsparen können. Nicht aber bei den Topleuten. Insgesamt fehlt mir da der Glaube, dass sich wirklich etwas verändern wird.

Zur Person

Friedhelm Funkel, geboren am 10. Dezember 1953 in Neuss, bestritt als Spieler und Trainer über 1400 Pflichtspiele in der 1. und 2. Bundesliga. Der Rheinländer erzielte als Mittelfeldspieler in 320 Bundesligaspielen für Bayer Uerdingen (1985 Pokalsieger) und den 1. FC Kaiserslautern 83 Tore. Seit 1991 ist er Coach und trainierte in dieser Zeit Uerdingen, Duisburg, Rostock, Köln (2002 bis 2003), Eintracht Frankfurt, Hertha BSC, Bochum, Aachen, 1860 München und von 2016 bis Januar 2020 Fortuna Düsseldorf. Seit dem 12. April ist er zum zweiten Mal Trainer beim 1. FC Köln. Funkel ist seit 2017 in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei Töchter. (LW)