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SpielsystemFC warf Plan über den Haufen

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„Was habe ich getan?“ Kingsley Ehizibue (l., daneben Ismail Jakobs) war von seiner Torpremiere in der Bundesliga zum 3:0 gegen Freiburg selbst überrascht.

  1. Das Gisdol-Team wollte erst im Freiburger 3-4-3-System spielen, hielt dann aber doch an der zuletzt bewährten 4-2-3-1-Grundformation fest.
  2. Ein wichtiger Faktor der jüngsten Erfolgsserie ist, dass die Kölner Mannschaft die Fans zurückgewonnen hat.
  3. Kingsley Ehizibue zeigt sich über sein erstes Bundesligator selbst überrascht: „Was habe ich da getan?"

Köln – Mit einem souveränen Sieg in der Hand und drei Punkten auf dem Konto kann man leicht verraten, dass dafür ein Plan über den Haufen geworfen werden musste. So wie es Horst Heldt am Montag getan hat.

Der Sportchef des 1. FC Köln sagte gegenüber dieser Zeitung, dass der Bundesliga-Aufsteiger gegen den SC Freiburg eigentlich in einer anderen taktischen Grundformation spielen wollte. „Wir hatte vor dem Spiel eine lebhafte Diskussion und wollten erst im Freiburger System antreten. Dann haben wir uns aber doch noch dagegen entschieden und hielten an den bewährten Abläufen fest.“

Im 4-2-3-1-System statt im Freiburger 3-4-3 gelang dem 1. FC Köln ein 4:0-Erfolg, der im Kampf gegen den Abstieg auch in Anbetracht der Patzer der Konkurrenz Gold wert war. Dem FC gelang der vierte Heimsieg in Serie, letztmals war dies vor neun Jahren der Fall. Insgesamt gewannen die Kölner fünf der vergangenen sechs Bundesligaspiele und arbeiteten sich vom Tabellenende ins Mittelfeld vor. Der Aufschwung unter dem neuen Trainer Markus Gisdol, der bei Amtsübernahme noch so kritisch beäugt worden war, geht weiter. „Mittlerweile hat kein Gegner mehr Lust, in Köln ein Bundesligaspiel zu bestreiten. Und genauso sollte es sein“, sagte der glänzend aufgelegte Neuzugang Mark Uth, der gegen Freiburg an drei Toren und in seinen ersten drei Spielen an insgesamt sechs Treffern direkt oder indirekt beteiligt war.

Mannschaft wirkt deutlich fitter und homogener

Die Mannschaft wirkt deutlich fitter als noch unter dem vorherigen Trainer Achim Beierlorzer. Sie spielt aggressiv und leidenschaftlich, aber nicht mehr unfair. Statt früherer Auflösungserscheinungen zeichnet die Mannschaft jetzt Homogenität aus. Der Einzelne steckt im Sinne des Kollektivs zurück. Und mit den Erfolgserlebnissen steigerte sich auch merklich das Selbstvertrauen der Spieler. In dieser Verfassung kann der FC mit einer breiten Brust im Derby am Sonntag (15.30 Uhr) bei Borussia Mönchengladbach antreten. Auch bei der so heimstarken Fohlenelf, die zuletzt acht Heimspiele in Folge gewann, scheint in diesem emotionalen Duell der Erzrivalen alles möglich. „Jetzt brennt es im Derby“, versprach Mark Uth.

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Ein wichtiger Faktor der jüngsten Erfolgsserie ist, dass die Kölner Mannschaft die Fans zurückgewonnen hat. Fußball ist bekanntlich ein brutal schnelllebiges Geschäft. Denn vor erst sechs Wochen war die Situation rund um den FC eine ganz andere. Nach dem unterirdischen, uninspirierten Auftritt bei Union Berlin (0:2) und dem Absturz auf den vorletzten Tabellenplatz drohte die Stimmung im Nachbarschaftsduell gegen Leverkusen zu kippen. Doch eine von Gisdol mutig eingestellte und mit Youngstern aus den eigenen Reihen wie Jan Thielmann (17), Noah Katterbach (18) und Ismail Jakobs (20) verjüngte Mannschaft wusste dies zu verhindern und gewann nach großem Kampf 2:0.

Heldt: „Verhalten der Fans und Mannschaft machen Spaß"

Heldt und Gisdol wurden nicht müde, immer wieder zu betonen, wie wichtig die leidenschaftlichen Fans im Kampf um den Klassenerhalt sind. „Wir brauchen die totale Unterstützung“, hatte Heldt an die Anhängerschaft appelliert. Aber dafür muss ein Team auch in Vorleistung gehen und zumindest zeigen, dass es alles probiert und gibt. Und es gelang: Vom Platz sprang der Funke auf die Tribüne über. „Es ist schön zu beobachten, wie das Zusammenspiel zwischen Publikum und Mannschaft funktioniert. Das Verhalten des Publikums macht Spaß, aber auch das Auftreten der Mannschaft“, sagte Heldt. Die ersten 25 Spielminuten gegen Freiburg seien von beiden Teams bescheiden gewesen, doch der FC habe sich in das Spiel reingebissen, unterstützt von den Fans. Dominick Drexler sprach nachher von einem „Geben und Nehmen“ zwischen Elf und Fans. „Derzeit werden wir getragen. Das ist ein Trumpf“, sagte der 29-Jährige.

Ehizibue erklärt sein erstes Bundesligator für den FC

Und in dieser Situation gelingen auch den Spielern Aktionen, die vor wenigen Wochen wohl niemals geklappt hätten. Jhon Córdoba ist ohnehin kaum zu stoppen, traf bereits im sechsten Heimspiel in Folge – letztmals war das beim FC Klaus Allofs 1984 gelungen. Und Rechtsverteidiger Kingsley Ehizibue, der dieser Saison einige anarchische Auftritte hingelegt hatte, krönte seine beste Saisonleistung mit seinem ersten Tor in der Bundesliga. Und dies war ein sehr schönes nach einem feinen Solo. Wie er das gemacht hatte, das beschrieb der Neuzugang am Montag auf eine fast schon niedliche Art: „Ich bin einfach losgerannt und habe gehofft, dass ich den Ball zurückbekomme.“ Und Simon Terodde tat ihm den Gefallen. Daraufhin ließ der flinke Ehizibue Ex-FC-Verteidiger Dominique Heintz stehen – und änderte ebenfalls einen Plan. „Erst dachte ich, dass ich mit meinem rechten Fuß schießen muss. Ich habe dann aber mit links geschossen, mich umgedreht und gedacht: ,Was habe ich da gerade getan?’“ Ehizibue hatte ein Tor erzielt und die letzten Restzweifel am Sieg beseitigt. Gegen weitere derartige Geniestreiche in Gladbach hätte kein Kölner etwas einzuwenden. Selbst, wenn sie etwas planlos daherkommen.