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1. FC Köln droht RekordstrafeWarum lässt der Verein zu, dass Vermummte das FC-Geld verbrennen?

Lesezeit 5 Minuten
Vor dem Pokalspiel am Mittwochabend brannten die FC-Fans auf der Südtribüne ein gewaltiges Feuerwerk ab.

Vor dem Pokalspiel am Mittwochabend brannten die FC-Fans auf der Südtribüne ein gewaltiges Feuerwerk ab.

Nach dem Pokalsieg gegen Berlin droht dem 1. FC Köln eine Rekordstrafe. Der Verein zahlte bereits Hunderttausende Euro. Warum lässt der Klub das zu?

Beim Pokal-Achtelfinale am Mittwochabend gegen Hertha BSC zündeten Fans des 1. FC Köln massenhaft verbotene Pyrotechnik.

Was ist passiert?

Vor dem Anpfiff des Pokal-Achtelfinals im Rhein-Energie-Stadion gegen Hertha BSC (2:1) am Mittwochabend haben Fans des 1. FC Köln auf der Südtribüne massenhaft Pyrotechnik abgebrannt. Neben Bengalischen Fackeln schossen die Anhänger vor allem Raketen aus über die Tribüne verteilten Feuerwerksbatterien ab.

Es gab massive Rauchentwicklung, drei Millionen Zuschauer der Live-Übertragung im ZDF wurden Zeugen einer so außergewöhnlichen wie verbotenen Inszenierung. Fans sprachen vom „Feuerwerk des Jahres“, die Sozialen Medien quollen über mit spektakulären Bildern aus Müngersdorf. Dem Verein droht einmal mehr eine Rekordstrafe im hohen sechsstelligen Bereich.

Das Feuerwerk auf der Südtribüne war offensichtlich von langer Hand geplant.

Das Feuerwerk auf der Südtribüne war offensichtlich von langer Hand geplant.

Warum immer die Kölner?

Die FC-Fans, und nicht nur die, sind bekannt für den regelmäßigen Einsatz großer Mengen Pyrotechnik. Der bislang drastischste Vorfall war das Derby gegen Borussia Mönchengladbach im Oktober 2023. Damals zündeten die FC-Fans auf Südtribüne zahlreiche Bengalische Feuer und mehr als 500 Leuchtkugeln, die aus über den Fanblock verteilten Vorrichtungen abgefeuert wurden. Damals verurteilte das DFB-Sportgericht die Kölner zur Rekordstrafe von 595.000 Euro. Dass der Anpfiff des Spiels wegen der Rauchentwicklung um mehr als sechs Minuten verzögert wurde, wirkte dabei noch verschärfend.

Später wurde die Strafe auf 420.000 Euro reduziert, weil der 1. FC Köln Täter identifiziert hatte. Insgesamt zahlte der FC in der vergangenen Saison 725.750 Euro Strafen für Verfehlungen seiner Fans, das bedeutete Rang zwei hinter Eintracht Frankfurt (906.950 Euro). In dieser Saison stehen die Kölner bei bislang 32.600 Euro. Diese Summe wird sich nach dem Pokalspiel vervielfachen – und einen guten Teil der 1,7 Millionen Euro Prämie aufbrauchen, die der Klub seitens des DFB für das Erreichen des Pokal-Viertelfinals erhält.

Wer brennt Pyrotechnik ab?

Auf der Südtribüne dominiert die Aktive Fanszene, deren größter Zusammenschluss der „Südkurve 1. FC Köln e.V.“ ist. Besonders in den Blöcken S3 und S4 im Unterrang sammeln sich die Fans aus dem „Ultra“-Spektrum. Ziel dieser Gruppen ist nach eigener Darstellung, durch optische und akustische Unterstützung die Mannschaft anzutreiben. Dabei setzen sich diese Fans regelmäßig über die Grenzen der Stadionordnung hinweg, begehen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Die Profiklubs sind nicht in der Lage, ihre Fans unter Kontrolle zu bringen.

Wie urteilt der Deutsche Fußball-Bund?

Der Strafzumessungsleitfaden des Verbands sieht eine nach Liga-Zugehörigkeit gestaffelte Bestrafung vor. Für das Abbrennen Bengalischer Fackeln werden für Erstligisten pro Gegenstand 1000 Euro fällig, für Zweitligaklubs 600. Das „Abschießen/Werfen von pyrotechnischen Gegenständen“ kostet in der Ersten Liga 3000 und in der Zweiten 1500. Angesichts der Zahl abgeschossener Raketen am Mittwoch könnte auf die Kölner also je nach Zählweise eine gewaltige Summe zukommen.

Die Ultras vermummten sich unter einer Blockfahne, um einer Strafverfolgung zu entgehen.

Die Ultras vermummten sich unter einer Blockfahne, um einer Strafverfolgung zu entgehen.

Welche Rolle spielt die Kooperation eines Vereins mit den Behörden?

Der DFB formuliert die „Täterorientierte Sanktionierung“ als Leitgedanken. Wer als Verein die eigenen Fans in Regress nehme, verhindere zukünftige Verstöße, heißt es im DFB-Leitfaden. Tataufklärung und Täterermittlung sind daher laut DFB-Verfahrensordnung zentrale Pflichten der Vereine. So liege es auch in der Verantwortung der Vereine, das Vermummungsverbot im Stadion durchzusetzen. Beim Spiel gegen Hertha BSC nutzten die Täter die Möglichkeit, sich im Schutz einer Blockfahne zu maskieren und unerkannt Pyrotechnik abzubrennen. Weder Ordnungskräfte noch Polizei schritten ein.

Wie verhält sich die Polizei?

Eine Sprecherin verweist an den Verein. Der sei in der Verantwortung. Das sagt auch Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „Natürlich kontrolliert die Polizei im Vorfeld von Spielen rund um das Stadion. Aber wir haben mit dem Trennen der Fanlager, der Begleitung von Fans die mit Bus und Bahn anfahren und der Sicherung der Wege bei jedem Spiel schon mehr als genug zu tun. Irgendwo stößt auch die Polizei an ihre Grenzen.“

Ein Problem sei auch, dass die Feuerwerkskörper oft schon weit vor dem Anpfiff ins Stadion gelangen. „Teilweise offenbar auch durch Mitarbeiter der Vereine oder durch Ordner.“ Die Polizei kontrolliere zwar per Video im Stadion, wenn es zu Straftaten komme. „Aber das wissen viele Ultras auch und verhindern eine Identifizierung, indem sie sich vermummen oder hinter Fahnen und Plakaten verstecken, wenn sie Pyrotechnik abbrennen.“ Er sieht sowohl die Vereine als auch die DFL in der Pflicht: „Pyrotechnik muss stärker geächtet werden. Ordner müssen vernünftig geschult und kontrolliert werden. Und Täter müssen mit Stadionverboten bestraft werden.“

Der FC ist in einem stetigen, guten und konstruktiven Austausch mit den Kölner Sportstätten, der Polizei, der Feuerwehr und dem Wachdienst, um die Sicherheit aller Fans im Rhein-Energie-Stadion zu gewährleisten
FC-Geschäftsführer Christian Keller

Was sagt der 1. FC Köln dazu?

Christian Keller war am Mittwoch bis kurz vor Anpfiff noch in der Kabine und verpasste deshalb das Feuerwerk. Er habe nur den Nebel gesehen, als er den Stadion-Innenraum betrat, sagte der 46-Jährige, legte sich aber nach Ansicht der Fernsehbilder spontan fest: „Günstig wird es nicht.“ Überrascht war Keller nicht: „Es war erwartbar, dass es bei einem Pokalspiel, das für uns eine gewisse Bedeutsamkeit hat – sportlich, wirtschaftlich, atmosphärisch – nicht ohne Pyrofackeln geht.“

Am Donnerstag teilte der FC-Chef dann weiter mit: „Der FC ist in einem stetigen, guten und konstruktiven Austausch mit den Kölner Sportstätten, der Polizei, der Feuerwehr und dem Wachdienst, um die Sicherheit aller Fans im Rhein-Energie-Stadion zu gewährleisten. Auch mit der aktiven Fanszene sitzen wir regelmäßig zusammen, um klare Grenzen für den Einsatz von Pyrotechnik zu definieren. Diese Grenzen wurden am Mittwochabend überschritten. Wir werden das Geschehene im direkten Gespräch mit allen Ansprechpartnern konsequent aufarbeiten.“

Da es sich um ein operatives Thema der Profiabteilung handele, äußerte sich Keller, in dessen Ressort das Thema Fankultur fällt. Daher verzichtete der Vorstand um Präsident Werner Wolf auf eine Wortmeldung. (red)