- Die Zukunft des 100-Millionen-Mannes bleibt vor den DFB-Pokal-Finale ungeklärt.
- Rudi Völler schließt einen Corona-Rabatt bei der Ablösesumme weiterhin aus.
- Die große Leidenschaft im Leben des introvertierten Ballkünstlers sind abseits des Fußballs seine drei Esel.
Leverkusen – Das letzte Bundesligaspiel der Saison hat Kai Havertz auf einer ungewohnten Position begonnen: Er saß als Ersatzspieler in einer Reihe von Leverkusener Reservisten auf der Tribüne und schaute unglücklich. „Das hat unser Trainer wunderbar gelöst“, erklärte Geschäftsführer Rudi Völler ein paar Tage später, „er hat Kai vor dem DFB-Pokal-Finale eine Pause gegeben, und wir haben unser Spiel gegen Mainz trotzdem gewonnen.“ Die gut 20 Minuten Einsatzzeit am Ende des Spiels taten nichts mehr zur Sache.
Die Werkself wusste, dass sie das Saisonziel Champions League nicht mehr erreichen können würde. Man brachte das 1:0 über Mainz über die Zeit, aber das Wichtigste war, dass dem wertvollsten Spieler nichts Schlimmes passierte. Nur mit seinem Genie wird sich die Mannschaft von Trainer Bosz den Favoriten FC Bayern am Samstagabend einen Traum erfüllen können.
Eigentlich ist alles so gekommen, wie es sich die Leverkusener vor der Saison erträumt haben. Das Team hat die große Bühne erreicht. Angeführt von Kai Havertz steht Bayer 04 am Samstag um 20 Uhr gegen den FC Bayern München im Endspiel des DFB-Pokals und kann nach 27 Jahren ohne Titelgewinn die Hand an eine Trophäe legen. Der junge Star, so Teil zwei des Plans, wird seinen Wert dadurch weiter steigern und seinem Klub im Fall eines Transfers eine exorbitante Transfersumme einbringen. Allerdings ist die Corona-Pandemie dazwischengekommen.
Der FC Bayern scheint als Interessent für den Hochbegabten erst einmal ausgeschieden zu sein. Der sich vollziehende Transfer von Leroy Sané hat den Hunger nach neuem Glanz offenbar gestillt. Außerdem würde Kai Havertz mindestens doppelt so viel kosten wie die knapp 50 Millionen Euro, die der FC Bayern für Sané nach Manchester überweisen wird. Die Münchener haben erklärt, dass sie in der Corona-Zeit keinen Rekordtransfer durchpeitschen wollen. Und so spricht einiges dafür, dass Havertz nach dem sportlichen Ende der Saison entweder zu einem Weltklub wie Real Madrid wechselt oder, wenn niemand eine Summe in der Größenordnung von 100 Millionen Euro bezahlt, in Leverkusen bleibt.
Rudi Völler: "Kai wird irgendwann die große Nummer"
„Dass Kai Havertz irgendwann die ganz große Nummer sein wird, vielleicht auch bei einem anderen Klub, darin sind wir uns alle einig“, sagt Geschäftsführer Rudi Völler, „aber dass wir ihn verkaufen müssen, nur weil wir die Champions League erst einmal verpasst haben, wo steht das denn geschrieben? Das ist reine Spekulation. Da hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Der Transfermarkt ist durch Corona anders geworden. Aber ich kann es nur wiederholen: Bei solchen Künstlern wie Kai Havertz zählt das natürlich nicht.“
Das Pokalfinale ist nach 147 Profi-Spielen des 21-Jährigen für Bayer 04 der erste große Test. Seine Fähigkeiten sind unbestritten außergewöhnlich. Havertz ist, anders als die meisten Helden des Fußballs, ein introvertierter Zauberer, der auf dem Platz Lösungen für Probleme findet, die unlösbar scheinen. Er ähnelt darin einem Software-Wunderkind, das Algorithmen für Computer-Programme erschafft, mit denen sich ein Vermögen verdienen lässt.
Das Wissen um seine besonderen Fähigkeiten ist für ihn die normalste Sache der Welt. Kai Havertz hat es schon als Zehnjähriger aus Aachen mit nach Leverkusen gebracht und durch alle Jugendmannschaften transportiert. Er ist mit dem Werksklub 2016 deutscher U-17-Meister geworden, hat im Alter von 17 Jahren im gleichen Jahr sein Bundesliga-Debüt gegeben. Zuletzt wurde er vom Mittelfeldspieler, der auf allen Positionen einsetzbar ist, zum verkappten Mittelstürmer und Torjäger. Mittlerweile ist Havertz der jüngste Spieler in der Geschichte der Fußball-Bundesliga, der 35 Tore erzielt hat. Ohne Corona wäre sein Transfer im Sommer für deutlich mehr als 100 Millionen Euro nicht zu verhindern gewesen. „Jetzt haben wir die Hoffnung, dass er noch eine Saison bleibt“, sagt Sportdirektor Simon Rolfes.
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Kai Havertz ist allerdings auch in zehn Jahren Leverkusen vielen ein Mysterium geblieben, weil er keinen Wert auf Außendarstellung und die Nähe vieler Menschen legt. Im Rückblick auf ein Jahrzehnt Bayer 04 hat er im Klub-Magazin „Werks11“ einen seltenen Einblick in sein Seelenleben gegeben. Die Fixpunkte seiner Emotionalität sind seine Familie („Sie ist das Wichtigste für mich“) und seine Esel. „Von Kindesbeinen an bin ich Esel-Fan“, erzählt Havertz, „zu einem Geburtstag haben mir meine Eltern mit einer Patenschaft für zwei Esel diesen Traum erfüllt. Dann kam ein weiterer Esel dazu, den wir vor dem Schlachthof gerettet haben. Es ist einfach ein schönes Gefühl, neben einem Esel herzulaufen, von dem man weiß, dass er ohne deine Hilfe gestorben wäre.“
Es gibt offenbar viel, das man über Kai Havertz nicht weiß. Vielleicht weiß man auch noch nicht, wie gut er wirklich ist.