AboAbonnieren

Gegentore, Zugänge, Rotation & Co.Sieben Gründe für die Formkrise bei Bayer 04

Lesezeit 5 Minuten
Leverkusens Florian Wirtz beim Spiel gegen den VfL Bochum

Leverkusens Florian Wirtz beim Spiel gegen den VfL Bochum

Bayer 04 Leverkusen ringt in der Bundesliga um Formstabilität: Gegentreffer, fehlende Treffsicherheit, Formschwankungen bei Schlüsselspielern und mangelnde Entlastung durch Zugänge trüben das Bild.

Knapp ein Drittel der Bundesliga-Saison ist absolviert und eine Titelverteidigung erscheint für Bayer 04 Leverkusen schon jetzt wie eine Utopie. Neun Punkte liegen nach zehn Spieltagen zwischen Spitzenreiter Bayern München und der Werkself. Das 1:1 beim abgeschlagenen Schlusslicht VfL Bochum war der nächste Nackenschlag für die Mannschaft von Xabi Alonso. Der Trainer fordert von seinem Team, erwachsener zu spielen. Vom Glanz der Vorsaison war im Herbst 2024 nur noch wenig zu sehen. Die Problemherde bei Bayer 04:

Führungen

In zehn Spielen kassierte Leverkusen nur zwei Mal das 0:1 – und das waren auch noch zwei Spiele, die Bayer 04 am Ende gewann (Wolfsburg und Frankfurt). Außer beim 0:0 gegen Stuttgart lag Bayer 04 in allen anderen neun Begegnungen entweder mit 1:0, 2:0 oder im späteren Spielverlauf in Führung, kassierte dabei sieben Mal den Ausgleich, verlor eine dieser Partien (Leipzig) und gewann noch zwei (Wolfsburg und Gladbach). Fünf Remis sind Liga-Topwert.

Elf Punkte mehr könnten zu Buche stehen, hätte die Werkself alle Führungen über die Zeit gebracht. Interessant: In der Vorsaison kassierte Bayer innerhalb der ersten zehn Spiele auch viermal den Ausgleich nach Führung, gewann aber jedes dieser Spiele. Zudem kassierte Bayer in den vergangenen beiden Auswärtsspielen in Bremen und Bochum in der 90. und 89. Minute den späten Ausgleich. Späte Tore zu erzielen, war eigentlich die Qualität der Leverkusener.

Gegentore

Generell kassiert Bayer 04 zu viele Tore. Erst einmal spielte die Alonso-Elf zu Null – beim 0:0 gegen Stuttgart. 16 Mal mussten die Torhüter Lukas Hradecky und Matej Kovar schon hinter sich greifen. Zum Vergleich: Aufsteiger St. Pauli kassierte erst zwölf Treffer, Champions-League-Konkurrent RB Leipzig nur fünf. Am Ende der vergangenen Saison hatte Leverkusen mit 24 gerade mal acht Tore mehr kassiert als zum jetzigen Zeitpunkt.

Effektivität

Das Paradebeispiel für die fehlende Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor ist Victor Boniface. 41 Mal schoss er in dieser Spielzeit aufs gegnerische Tor – das ist der Topwert der Liga, gefolgt von Omar Marmoush (40) und Harry Kane (38). Der Unterschied: Marmoush und Kane trafen beide jeweils elf Mal, Boniface steht bei sechs Toren. Als Mannschaft schoss Bayer bisher 186 Mal aufs Tor, auch das ist Topwert. Dennoch hat Leverkusen zwölf Tore weniger erzielt als Tabellenführer FC Bayern. Ein bisschen Pech ist allerdings auch dabei: Die Alonso-Elf scheiterte bereits acht Mal am Aluminium, mehr als jedes andere Team.

Eine weitere Kennzahl, die unterstreicht, dass es den Leverkusenern an Präzision fehlt, ist die Zahl der Flanken. Alejandro Grimaldo ist Spitzenreiter der Liga. Der Spanier brachte den Ball 41 Mal in den gegnerischen Strafraum. Damit führt er die Rangliste ganz klar an. Auf Platz zwei liegt Freiburgs Christian Günter (33) und auf Rang drei Maximilian Mittelstädt (29) vom VfB Stuttgart. Von Grimaldos 41 Versuchen führte nur eine Ecke zu einem Treffer. Sein zweiter Assist war ein Flachpass vor dem Strafraum in Hoffenheim. Zum vergleichbaren Zeitpunkt in der Vorsaison hatte der Schienenspieler schon die doppelte Zahl an Torvorlagen und dazu noch fünf Treffer selbst erzielt – in dieser Saison gelang ihm erst ein Tor.

Form

In echter Topform mit ganz wenigen Ausreißern nach unten ist derzeit bei Bayer 04 eigentlich nur einer: Florian Wirtz. Der Ausnahmespieler war auch beim 1:1 in Bochum wieder bester Mann auf dem Platz. Ansonsten befinden sich zu viele Akteure auf der Suche nach ihrem besten Level. Es zieht sich durch alle Mannschaftsteile: Lukas Hradecky, Edmond Tapsoba, Alejandro Grimaldo, Granit Xhaka, Jonas Hofmann, Victor Boniface – keiner von ihnen konnte in den vergangenen Wochen in jedem Spiel das Niveau abrufen, das Bayer in allen Wettbewerben braucht.

Geistige und körperliche Frische

Bei der Frage nach dem Warum hinter den ausbleibenden Topleistungen ist ein Faktor sicher die mentale und physische Belastung. Für die meisten Spieler waren die Titelgewinne in der vergangenen Saison der bisherige Höhepunkt in ihrer Karriere. Ein Spannungsabfall – das wussten auch alle Verantwortlichen – scheint da – bei allen Versuchen gegenzusteuern – normal. Führungsspieler Granit Xhaka, den Alonso als Schlüssel im Spiel bezeichnet, spulte in der vergangenen Saison 50 Partien für Leverkusen und neun für die Schweiz (inklusive EM) ab. Zeit, den Akku wieder aufzuladen, fehlte. Seit Beginn der Saison sind die Nationalspieler mit der nun bereits dritten Länderspielpause wieder im Hamsterrad gefangen.

Rotation

Was hilfreich wäre: mehr Pausen für die Säulen des Teams und eine größere Verteilung der Spielzeit. In der abgelaufenen Saison war das ein Faustpfand – besonders in der Hinrunde. Allerdings liegt die Antwort, warum es diese Saison nicht so klappt, auf der Hand: Die Gegner in der Europa-League-Gruppenphase boten sich – bei allem Respekt – eher für Rotationen an: Molde FK, BK Häcken oder Karabach Agdam.

In der Königsklasse ging es unter anderem gegen den AC Mailand und den FC Liverpool. Inter Mailand und Atletico Madrid warten noch. Will Bayer 04 in allen Wettbewerben eine gute Rolle spielen, muss Alonso auf seine besten Spieler setzen. Xhaka spielte bisher jedes Bundesligaspiel über die komplette Distanz, bekam nur in Brest und in Jena weniger Spielzeit von der Bank. Florian Wirtz saß in der Liga einmal verletzungsbedingt auf der Bank und zwei Mal im DFB-Pokal. Viel Möglichkeiten zur Rotation – besonders in der derzeit sportlich angespannten Lage – bietet der Spielplan auch in den kommenden Wochen nicht. Im Pokal steht schließlich auch noch das Auswärtsspiel beim FC Bayern an.

Zugänge

Bisher konnte keiner der vier Neuen so richtig überzeugen. Nordi Mukiele, Jeanuel Belocian, Aleix Garcia oder Martin Terrier deuteten ihr Potenzial allenfalls mal an, machten mal ein besseres, dann wieder ein schlechteres Spiel. Auf Strecke haben sie die Mannschaft bisher nicht verbessert. Mukiele, Belocian und Terrier fehlten zudem in den vergangenen Partien verletzt.