Leverkusen – Es passiert nicht oft, dass ein Fußball-Trainer sechs Tage im Amt ist und mit seinem neuen Team in der Champions League spielen kann. Diese Besonderheit, in der sich die Fallhöhe des Leverkusener Absturzes am deutlichsten widerspiegelt, war vermutlich ein Grund dafür, dass Xabi Alonso bei Bayer 04 überhaupt übernommen hat. Ohne Krise wäre der Job nicht frei geworden. Und ohne die Königsklasse hätte er sich kaum mit dem Anspruch eines Welt- und Europameisters vertragen, der die Champions League in insgesamt 119 Partien als Spieler zweimal gewonnen hat.
Deshalb ist die Partie gegen den FC Porto am Mittwochabend (21 Uhr/DAZN) kein normales Spiel im Leben des Xabi Alonso. „Champions League ist der schönste Wettbewerb. Es ist für mich als Trainer etwas Besonderes“, erklärte der Spanier am Dienstag, „und ich hoffe, dass noch viele Champions-League-Spiele folgen werden.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Der 4:0-Sieg gegen den FC Schalke am dritten Tag seiner Amtszeit hat dem 40-Jährigen schon einmal geholfen. Die Änderungen, die er am Spiel seiner Mannschaft vorgenommen hat, haben offensichtlich funktioniert. Die Spieler werden ihm bis auf Weiteres alles glauben. Jonathan Tah, der den vom Amt entbundenen Gerardo Seoane bis zuletzt vehement gegen Kritik verteidigt hatte, berichtet von besserer Stimmung und höherer Konzentration: „Wir sind sehr fokussiert, das ist immer so, wenn ein Trainerwechsel stattgefunden hat. Wir sind jetzt an dem Punkt, an dem wir nur nach vorn schauen.“
An sich und seinen Kollegen hat Tah beim 4:0 über Schalke schon deutliche Verbesserungen beobachtet: „Wir waren viel kompakter, haben intensiver gespielt, sind höher gestanden und haben als Mannschaft besser gemeinsam agiert.“Man sollte meinen, dass Kompaktheit, Intensität, Teamgeist unter jedem Trainer eine Selbstverständlichkeit sein sollten, dass das Erscheinen eines neuen Übungsleiters und leichte Eingriffe in Grundordnung und taktisches Verhalten eigentlich nicht dazu ausreichen können, um eine Mannschaft über Nacht von ihren komplexen Leiden zu kurieren.
Aber mit einem Sieg im Rücken, egal wie schwach der Gegner war, verfliegen die Zweifel schnell. Und es entstehen sogar Erklärungen dafür, warum ein neuer Trainer schafft, woran der alte verzweifelt und gescheitert ist. „Ich glaube, es liegt daran, dass ein neuer Trainer die Dinge von außen betrachten konnte und Dinge sah, die man von innen nicht mehr sieht. Eine andere Erklärung habe ich auch nicht“, sagt Jonathan Tah, der seit 2015 in Leverkusen spielt und alle fünf Trainerwechsel seit der Ära Roger Schmidt mitgemacht hat.
In der Champions League hat Xabi Alonso anders als in der Bundesliga die Chance, den Leverkusener Anspruch kurzfristig zu erreichen. Ein Sieg würde den zweiten Gruppenplatz festigen, der am Ende zum Einzug ins Achtelfinale genügt. Allerdings fallen eine Woche nach der 0:2-Niederlage in Porto Jeremie Frimpong und Robert Andrich gesperrt aus, die bei Alonsos Debüt gegen Schalke zu den tragenden Säulen des Bayer-Spiels gehörten. Der Trainer will nicht verraten, wie er diese Schwächung kompensieren will. Er erklärt vielmehr: „Wir arbeiten jeden Tag an den Basics, für mehr ist momentan keine Zeit. Aber die Grundlagen müssen gefestigt werden.“
"Patriks Tore werden kommen, Lukas braucht Selbstbewusstsein"
Persönliche Krisen, die zur Mannschaftskrise geführt haben, wie die Ladehemmung des Torjägers Patrik Schick und die Fehlgriffe des Torhüters Lukas Hradecky behandelt der neue Trainer individuell. Bei Schick setzt er auf die Heilkräfte der Gruppe. „Patriks Tore werden kommen. Er hat die Mentalität, die Physis und die Klasse. Wenn er sich nur darauf konzentriert, dem Team zu helfen, dann wird ihm irgendwann auch das Team helfen. So funktioniert das. Seine Tore werden kommen“, sagt Xabi Alonso über den Tschechen, dessen verschossener Elfmeter im Hinspiel die Niederlage einleitete.
Bei Lukas Hradecky liegen die Dinge anders. Vier krasse Fehler in kürzester Zeit sind kein Fall für Spezialtraining. „Ich muss ihm Selbstbewusstsein geben. Das ist das Wichtigste. Spiele ohne Gegentor wie gegen Schalke helfen am meisten. Wir brauchen Lukas. Und er braucht Selbstbewusstsein.“Den Gegner zählt Xabi Alonso zu den „Top-Teams in Europa“.
Mit Verteidiger-Haudegen Pepe, der verletzt ausfällt, hat er bei Real Madrid noch selbst zusammengespielt. Im Trainer-Kollegen Sergio Conceicao sieht er den „Anführer und die Seele“ des Teams aus Porto. Und er freut sich auf das Spiel: „In der Champions League ist alles besonders, auch die Geräusche im Stadion.“ Das wird mit 28 500 Zuschauern ausverkauft sein.